31. August 2015, 17:46 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Mit weißen Socken und Sandalen reserviert er im Morgengrauen die Liegen am Hotelstrand auf Malle – so sieht das Klischee vom deutschen Touristen aus. Aber was wollen und tun die Deutschen wirklich? Neue Studienergebnisse verraten Überraschendes …
86 Prozent der Deutschen werden im nächsten Jahr mindestens ein Mal verreisen. Dabei wollen 62 Prozent vor allem eins: neue Städte und Kulturen kennen lernen. Strand und Party landeten bei den vier zur Wahl gestellten Must-Haves dagegen mit 28 Prozent auf dem letzten Platz. So viel zum Klischee des biertrinkenden Ballermann-Touristen als typisch deutschen Urlauber.
Der Urlaub als Heiratsmarkt
Einen frischen und gleichzeitig wissenschaftlich fundierten Blick auf die Deutschen wagen – das will das neue Buch „Wie wir Deutschen ticken“. Herausgegeben von dem Meinungsforschungsinstitut YouGov untersucht es auf der Basis von mehr als 500 repräsentativen Umfragen unsere Wünsche, Gewohnheiten, Ängste und Macken. Ziel ist es, ein Abbild der deutschen Bevölkerung ab 18 Jahren zu zeigen. Dabei geht der Autor Christoph Drösser einer Fülle von Fragen nach, etwa zu bevorzugten Sexstellungen, Fremdgehen, Lesegewohnheiten auf der Toilette, Lieblingshaustieren oder Glauben an Leben nach dem Tod.
Auch zu den Bereichen Urlaub und Partnerschaft gibt es überraschende Ergebnisse. So haben immerhin 10 Prozent aller Deutschen ihren festen Partner im Urlaub kennengelernt. Das sind genau so viele wie über eine Partnerbörse im Internet. Damit liegt der Urlaub in der Kennenlern-Top-Ten auf Platz Sieben, hinter Kuppel-Klassikern wie „Über Freunde“ (1. Platz, 35 %), „In einer Bar“ (26 %) und „Auf der Arbeit“ (25 %).
Reiselustige Gewohnheitstiere
Die Deutschen fahren gerne und weit weg, belegt das Buch mit handfesten Zahlen. Nur 14 Prozent geben an, dass sie nächstes Jahr im Urlaub zu Hause bleiben werden. 36 Prozent wollen wenigstens ein Mal verreisen. 40 Prozent planen zwei bis drei Urlaubsreisen, 10 Prozent sogar vier oder noch mehr. 62 Prozent waren schon einmal außerhalb von Europa.
Allerdings bleiben die meisten Deutschen ihren Lieblingszielen treu. Mit 49 Prozent ist die Gruppe derer, die regelmäßig an den gleichen Urlaubsort reisen, größer als die derjenigen, die an verschiedene Orte fahren (47 %). Die restlichen vier Prozent gaben an, noch nie im Urlaub gewesen zu sein.
FKK, Sonne und ein Zelt
Der deutsche Urlauber als Nackedei – dieses Bild stimmt laut dem Statistik-Bilder-Buch. Die meisten Deutschen, nämlich 53 Prozent, waren demnach schon einmal an einem FKK-Strand. Dabei scheinen die Vorstellungen von typischen Ost-West-Eigenheiten zumindest beim Nacktbaden noch zu bestehen: Während bei den Westdeutschen 19 Prozent „Ja!” zu FKK sagten, waren es bei den Ostdeutschen viel mehr, und zwar 34 Prozent.
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Noch typischer für die Deutschen ist hingegen der Urlaub auf dem Campingplatz: 55 Prozent waren schon einmal zelten. Auch das Klischee von Ferien auf Mallorca oder an einem Ferienort in der Türkei belegen die Statistiken, zumindest indirekt: Die meisten Deutschen, nämlich 61 Prozent, fahren lieber in den Süden. In den Norden zieht es nur 21 Prozent. Dass die Angaben nicht immer 100 Prozent ergeben, erklärt der Buchautor übrigens damit, dass die Befragten immer auch die Möglichkeit hatten, keine Angaben zu machen.
Wohlhabende Kreuzfahrt-Fans
Kreuzfahrten sind im Vergleich zu Camping- und FKK-Urlaub bei den Deutschen eher weniger verbreitet: Nur 16 Prozent gaben an, schon einmal eine Kreuzfahrt gemacht zu haben. Dabei gilt die Faustregel: Je wohlhabender die Urlauber, desto höher der Anteil an Kreuzfahrern. So haben 24 Prozent, also fast ein Viertel der Kreuzfahrt-Teilnehmer, ein monatliches Haushaltseinkommen von mehr als 3.500 Euro, 17 Prozent 1.500 bis 3.500 Euro und nur sieben Prozent weniger als 1.500 Euro.
Ein Viertel hat Angst vorm Fliegen
Viel verbreiteter sind Reisen mit dem Flugzeug. Dabei haben überraschend viele Deutsche Flugangst: 26 Prozent leiden darunter. Betroffen sind vor allem Frauen (32 %) und Geringverdiener (33 %). Nur neun Prozent hält dies allerdings vom Fliegen ab. Die restlichen 17 Prozent heben dennoch ab. Vielleicht liegt darin der Grund für ein Verhalten, das manchmal als „typisch deutsche Charterflug-Gewohnheit“ belächelt wird: das Klatschen nach erfolgreicher Landung. 21 Prozent der Befragten bekannte sich zu diesem Brauch.
Trotz hoher Flugangst-Verbreitung und obwohl das Flugzeug aus Umweltgründen immer mehr in der Kritik steht: Nur 48 Prozent der Deutschen sind im vergangenen Jahr gar nicht geflogen. Skurrilerweise nehmen den Studien zufolge ausgerechnet Grünen-Wähler und Sympatisanten besonders oft das Flugzeug: 39 Prozent von ihnen reisten vergangenes Jahr mehr als einmal mit dem Flieger, neun Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt.
Nervige Mitreisende
Bei Flugreisen ärgern sich deutsche Urlauber vor allem über Vordermänner, die ihre Sitzlehnen ohne Vorwarnung nach hinten klappen. 56 Prozent fühlen sich von ihnen genervt. Damit rangieren die Sitzlehnenklapper an der Spitze der Top Five der rücksichtslosen Mitflieger. Platz Zwei teilen sich mit je 41 Prozent „Eltern, die lärmende Kinder mit an Bord bringen und sie nicht beruhigen können” und Mitflieger, die beim Einräumen den Gang blockieren, weil sie ihr Gepäck umständlich verstauen.
30 Prozent fühlen sich von Plaudertaschen genervt, die ihnen Gespräche aufdrängen und 22 Prozent von Konfirmandenblasen, die sich ständig an ihnen vorbeidrängen, um auf die Toilette zu gehen.
Postkarte aus dem Pauschal-Urlaub
Die meisten Deutschen grüßen ihre Lieben aus der Ferne immer noch auf traditionelle Art: 71 Prozent nutzen dafür die gute alte Postkarte. Die schnelle Möglichkeit der SMS rangiert mit 40 Prozent auf Platz 2 – bei dieser Umfrage waren offenbar Mehrfachnennungen möglich. Mehr als ein Drittel der Deutsche (35 %) grüßen über Soziale Netzwerke wie zum Beispiel Facebook aus den Ferien, etwas weniger (32 %) per E-Mail.
Die Chancen stehen hoch, dass diese Urlaubsgrüße aus einem Pauschalurlaub kommen: Fast die Hälfte der Deutschen (46 %) legt sehr großen Wert auf All-inclusive-Versorgung. Diese Form des bequemen Rundum-Service belegt damit Platz 2 der Dinge, die im Urlaub auf keinen Fall fehlen dürfen. Noch wichtiger ist es den meisten allerdings, „neue Städte und Kulturen” kennenzulernen (62 %). „Sportliche Aktivitäten” rangieren auf Platz 3 (45 %), „Strand und Party” auf Platz 4 (28 %).
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Zahlen-Bilderbuch für Erwachsene
Das Buch „Wie wir Deutschen ticken“ untersucht auch zahlreiche Alltagsfragen mit zum Teil überraschenden Ergebnissen. Der Clou: Die Ergebnisse der Statistiken wurden über repräsentative Umfragen mit wissenschaftlichen Methoden erhoben, sind allerdings auf attraktive Weise mit Bildern dargestellt. Genauer gesagt: mit 555 Grafiken, ohne Tabellen und mit wenig Text. Dadurch wirkt es wie ein Zahlen-Bilderbuch für Erwachsene.
„Wie wir Deutschen ticken“ von Christoph Drösser (Autor) und Holger Geißler (Herausgeber), Vorstand von YouGov, ist im Edel Verlag erschienen, hat 192 Seiten und kostet rund 20 Euro.
(mgr)