9. Juli 2017, 16:27 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Zu sechst auf zehn Quadratmetern – so lebt Familie Vosseberg aus Westfalen seit einem Jahr. In einem Lastwagen sind sie von Deutschland bis an die Südspitze Afrikas gefahren. Was für ein Abenteuer! Gefährlich wurde es für sie aber auch mal, besonders in der Kalahari-Wüste.
„Seid ihr wahnsinnig?“ Das war die Reaktion vieler Menschen, als sie hörten, dass Familie Vosseberg ein Jahr lang in einem Lastwagen von Nordrhein-Westfalen bis an die Südspitze Afrikas fahren wollte. Und das mit vier schulpflichtigen Kindern.
„Afrika war immer ein Traumziel für uns“, sagt Mutter Judith Vosseberg strahlend. Monatelang ist die Familie schon auf Achse. Sie wurden an Militärcheckpoints bedrängt, Elefanten rückten ihnen gefährlich auf die Pelle, tagelang blieben sie im Matsch stecken. „Aber in Afrika gibt es immer eine Lösung“, sagt Vater Jochen Vosseberg. „Wenn wir in Not waren, haben uns immer Leute geholfen.“
Mit „Grüdi“ durch dick und dünn
Die Kinder haben den umgebauten Laster liebevoll „Grüdi“ getauft, eine Kurzform für „grüner Dicker“. In ihm leben die Vossebergs unter dem Motto „Sechs Westfalen unterwegs“ nun seit knapp einem Jahr auf zehn Quadratmetern Wohnfläche: Marie (8), Ruben (10), Lea (12), Hannah (16) sowie die Eltern Judith (45) und Jochen (47) aus Oelde im Münsterland. „Wir gehen uns schon manchmal auf die Nerven, aber wir vertragen uns meistens gut“, sagt Lea. Wenn es doch mal Ärger gibt, setzt sich Hannah als Fluchtmittel einfach einen Kopfhörer auf. „Wenn man streitet, kann man ja nirgendwo hingehen“, sagt sie.
Die Eltern – eine Lehrerin und ein Feuerwehrmann – haben seit Jahren gespart, um sich ein Jahr Auszeit nehmen zu können. „Sowas macht man nur einmal im Leben“, sagt Judith Vosseberg. Mit ein bisschen Ausdauer überzeugten sie auch die Schulleiter der Kinder, ihnen eine Freistellung zu gewähren. Der Nachwuchs muss unterwegs auch büffeln, trotzdem werden sie die Schule in jedem Fall ein Jahr später abschließen. „Aber die Kinder lernen jetzt viel von der Welt“, sagt Jochen Vosseberg. „Und sie lernen auch, dass in Deutschland schon alles ziemlich gut läuft – das realisiert man erst, wenn man mal außer Landes ist“, sagt er.
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Mit der Fähre an Syrien vorbei
Mit einem Budget von etwa 35.000 Euro für das knappe Jahr machten sie sich auf den Weg. Von Deutschland sind sie zunächst quer über den Balkan nach Griechenland gefahren, dann mit der Fähre weiter ins ägyptische Alexandria. „Wir mussten das Schiff nehmen, wir konnten ja nicht durch Syrien fahren“, sagt Judith Vosseberg. In Ägypten waren wegen der schwierigen Sicherheitslage Militärcheckpoints Alltag. Im Sudan hingegen, dessen Präsident vom Weltstrafgericht des Völkermords beschuldigt wird, waren sie begeistert von der Freundlichkeit und Gastfreundschaft der einfachen Sudanesen.
Weiter ging es durch Äthiopien, wo wegen Oppositionsprotesten immer noch der Ausnahmezustand verhängt war. „Da waren wir schon unsicher“, räumt Judith Vosseberg ein. „Es war unproblematisch – auch wenn es befremdlich ist, wenn man immer so total verlotterte Typen mit der Kalaschnikow am Straßenrand sieht.“ Auch für die Kinder war Äthiopien schwierig, weil sie immer sofort von örtlichen Kindern umzingelt wurden. „Die wollten uns alle anfassen. Sie wollten wissen, ob sich weiße Haut anders anfühlt“, erinnert sich die zwölfjährige Lea.
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„Mit den Nerven am Ende“
Die Kinder vermissen zwar ihre Freunde, aber dank WhatsApp und Skype reißt der Kontakt nicht ab. „Toll war es, als wir die ersten wilden Zebras und Tiere in Kenia gesehen haben und ihnen dann einfach Fotos schicken konnten“, sagt Lea. Die Kinder schwärmen in ihren Blogs und im Gespräch in Johannesburg von der Reise. „Das Coolste ist, dass man jeden Tag was Anderes sieht, immer was Neues erlebt“, meint Hannah begeistert.
Mehr als 32.000 Kilometer sind sie seit der Abfahrt aus ihrer Heimatstadt Oelde im August schon gefahren. Die Strecke durch die stabileren Länder Kenia, Tansania, Sambia, Namibia und Südafrika war unproblematisch – im Nationalpark der Kalahari-Halbwüste in Botsuana aber blieb die Familie im Matsch stecken. Sieben Tage lang. In einem Gebiet, in dem auch Löwen leben. Ihnen gingen Wasser und Essen aus. „Ich war echt mit den Nerven am Ende“, sagt die Mutter. Erst als der Regen aufhörte, ging es weiter.
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Ein kleiner Wermutstropfen ist für die Afrika-Reisenden, dass es in den meisten Ländern nicht einfach war, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. „Diese Erwartung war wahrscheinlich blauäugig von uns“, sagt die Mutter. Dabei spielten sicher Sprachbarriere, Bildungs- und Einkommensniveau eine Rolle. „Wir sind die reichen Weißen – in Deutschland natürlich nicht, aber hier schon. Sich dann noch auf Augenhöhe zu unterhalten, ist schwierig“, sagt Judith Vosseberg.