18. Juni 2019, 19:32 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Können Kreuzfahrtschiffe umweltfreundlich sein? Diese Frage stellt sich immer häufiger, da immer mehr Reedereien beim Antrieb auf Flüssiggas (LNG) anstatt auf Schweröl setzen. Letzteres ist bekannt dafür, der schädlichste aller Treibstoffe zu sein. Doch ist LNG wirklich die Zukunft der Kreuzfahrt? TRAVELBOOK hat nachgeforscht.
Die „Aida Nova“ ist wirklich ein Novum: Das 337 Meter lange Schiff ist das erste Kreuzfahrtschiff der Welt, das vollständig mit Flüssig-Erdgas (Liquified Natural Gas, kurz LNG) betrieben wird. Das mit 2500 Kabinen bisher größte Schiff der Aida-Flotte ist ein Prestige-Projekt. Schon vor der Jungfernfahrt im Dezember 2018 wurde es von vielen Seiten gelobt. Im viel beachteten Kreuzfahrtranking des Nabu, dem Deutschen Naturschutzbund, war es sogar das einzige Kreuzfahrtschiff, das von dem Naturschutzbund empfohlen wurde. Das liegt allerdings auch daran, dass alle anderen Kreuzfahrtschiffe immer noch auf Schweröl setzen. Einige der 76 untersuchten Schiffe sogar ohne moderne Abgastechnik.
Eine Verbesserung – zumindest im Vergleich zu Schweröl
LNG ist aktuell der zukunftsweisendste Treibstoff. Bei TUI-Cruises folgen zwei LNG-Schiffe 2024 und 2026 – bislang setzt die Reederei auf Abgasreinigungssystem an Bord, die neben dem Schwefeloxid-Ausstoß auch Feinstaub- und Stickstoffoxid-Emissionen reduzieren. Noch im Herbst 2019 soll die „Costa Smeralda“ von Costa Crociere als erstes LNG-Kreuzfahrtschiff in Hamburg anlegen, 2021 und 2023 folgen zwei Schwesterschiffe der „Aida Nova“. Dann werden nach den Plänen der Reederei mehr als die Hälfte aller Aida-Passagiere auf LNG-Schiffen unterwegs sein. Doch auch LNG ist nicht das Maß aller Dinge.
So erklärt Beate Klünderer vom NabuABU gegenüber TRAVELBOOK: „Aus Sicht der Luftschadstoffe ist LNG eine gute Alternative zu Schweröl, doch es bleibt ein fossiler Kraftstoff, der hinsichtlich Treibhausgas-Emissionen keine Vorteile und in bestimmten Szenarien sogar Nachteile bringt.“ Das Problem ist, dass LNG-Schiffe zwar eine deutliche Verbesserung der Luftqualität mit sich bringen, da kein Feinstaub ausgestoßen wird. Dieser Vorteil wird allerdings von den geringere Treibhausgaseinsparungen gebremst. Geht es nach der Industrie, wird mit einer Verbesserung von bis zu 25 Prozent argumentiert. Allerdings zeigen Zahlen verschiedener Studien anderes.
So verweist zum Beispiel eine Studie vom Dachverband Transport & Environment darauf, dass der maximale Gewinn bei zwölf Prozent liege. Im schlimmsten Fall kann der Effekt sogar umkippen und LNG bis zu neun Prozent schlimmer sein als Schweröl. Das liegt daran, dass LNG aus Methan besteht. Das ist, ebenso wie CO2, ein Treibhausgas – allerdings 25 Mal schlimmer! Das heißt, kleine Lecks verursachen bereits einen relevanten Schaden. Aus diesen Gründen sagt beispielsweise der Nabu, dass man bei diesem Aspekt keinen Vorteil von LNG gegenüber Schweröl oder Marinediesel erkennen könne.
LNG ist nur eine Übergangslösung
Hinzu komme laut Klünderer, dass LNG auch aus Frackinggas hergestellt werden kann, was in seiner Gewinnung „schon eine ökologische Katastrophe ist“. Beim „Fracking“ wird Erdgas über Tiefbohrungen im Gestein gewonnen. Das Verfahren ist umstritten, da vor allem für das Grundwasser Risiken bestehen.
Auch Jörg Feddern, Diplom-Biologe und Öl-Experte bei Greenpeace, teilt die Bedenken gegenüber LNG. Er fügt hinzu, dass man bei dem Gas auch die gesamte Herstellungskette betrachten müsse, bei der ebenfalls viel Methan aufgewendet wird. Sein Fazit: „Bezogen auf die Schadstoffe ist LNG im Vergleich zu Schweröl eindeutig besser, die Klimabilanz dennoch eher durchwachsen.“ Als Überbrückung bis zum Einsatz nachhaltiger Energieträger sei LNG durchaus in Betracht zu ziehen. Doch wenn es nur um eine Überbrückung geht – was sind dann die Antriebe der Zukunft?
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Eine mögliche Alternative zu LNG wäre ein Antrieb mit Brennstoffzellen. Hurtigruten plant aktuell zwei Schiffe, die mit solchen Brennstoffzellen betrieben werden sollen, bei Aida soll ein Schiff mit diesem Antrieb 2023 fertig sein. Zudem wird bei Hurtigruten auch auf Flüssigbiogas, Liquified Biological Gas (kurz: LBG), gesetzt. Das soll aus organischen Abfällen aus der Fischindustrie gewonnen werden. Dafür arbeitet man mit dem Unternehmen Biokraft zusammen. Biogas sei der bislang einzige Kraftstoff, der als klimaneutral gelte, erklärt Hurtigruten-Chef Daniel Skjeldam.
Ende Juni 2019 soll das Expeditionsschiff „Roald Amundsen“ von Hurtigruten in See stechen. Es wird das weltweit erste sein, das eine Hybrid-Technologie an Bord hat. Dennoch: Die geringe Anzahl der Projekte auf immerhin circa 500 Kreuzfahrtschiffe weltweit zeigt, dass in Sachen Umweltbelastung noch viel zu tun ist in der Branche.
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Das Problem ist, dass jeder neue Antrieb zunächst erforscht werden muss. Die Kosten dafür müssen die Reedereien tragen, die sich jedoch in einem Preiskampf befinden. Deutlich gesagt: Es ist nicht profitabel, grün zu denken. So investiert beispielsweise Hurtigruten 826 Millionen Euro für die umweltfreundliche Umrüstung der Flotte von 17 Schiffen, alleine die beiden batteriebetriebenen Schiffe kosten jeweils 150 Millionen Euro. Was kann man also tun?
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Feddern fordert klare Regelungen für die Branche: „Zum Beispiel ein Verbot von Schweröl, saubere Antriebe bis hin zu Zero Emission, die Begrenzung von Schiffsanläufen bis hin zu für Kreuzfahrer verbotenen Regionen wie etwa Venedig, Spitzbergen oder andere ökologisch sensible Gebiete, ein Landstrom-Angebot in den Häfen und verbindliche Ziele zur Verringerung des ökologischen Fußabdruckes in der Kreuzfahrtindustrie.“
Tatsächlich sind in Nord- und Ostsee Schiffe, die den Schwefelanteil in den Abgasen durch entsprechende Filter nicht auf 0,1 Prozent reduzieren, schon längst verboten und auch weltweit werden die Umweltauflagen strenger: Die internationale Schifffahrts-Organisation IMO hat beschlossen, dass ab 1. Januar 2020 weltweit nur noch ein Schwefelanteil von 0,5 Prozent erlaubt sein wird. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – wie auch das Flüssiggas.