7. Juli 2017, 12:45 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Er kennt sich nicht aus. Er war noch nie hier. Er spricht die Sprache nicht. TRAVELBOOK-Redakteur Torsten Johannknecht ist zum ersten Mal in Kroatien und macht einen Roadtrip durchs Land – fünf Tage, fünf Geschichten. Das Tagebuch einer verrückten Reise.
Es ist mein erstes Mal. Mein erstes Mal Kroatien. Ich war noch nie da, konnte mich bislang noch nicht selbst von der angeblichen Schönheit des Landes an der Adria-Küste überzeugen. Damit ist jetzt Schluss! Mein Chef hat mich hierher geschickt, meinte, ich solle für TRAVELBOOK über Kroatien berichten. Also habe ich mich auf einen Roadtrip begeben, in Split an der Küste geht es los, mein Rückflug ist Sonntag, sechs Tages später, von Zagreb. Und dazwischen? Kein Plan, ich reise einfach mal drauf los.
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Tag 5 – Meine zufällige Domina-Erfahrung
Das unfreiwillige Baska-Abenteuer verarbeitet, steht heute am letzten Tag meines ersten Kroatien-Trips die Hauptstadt auf dem Programm: Was kann eigentlich Zagreb? Das gilt es herauszufinden. Vorher aber lockt noch ein Superlativ dieses Planeten, denn in der Küstenstadt Vrbnik hier auf der Insel Krk gibt es etwas, dass ich mir unbedingt angucken möchte. Es liegt auch fast auf meinem Weg von Baska nach Zagreb.
Vrbnik ist, ähnlich wie Baska, ein winziges Städtchen direkt am Meer, ganz oben, auf einem Hügelchen, steht die Dorfkirche. Ich versuche, im Zentrum einen Parkplatz zu bekommen und bin dann doch ein bisschen überrascht, dass so früh morgens, also gegen halb elf, schon so viele andere Menschen auch einen Parkplatz suchen. Was ist denn hier los? Ich habe Glück, schlüpfe in eine Lücke und laufe dann anderthalb Minuten bis zum Marktplätzchen, von wo aus der Superlativ ausgeschildert ist. Hier soll es nämlich die engste Gasse der Welt geben. Natürlich. Das behaupten zumindest die Kroaten. Die haben womöglich noch nichts von der Stadt Reutlingen gehört. Die behauptet nämlich, die engste Straße der Welt zu haben. Aber ich bin ja gerade nicht in Reutlingen, sonder in Vrbnik.
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Die engste Gasse der Welt
Tatsächlich ist die Gasse hier so schmal, dass ich mit normalem Gang nicht hindurch passe, ich muss mich etwas schräg da durchzwängen. Hach, ich bin aber auch ein Schrank! Wunderbar für einen Moment der Selbstüberschätzung, diese Gasse. Ich find’s gut. Ich glaube allerdings auch, dass Menschen, die etwas deutlich zu sehr beleibt sind, wirklich Probleme haben könnten, sich hier durchzuquetschen. Kinderwagen, Rollatoren, Surfbretter oder Kühlschränke haben hier definitiv keine Chance. Laut Schild hat die Gasse eine Breite von 43 Zentimetern (die in Reutlingen übrigens 31 Zentimeter). Perfekt, wieder ein Häkchen hinter einem Superlativ-Tourismus-To-Do. Ich frage mich allerdings, ob es auch eine breiteste Gasse der Welt gibt…
Zurück zum Auto, ich mache dann mal Platz, damit die Schlange an wartenden Autos zumindest um eines reduziert wird. Gibt’s hier noch mehr zu sehen außer der Gasse? Egal, ich muss weg und knalle direkt von Vrbnik bis nach Zagreb. Oder besser: Bis 20 Kilometer vor Zagreb. Denn dort ist die Mautstation, an der jeder die Autobahn-Gebühr bezahlen muss. Hier ein Tipp, der mir 30 Minuten Stau erspart hätte: Wer kann soll mit Karte bezahlen, NICHT in bar. Vor den Cash-Schranken bildete sich ein 2,5 Kilometer langer Stau – und es war heute noch nicht mal voll auf der Autobahn. Was, wenn hier mal richtig Verkehr ist? Für die Menschen, die doch lieber bar bezahlen: Die linke Spur zahlt sich am Ende aus.
Das versteckte Hostel
In Zagreb habe ich erst Probleme einen Parkplatz, dann mein Hostel, das Old Town Zagreb, zu finden. Auf der Hostel-Homepage ist der Standort auf der Karte nicht korrekt angegeben und die Schilder am Haus selbst sind winzig. Erst ein Anruf bei der Besitzerin löst meine vermehrt auftretenden Selbstzweifel in Luft auf. Mein Einzelzimmer ist völlig in Ordnung, hat sogar einen kleinen Balkon zum Innenhof raus. Die gesamte riesige Unterkunft, die zum Hostel umfunktioniert wurde, ist eine Altbau-Wohnung mit hohen Decken und zum Teil riesigen Türen. Sehr angenehm.
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Angenehm ist auch Ana, die Besitzerin. Sie erklärt mir in aller Ruhe alles Wichtige und hat dann auch noch Zeit, mir Tipps zu geben, was ich denn heute noch so alles unternehmen sollte. Eine Sache legt sie mir besonders ans Herz: das „Museum of Broken Relationships“, das Museum der gescheiterten Beziehungen. An ihrem Blick merke ich, dass sie das ernst meint. „Gibt’s das wirklich?“, will ich wissen. „Ja, und es lohnt sich echt.“ Von dem Folter-Museum rät sie mir übrigens ab: „Da geht es hauptsächlich darum, wie Frauen gefoltert wurden, das würde ich dir deswegen nicht empfehlen.“ Ein guter Hinweis.
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Zagrebs Altstadt zu Fuß erkunden
Erst einmal steht das Pflichtprogramm an: der Marktplatz, der Bauernmarkt Dolac, die Kathedrale – alles in der Altstadt Zagrebs, die ich entspannt zu Fuß erreichen kann – war bei dem Hostelnamen aber auch zu erwarten. Dann stehe ich plötzlich wirklich vor dem Museum der gescheiterten Beziehungen. Na, ich kann ja mal fragen, was der Eintritt kostet. 30 Kuna, etwa 4 Euro – das ist es mir doch wohl wert, dass ich auch sagen kann, ich war während meines Roadtrips auch in einem Museum.
Das Geld für den Eintritt hat sich mal richtig gelohnt! Ausgestellt sind hier Dinge von Menschen, die sie mit einer Trennung in ihrem Leben verbinden. Dazu gibt es jeweils – mal ausführlich, mal kurz und knapp – die Geschichte dazu. Einige davon gehen echt unter die Haut, ein Herr neben mir wendet sich sogar schniefend ab, während er anscheinend Tränen unterdrückt. Meine Lieblingsgeschichte ist die die von dem schwarzen Stiletto. Eine Frau lernt in sehr jungen Jahren einen Jungen kennen und sie schwören sich, nie jemand anderen zu heiraten. Sie verlieren sich aus den Augen und fast 40 Jahre später peitscht sie als Domina einen Kunden aus – und es ist natürlich ihre Jugendliebe. Verheiratet. Er bittet sie, als Erinnerung einen Schuh mitnehmen zu dürfen. Der andere steht jetzt hier im Museum. Genial, mich peitscht die Freude!
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Nach dem Abendessen in der umtriebigen Straße Pavel Radica streiche ich dann die Segel, mache mich auf den Heimweg – auch wenn am Samstagabend für die meisten die Nacht jetzt erst beginnt. Mein Flug geht morgen gefühlt vorm Aufstehen (8.30 Uhr) und ich muss das Auto am Flughafen noch abgeben. Die Vernunft siegt über den Durst.
Bye bye Kroatien – und hvala (zu Deutsch: Danke) für die genialen Eindrücke. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen!