5. August 2018, 10:04 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der Rust Belt rund um die Großen Seen ist kein klassisches Ziel für Rundreisen in den USA. Doch nach dem Niedergang der Industrie hat sich in der Region einiges getan. Hier erfährt der Besucher viel über Amerika – und was die Menschen von Trumps Ideen halten.
Florida, Kalifornien, die Nationalparks im Westen, Neuengland und die Ostküste: Ein Roadtrip in den USA ist ein Reisetraum. Doch es gibt auch Routen, an die man nicht sofort denkt – zum Beispiel durch den sogenannten Rust Belt.
Es handelt sich um die einst größte Industrieregion der USA, sie liegt an den Großen Seen. Vom Mittleren Westen durch die Staaten Michigan, Indiana und Ohio geht es über Pennsylvania bis in den Staat New York. Und, je nach Zeit und Lust, südlich nach Kentucky und West Virginia oder im Westen nach Wisconsin und Iowa. Spannende Metropolen wie Chicago, Toronto, Boston, New York und Washington lassen sich am Anfang oder Ende der Tour gut ergänzen.
Das Land im Rust Belt ist abwechslungsreich: Im Osten, in West Virginia also, liegen die von John Denver besungenen Blue Ridge Mountains und die Bergkette der Appalachen. In Pennsylvania wird das Land dann flach. Dann sind meilenweit nur Felder zu sehen, die Äcker schnurgerade. Mais, Soja und Getreide bauen sie hier an.
Die Natur rückt immer mehr in den Vordergrund
Die Natur ist ein hohes Gut für den Tourismus, der hier mehr und mehr etabliert wird. Denn die Industrien, die es mal gab, sind überwiegend eingerostet. Schwer- und Stahlindustrie, Autozulieferer: alles ausgelagert in Gebiete, in denen Arbeit günstiger und Rohstoffe näher sind. Spätestens mit der Stahlkrise in den 1970er Jahren ging es mit den Staaten und Städten entlang des einstigen Manufacturing Belts bergab. Der „Gürtel“ war entstanden, weil man schon im 19. Jahrhundert über Erie- und Ohio-Erie-Kanal den Atlantik mit dem Golf von Mexiko verbunden hatte, über die Großen Seen und den Mississippi.
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„Es war wie eine lange Kette, in der die Glieder ineinandergriffen“, erzählt Tom Genova, der früher als Ingenieur bei Ford in Dearborn bei Detroit arbeitete. „Zu dieser Zeit hatte jeder Arbeit.“ Doch irgendwann gingen die Lichter aus.
Donald Trump machte die Region wieder bekannt
Cleveland in Ohio war einst reich und fortschrittlich. In ihren Hochzeiten war sie die fünftgrößte Stadt in den USA. Allen voran investierte der reichste Mann seiner Zeit, John D. Rockefeller, in die Stadt. Der berühmte Amerikaner hatte 1870 die Standard Oil Company gegründet. Straßen, Häuser, Theater, Infrastruktur: All das Vieles geht auf den Philanthropen zurück. Bis heute ist Cleveland Heimat eines der fünf großen Symphonieorchester der USA.
Doch es brauchte einen anderen Superreichen, um Cleveland nach seinem stetigen Niedergang wieder in die Köpfe der Amerikaner zu bringen: Donald Trump. Er wurde 2016 in der Stadt am Eriesee zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gekürt. Mit dem Gebaren des Mannes aus New York können die Menschen überwiegend nichts anfangen. Ein vielfacher Millionär, der wissen will, wie die kleinen Leute ticken? „So ein Quatsch“, sagt John, der in einer Sportsbar sitzt. „Der kann die alten Industrien auch nicht zurückbringen, in denen so viele Leute Arbeit hatten.“ Doch durch Trump wurde Cleveland wieder interessant. Bis heute können sie davon zehren. Die Zahl der Kongresse nahm zu, der Tourismus zog an.
Auch Detroit wird attraktiver
Auch in Detroit, am westlichen Nordende des Eriesees gelegen, gehen die Lichter wieder an. Es tut sich einiges. „Man kann zuschauen, wie einst leerstehende und verfallene Häuser verkauft werden“, erzählt Kim Rusinow. Sie hat sich vor ein paar Jahren mit einen kleinen Tour-Business selbstständig gemacht – und wurde ausgelacht. „Was willst du den Leuten denn zeigen in dieser verfallenen Stadt?“, fragten selbst gute Freunde. Heute kann sie sich ihre Aufträge aussuchen.
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Auch wenn in Detroit noch einiges im Argen liegt, sind sehenswerte Projekte entstanden. Am Detroit River wurde ein kilometerlanger Trail gebaut, an dem man laufen, radeln und Inline skaten kann. Heute gibt es viel Platz und relativ günstige Wohnungen. Von der Politik lassen sich die Menschen im Rust Belt nicht verschrecken, vor allem nicht in den Städten – im Gegenteil.
Neue Ideen, auch ohne Politik
Trump und die Republikaner? Das ist natürlich ein Thema, das auch Reisende interessiert, gerade in dieser Region. Doch selbst in den ländlichen Gegenden muss man eine Weile suchen, bis man hartgesottene Anhänger des US-Präsidenten findet. Dass Trump nun mit seinen umstrittenen Zöllen auf Stahl und Aluminium die Industrie von einst wiederbeleben kann, glauben die wenigsten. „Diese Zeiten sind vorbei“, sagt Ingenieur Genova. Man brauche neue Ideen und Unternehmen. Und Jobs, die ins Jahr 2018 passen.
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Viele Menschen entlang des Rust Belts haben keine Lust, sich selbst zu bemitleiden. Das ist eine der ureigensten Eigenschaften der Amerikaner, und hier wird sie besonders deutlich. Die Leute setzen Ideen um, auch oder gerade ohne die große Politik. Sie richten in der Natur Wanderwege und Radstrecken ein. Sie holen die Techno-Gemeinde zum Electronic Music Festival nach Detroit. Sie bringen die PS-Fans nach Speedway in Indiana, wo alljährlich weit mehr als nur der Indy 500 ausgetragen wird. Ins weltgrößte Kindermuseum kommen Familien von weit her nach Indianapolis. Und in Cleveland gibt es neben dem Symphonieorchester die Rock’n’Roll Hall of Fame.
So ist Trump für die Reisenden in dieser Region letztlich das, was er wohl für Urlauber überall in den USA ist: ein Randphänomen.
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Der Rust Belt
Reisezeit: Vom Frühjahr bis zum Herbst kann es in den Staaten des Mittleren Westens sehr warm werden, im Winter sehr kalt. Trotzdem bietet sich die warme Jahreszeit bestens an.
Anreise: Den Roadtrip durch den Rust Belt kann man an verschiedenen Stellen beginnen. Direktflüge von Deutschland aus gibt es nach Toronto, Chicago und – etwas weiter entfernt – Boston, New York und Washington. Nach Cleveland, Indianapolis und Detroit geht es mit Umsteigen.
Währung: Ein US-Dollar ist 0,85 Euro wert (Stand: Juli 2018)
Übernachtung: In vielen Orten gibt es amerikanische Ketten mit ihren Hotels und Motels. Reservierungen sind nicht nötig, allenfalls rund um US-Feiertage. In den Städten haben Reisende die Wahl zwischen einfachen Häusern und teuren Hotels. Wer etwas außerhalb der Städte nach einer Unterkunft sucht, findet oft charmante Inns oder Bed & Breakfasts umgeben von wunderschöner Natur.