27. Juli 2023, 10:43 Uhr | Lesezeit: 14 Minuten
Unsere Autorin Anna Wengel (Chiodo) ist einen Monat lang mit ihrer Familie von Berlin nach Portugal gefahren. Die Länder: Deutschland, Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. Für uns gibt sie Tipps zur Route.
Ich liebe Roadtrips und das Van-Leben. Bisher habe ich das fast immer allein und außerhalb Europas gemacht, dabei aber immer ein bisschen davon geträumt, monatelange Van-Reisen über viele Ländergrenzen hinweg gemeinsam mit Mann und Kind zu unternehmen (die gab es damals bloß noch nicht in meinem Leben). Einen ersten kleineren Versuch wagten mein Mann und ich kürzlich als unsere kleine Tochter sechs Monate alt war. Ein Roadtrip von Deutschland nach Portugal im Mini-Van und mit einer zeitlichen Begrenzung von einem Monat.
Roadtrip von Deutschland nach Portugal
Laut „GoogleMaps“ führt der direkte Weg von Berlin nach Coimbra über Autobahnen in Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal. Den haben wir nicht genommen und auch sonst nicht allzu viele Autobahnen. Stattdessen führte unsere Roadtrip-Route von Deutschland in die Schweiz, weiter in den Nordwesten Italiens, durch den Süden Frankreichs und den Norden Spaniens bis zu unserem Ziel in Portugal: Vila Nova de Poiares in der Nähe von Coimbra.
Wir sind dabei an tollen und nicht so tollen Plätzen vorbeigekommen, ich beschränke mich hier auf die schönen und lohnenswerten:
Roadtrip Teil 1: Deutschland
Den Minivan vollgestopft mit Matratze und Bettzeug, allerlei Babyzeug, Campingutensilien wie Campingkocher, Mückennetz, Picknickdecke und Co. sowie zwei Kisten mit unseren Klamotten fahren wir in Berlin los. Unsere Tochter hat bequem Platz, ich auf dem Fahrersitz auch. Mein Mann muss hingegen mit diversen Kühltaschen und schnell zu greifenden „Mom-Bags“ kuscheln. Schnell ist klar: Wir müssen nicht nur umpacken, sondern auch jede Menge Zeug loswerden. Glücklicherweise ist unser erstes Ziel Münster, meine Heimatstadt, in der wir diverse Dinge bei meinen Eltern zwischenlagern können. Münster lohnt sich natürlich auch sonst immer (Warum und was genau, könnt ihr im Münster-Podcast nachhören).
Von Münster aus fahren wir nach Stuttgart, wo wir eine Freundin besuchen. Da wir schnell in Stuttgart ankommen wollen, fahren wir von Nord nach Süd überwiegend auf Autobahnen. Ich bin sicher, hätten wir das nicht gemacht, wäre es eine sehr hübsche Strecke geworden. Tatsächlich beginnt unser Deutschland-Portugal-Roadtrip daher gefühlt erst nach Stuttgart und mit der Schweiz.
Roadtrip Teil 2: Schweiz
„Autobahnen vermeiden“ im Navi eingestellt und los geht es über kurvige Straßen, die schnell von sattgrünen Landschaften gesäumt werden. Die Grenze überaus unspektakulär, fahren wir unbemerkt in die Schweiz. Nur ein Schild am Straßenrand informiert uns sowie diverse Textnachrichten auf dem Smartphone, die davor warnen, dass wir jetzt nicht mehr in der EU sind und entsprechend horrende Kosten haben werden. (Was ich zunächst ignoriere und dann fasziniert bin, wie schnell ich an der, von meinem Anbieter installierten, Bezahlgrenze ankomme.)
Überall, wo wir lang fahren, ist es schön, aufgeräumt und grün. Eine kleine Idylle, in der scheinbar nichts passiert. Ich fühle mich sicher und wohl und beschäftige mich mit Gedanken, wie es wohl wäre, in der Schweiz zu leben. Entspannt? Langweilig? Gut für mein Kind?
Einen ersten Minieindruck bekomme ich am ersten Schweiz-Abend und in unserer zweiten Van-Nacht. Auf der – für Schweiz-Roadtripper wirklich empfehlenswerten – Seite womoland.ch finden wir den Huber-Hof in Fenkrieden. Der große Bauernhof liegt im gefühlten Nirgendwo, bietet fünf Wohnmobilen Stellplätze und hat neben einem großen Aufenthaltsraum auch WLAN und ein sauberes Badezimmer. Früh liegen wir an diesem Abend in unserem Van-Bett, unsere Tochter schläft längst (in Berlin dauerte das für gewöhnlich länger). Nichts ist zu hören, außer ein bisschen Hufgetrappel von Pferden oder Kühen in ihren Ställen, das „Mäh“ einer Ziege, Regentropfen, die auf das Dach fallen – und das Summen der Mücken. Davon gibt es viele und ich bin heilfroh, dass ich dieses Mückennetz so penibel angeklebt und festgesteckt habe. Müde von der Fahrt schlafen wir schnell ein – und werden am nächsten Morgen von einem Traktor geweckt, der an unserem Auto vorbeifährt. Entspannt starten wir in einen weiteren schönen Schweiz-Tag. Umgeben von Bergen, charmanten Häusern und viel Grün machen wir am Vierwaldstättersee Halt – und finden hier die nächste Traumkulisse auf unserem Roadtrip von Deutschland nach Portugal. Meine Begeisterung für die Schweiz wächst weiter, diese Seen-Berg-Landschaft ist unglaublich schön.
Unser nächster, lohnenswerter Übernachtungsort ist der Hof Mutzgraben in Rüdisbach. Umgeben von Feldern stehen wir hier erneut als einzige Camper auf einem Hof, der sich schnell als Wohnprojekt für geistig behinderte Menschen herausstellt. Haben wir schon am Vorabend eine erste Idee bekommen, wie kuschelig es im Minivan bei Regen wird, wird es heute richtig lustig: Es regnet in Strömen. Nach einem Essen unter der Heckklappe mit dauerhaft aufgespanntem Regenschirm, der uns gar nicht mal so erfolgreich vor dem Regen schützt, flüchten wir in den Van. Da ist es trocken. Unsere Tochter schläft schon und so endet auch dieser Abend etwas früher als erhofft. Ich liege trotzdem lange wach und frage mich, ob unser Auto bei den Regenmassen sicher steht oder womöglich den nahen Abhang herunter geschwemmt werden könnte. Das passiert natürlich nicht. Am nächsten Tag wachen wir bei Regen auf und verbringen die nächsten Stunden mit allerlei Versuchen, durchweichte Habseligkeiten zu trocknen. Der Hofbesitzer hat so viel Mitleid mit uns, dass er uns nicht nur einen trockenen Stellplatz organisiert, sondern auch noch jede Menge Eier schenkt. Für den Moment etwas genug vom Van-Life mit Baby im Regen verbringen wir die nächste Nacht in einem nicht weiter nennenswerten Airbnb in Montreux.
Unsere letzte Schweiz-Nacht ist dann wieder ein beziehungsweise sogar das Schweiz-Highlight. Wir verbringen den letzten Tag in Champéry, einem pittoresken Ort, der vielen Skifahrern bekannt ist. Hier ist es kalt und regnet, angesichts dieser unglaublich schönen Kulisse macht das aber nicht nur nichts, wir schaffen es auf dem Campingplatz Camping du Grand Paradis auch besser, uns und unsere Sachen trocken zu halten und basteln aus Decken, Schirm und Van-Dach sogar noch einen kleinen trockenen Spielplatz für unsere Tochter. Es regnet allerdings auch nicht mehr so stark.
Weiter geht es durch die Berge Richtung Italien. Weit entfernt sind wir nicht mehr. Aber was „Autobahnen und Mautstraßen vermeiden“ an der Schweiz-Italien-Grenze bedeutet, habe ich klar unterschätzt. Meter für Meter schleppt sich unser Minivan die kurvigen Straßen hinauf. Ich wechsle zwischen erstem und zweiten Gang, mehr geht nicht. Die Sicht wird immer geringer. Nebel, wohin das Auge reicht. Ist mir aber auch lieber, denn nicht weit neben mir, geht es steil bergab. Unheimlich ist es auf diesem Berg, auf dem wir die einzigen Menschen zu sein scheinen. Jeden Moment erwarte ich, dass sich wahlweise das Himmelstor vor uns öffnet oder Untote aus dem Nebel kommen. Dass meine kleine Tochter zufrieden in ihrem Sitz schläft, hilft ein bisschen, macht mir aber auch sehr bewusst, wie vorsichtig ich hier fahren muss. Mehr als einmal möchte ich umkehren, kann das aber auch direkt wieder vergessen, da es hier gerade eh nicht möglich ist. Irgendwann wird die Steigung geringer. Wir sind auf dem Pass angekommen. Nebel und Stille. Sonst nichts. Bis ein kleines Haus auftaucht, das aussieht wie ein verlassener Grenzposten, den wir nach kurzem Zögern passieren. Ich vermute, wir sind jetzt in Italien. Vor uns schlängelt sich die Straße nach unten. Ich bin erleichtert. Der Nebel lichtet sich, Serpentinen führen immer weiter runter. Immer wieder schaue ich nach oben. Fast vergessen sind mein Grusel und Unwohlsein, schnell sind sie eine immer weiter entfernt rückende Erinnerung. Und jetzt finde ich es toll. Was sich mit dem Nebel verflüchtigt, sind auch Regen und Kälte. Kurz vor Aosta machen wir Pause. Es ist warm. Die Sonne scheint. Hallo Italien.
Roadtrip Teil 3: Italien
In Aosta besuchen wir die Familie meines Mannes, sodass ich hier ein paar Insidertipps bekommen habe. So finde ich etwa die Gemeinde Rhêmes-Notre-Dame und den See Pellaud sehr schön, ebenso wie den Lago di Viverone. In Aosta selbst ist auch die Innenstadt schön. Sie ist klein, hat aber einige süße Gassen zum Entdecken und eine immer wieder hübsche Bergsicht. Das beste Essen esse ich im Restaurante Pizzeria Moderno und das beste Eis bei Gelato Pazzo.
Da wir in Aosta ein bisschen länger geblieben sind, als ursprünglich angedacht, wollen wir anschließend ganz schnell ans Meer und nutzen dafür wieder Autobahnen. Ich empfehle das aber nicht, kann ich hier nichts sonderlich hübsch-lohnenswertes entdecken – doch um schnell voranzukommen, lohnte es sich. Die Küstenstraße punktete dann aber umso mehr. Als wir auf Höhe Albenga aus den Bergen raus und direkt aufs Meer zufahren, zieht sich ein riesiges Grinsen von einem Ohr zum anderen. So aufregend und beeindruckend ich unsere Bergfahrten der letzten Wochen fand, Meer macht mich einfach glücklich. Immer. Entsprechend die Entscheidung, ab sofort so weit es geht am Meer entlangzufahren. Das tun wir für die restliche Italienroute und entdecken diverse hübsche große und kleine Orte, die sich entlang der Küste des Ligurischen Meeres aneinander reihen. Die Hafenstadt Imperia zum Beispiel – hier sind jedoch wirklich viele Städte sehr hübsch und lohnen sich. Wer spontan ist, kann sich vor Ort eine aussuchen und ein bisschen bleiben.
Mein absolutes Highlight auf dem italienischen Teil der Küstenstraße ist diese Stadt: San Remo. Pink- und lilafarbene Blumen schmücken hier Hauswände beeindruckender Häuser, währen die Sonne am wolkenfreien Himmel über blauem Meer steht. So ist mir San Remo in Erinnerung geblieben. Definitiv ein Ort, an dem ich zukünftig etwas mehr Zeit verbringen möchte. Wir kommen, weil spontan gebucht, an diesem Abend in einem Airbnb etwas oberhalb der Stadt unter, an der Piazza S. Sebastiano – und haben dort unverhofft genau den Italien-Abend, den wir uns wünschen: Einen Balkon (dank unserer früh schlafenden Tochter ein absoluter Segen) mit Blick auf Kirche, kleine Gassen und die Piazza. Hier essen und trinken zahlreiche Menschen Pizzen und Weine und freuen sich bis spät in die Nacht des Lebens. Wir tun es ihnen fast gleich – und sprechen heute noch von diesem perfekten Italien-Abend. Die optimale Italien-Erfahrung reißt auch am nächsten Tag nicht ab, als ich mit unserer Tochter einen Spaziergang durch die kleinen, schief und krumm verlaufenden engen Gassen mache und an einer Aussichtsplattform rauskomme, die einen ungestörten Blick auf das hübsch sonnenbeschienene Meer bietet. darauf zu fahren wir wenig später in Serpentinen und weiter geht es an der Küstenstraße.
Roadtrip Teil 4: Frankreich
Die Küstenstraße wird zwischen Ventimiglia und Menton fast plötzlich sichtbar. Wir folgen ihr noch durch Monaco und Nizza bis Cagnes-sur-Mer, sind aber ehrlich gesagt beide einigermaßen unbegeistert von der französischen Riviera – und verziehen uns schließlich in die Berge. Genauer nach Gréolières. Von Cagnes-sur-Mer aus dauert das eine knappe Stunde – und lohnt sich besonders auf dem späteren Teil der Strecke. Gréolières ist ein kleines Dorf in der Region Provence-Alpes Côte d’Azur, in einem Naturpark in den Voralpen. Die ragen links und rechts, vor und hinter der Straße, in die Höhe und fallen daneben in die Tiefe ab und machen damit diese Strecke für mich zu einer der schönsten des ganzen Roadtrips von Deutschland nach Portugal. In dem kleinen französischen Dorf, das gerade mal drei Restaurants und zwei Bäcker hat, die aber nur manchmal geöffnet haben, übernachten wir in einem Airbnb, das für mich unbedingt in diese Tipps-Liste gehört. Es gehört der Engländerin Karen und ist ein kleines, liebevoll-hübsches Ruheparadies mit Holzterrasse und Blick in die Berge. Wer es sich anschauen möchte: Hier ist der Link.
Erholt fahren wir aus Gréolières – wo wir länger geblieben sind, als ursprünglich geplant – wieder mit dem Plan los, etwas schneller voranzukommen. Dafür wollen wir quer durch die Provence fahren und das Meer erst auf der französischen Westseite wiedersehen. Unsere nächsten drei Ziele: Aix-en-Provence, Arles und Nîmes. Die drei Orte lohnen sich alle, besonders empfehlen möchte ich hier aber Aix-en-Provence. Die Stadt ist schön und teils hübsch verwinkelt, gefühlt jeder Mensch sieht hier stylisch aus und entsprechend gut ist die Shopping-Situation. Wir kommen dort zufällig zur Zeit der Fête de la Musique vorbei und erleben die Stadt in überwiegend schönen Tönen. Ganz klar eine Empfehlung.
Das nächste Ziel unseres Deutschland-Portugal-Roadtrips: die Pyrenäen. Die beeindruckende Gebirgskette fahren wir so gut es geht unten entlang und übernachten auch an ihrem bereits bergigen Fuß. Ein letztes Mal freuen wir uns hier über kühle Bergluft, sattes Grün und beeindruckende Berge, bevor wir uns wenig später ins heiße Spanien aufmachen. Bevor wir dort ankommen, entdecke ich aber noch eins meiner Frankreich-Highlights: Ich war sehr gespannt auf San Sebastián (Spanien) und wollte dort gern schnell ankommen, bin dann aber umso überraschter, wie schön ich den französischen Teil der baskischen Küste finde. Wir fahren erneut Autobahnen-vermeidend ab Biarritz an der Küste entlang und kommen so an diversen schönen Orten vorbei – auch dieser Teil der Strecke ist definitiv eine Empfehlung. In Erinnerung geblieben ist mir zum Beispiel Saint-Jean-de-Luz.
Roadtrip Teil 5: Spanien
Mit Donostia-San Sebastián kommen wir schließlich in Spanien an, dem vorletzten Land auf unserer Reise von Deutschland nach Portugal und nur wenige Tage vor unserer geplanten Roadtrip-Deadline. Ich hatte im Vorhinein so viel Gutes über die Stadt gehört (unter anderem von meiner TRAVELBOOK-Kollegin Angelika Pickardt in diesem Podcast), dass ich sehr vorfreudig war. Doch wir sehen leider fast nichts, verschwindet San Sebastián an diesem Tag im Regen und in jeder Menge Nebel. So laufen wir kurz am Strand entlang, trinken Kaffee und fahren schließlich weiter (finden Donostia-San Sebastián aber auch aus dem Auto heraus lohnenswert), ins spanische Inland. Der Regen verzieht sich, sobald wir die Berge passiert haben und schon bald liegt das ockerfarbene weite Feldland vor uns, an das ich mich von früheren Fahrten erinnere. Unterwegs zu unserem letzten längeren Reisestopp machen wir noch diese nette Entdeckung: Nava del Rey. Für eine Pause ein sehr netter kleiner Ort mit gutem Kaffee und Snacks in der Gastrobar Plaza Mayor.
Dann sind wir endlich in Salamanca beziehungsweise in der Nähe davon. Mein Leben lang hat mir mein Vater von der spanischen Stadt vorgeschwärmt, die Erwartungshaltung ist entsprechend groß – und wird mehr als übertroffen. Wer den Roadtrip von Deutschland nach Portugal antritt, kommt fast unweigerlich an Salamanca vorbei und ich möchte jedem ans Herz legen, hier einen Aufenthalt einzuplanen. Salamanca ist eine alte, überaus künstlerische Universitätsstadt mit schönster Sandsteinarchitektur. Und nicht nur Salamanca gebe ich hier gesondert als Tipp, sondern auch dieses außergewöhnliche Airbnb: das Gaudí-inspirierte Ferienhaus von Künstler Fernando Ledesma. Mehr über ihn und sein wirklich besonderes Domizil habe ich hier aufgeschrieben.
Ankunft in Portugal
Und dann ist es plötzlich gar nicht mehr weit und unser Deutschland-Portugal-Roadtrip ist so gut wie beendet. Von Salamanca aus sind es knapp dreieinhalb Stunden nach Vila Nova de Poiares, dem kleinen Ort nahe Coimbra in Portugal, an dem unser Zuhause für die nächsten sechs Monate steht. Voller Vorfreude auf Portugal fahren wir los und mir treten einmal mehr Tränen in die Augen, als wir über die Grenze fahren. Portugal. Endlich. Wie immer habe ich es vermisst und bin nun überglücklich, dass wir endlich wieder da sind.