22. August 2014, 14:16 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Am All-inclusive-Urlaub scheiden sich die Geister. Für die einen ist er schlichtweg ein Albtraum, für andere die bequemste Form des Reisens: günstig, unterhaltsam, kulturkompatibel durchorganisiert. Somit ist der All-inclusive-Urlaub in Spanien meist kaum von dem in der Türkei unterscheidbar, und ebenso wenig die Leute, die ihn buchen. Sieben Typen, die man in jedem All-inclusive-Hotel der Welt trifft.
1. Die Frustfamilie
Eigentlich graust es jedes Familienmitglied vor dem gemeinsamen Urlaub: den Papa, weil er sich für seine Frau schämt, die Frau, weil sie das ständige Mäkeln ihres Mannes nicht ertragen kann, den elfjährigen Sohn, weil er seine Playstation nicht mitnehmen durfte, die 13-jährige Tochter, weil sie unzufrieden mit ihrem Körper ist, Pickel hat und sich für ihre Eltern und den doofen Bruder schämt.
So ist die Laune am Restauranttisch denn meist auch nicht die beste, und vor allem gekennzeichnet durch griesgrämiges Anschweigen oder Konversation im Telegramm-Stil: „Es gibt Kartoffeln, Kind.“ „Weiß ich.“ „Haste den Nachtisch gesehen?“ „Ja.“ Zuweilen gibt es Streit, wobei die Worte geflüstert geschrien werden („Nimm am Tisch die Mütze ab!“) und das ohnehin sonnenverbrannte und vom Bier hochrote Gesicht des Vaters für kurze Zeit blauviolett anläuft.
An Tag 3 entspannt sich die Situation: Viel miteinander gesprochen wird zwar weiterhin nicht, aber Sohnemann tobt sich dank des Animationsprogramms aus, die Tochter ist in einen Animateur verliebt (im Tagebuch steht: „Ich hasse meine painliche Famielie. Will hirbleiben bei ihm auf Kran Kanaria in seiner Nehä und Animatörin werden.“), Mama hat schon zwei Romane gelesen („Shades of Grey – Befreite Lust“ und „Heimatglocken“) und Papa hat das Freibier am hoteleigenen Strandabschnitt entdeckt. Am Ende war’s dann doch irgendwie ein gelungener gemeinsamer Urlaub, weil man nicht so viel gemeinsam machen musste.
2. Der Reservierer
Ihn erkennt man daran, dass er mit seinem Partner schon nach wenigen Stunden im Hotel sein Revier abgesteckt hat. Im Restaurant MUSS es immer derselbe Tisch sein. Sitzt am Morgen plötzlich jemand anderes dort, schaut er zunächst verärgert die vermeintlichen Platz-Klauer an, dann die Angestellten. Schließlich hätten sie doch merken müssen, dass da jemand seines Raumes beraubt wird. Das wäre guter Service gewesen, aber so: Gibt’s einen Punkt Abzug bei der Hotelbewertung. In diesem Moment denkt der „Reservierer“ sich: „Es wäre praktisch, wenn Tische Namensschilder hätten…“ Geht aber nicht, deswegen stellt er sich den Wecker und steht am nächsten Morgen noch früher auf. Lieber müde als an einem anderen Platz.
Das Spiel treibt er fort: am Pool, in der Hotelbar, am Strand und im Bus, der ihn dorthin bringt. Kein Ort ist vor seinem Reservierwahn sicher. Auf dem Hotelzimmer geht das munter so weiter. Kaum sitzt seine Frau auf der Terrasse mal woanders, fängt er an: „Eigentlich sitz‘ ich da immer, Schatz.“ Der „Reservierer“ ist ein Gewohnheitstier. Wenn er sich mit einem Ort oder einer Sache arrangiert hat, dann bleibt das so. Das zieht er leider auch bei der Unterwäsche durch – sieben All-inclusive-Tage lang.
3. Der „Ich mache so was sonst nicht“-Typ
Nein, All-inclusive ist überhaupt nicht sein Ding. Wirklich nicht. Eigentlich ist er eher der verwegene Backpacker, der in Low-Budget-Bussen quer durch Südamerika reist oder drei Monate lang Neuseeland erkundet. Ein reisender Intellektueller. Dass er am Ende doch den Ferienflieger mit den Hawaii-Hemden- und Strohhut-Trägern in Richtung türkischer Riviera bestiegen hat, ist ihm selbst ein Rätsel. Und so zeigt er ab dem Gate am Airport eine „Was mach ich hier eigentlich“-Grimasse und vertieft sich in eines seiner Bücher: etwa James Joyce‘ „Ulysses“ – natürlich auf Englisch.
Im Hotel angekommen, hält er sich vom All-inclusive-Mob weitgehend fern. Und obwohl alles inklusive ist, übt er Verzicht und sagt nein zu: Mittagessen, Burger am Nachmittag, Mitternachts-Snacks, Aqua-Gymnastik-Kursen, Volleyball-Partien am Beach, Trinkspielchen nach dem Dinner, Socialising am Hotelpool.
Den Kontakt zu Mit-All-inclusive-Urlaubern, von ihm heimlich als Pöbel tituliert, meidet er tunlichst. Ein kühles Nicken, manchmal ein leises „Guten Morgen“ sollen deutlich machen: ICH WILL DISTANZ ZU DIR. Nach dem frühabendlichen Büffet-Fight verzieht er sich schnell aufs Zimmer, um sich in sein Buch zu vertiefen oder eine Tagestour zu planen, die ihn möglichst weit weg führt von Hotel-Anlage und Animationsprogramm.
4. Der Vielfraß
Zählen wir mal auf, was es in einem All-inclusive-Urlaub so für Mahlzeiten gibt: 1. Frühstücksbüffet, 2. Mittagessen, 3. Kaffee, Kuchen & mehr am Nachmittag, 4. Pre-Dinner-Snack, 5. Abend-Büffet (mit Dessert), 6. Mitternachtssnack, 7. Zwischenmahlzeiten.
Wodurch der „Vielfraß“ sich besonders auszeichnet? Er lässt keine, aber wirklich KEINE Mahlzeit aus. Man fragt sich aber schon, warum er im Anschluss an sein einstündiges Frühstück – bei dem er sich mehrfach Würstchen, Eier mit Speck geholt hat – noch ein belegtes Brötchen und eine Banane mit aufs Zimmer nimmt, obwohl er 90 Minuten später schon wieder mit Appetit zum Mittagessen erscheint?
90 bis 120 Minuten sind auch das Maximale, was er ohne Nahrungsaufnahme aushält. Und die verbringt er meist damit, das eben Gegessene im Liegen zu verdauen. Ganz selten lässt er dann doch mal eine Mahlzeit aus – für ihn gefühlt eine reduzierte Version des Heilfastens –, um dann die nicht konsumierten Kalorien bei der nächsten Gelegenheit in doppelter Menge wettzumachen. Jeder Tag unter 6000 zugeführten Kalorien hinterlässt bei ihm ein Hungergefühl – und das endet meist in einer schlechten Bewertung des Hotels im Internet.
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5. Der Local a.k.a. das Sprachgenie
Ein „Teşekkürler“ in der Türkei, ein lockeres „Ti kanis“ in Griechenland, ein „Até logo“ in Portugal. Der Local will eintauchen in sein Urlaubsziel, am Ende bleibt er dennoch nur an der Oberfläche. Aber: Obwohl er weiß, dass alle um ihn herum deutsch sprechen im Hotel – 95 Prozent der Gäste kommen aus Deutschland, manche Angestellte haben Germanistik studiert –, er mit einem Flieger aus Düsseldorf ankam und deutsche Bücher liest, möchte er Deutsch als Verkehrssprache nicht akzeptieren. Man ist schließlich im Ausland. Basta! Und deswegen grüßt er andere im Hotel international mit „Hello“ oder in der jeweiligen Landessprache. Seltsam? Ja!
6. Der Fitness-Freak
Für ihn zählt im All-inclusive-Urlaub vor allem: Wie ist das Fitnessstudio ausgestattet? Welche Laufstrecken gibt es rund um die Hotelanlage? Eignet sich der Hotelpool für längere Strecken im Schmetterling? Taugt die Gegend für Mountainbike-Touren? Gibt es einen anständigen Spa-Bereich zum Regenerieren?
Meist ist er einer der ersten am Frühstückbüffet, wo er sich in Laufklamotten schnell eine Banane einverleibt und zwei Kaffee stürzt. Dann geht’s raus: 1,5 Stunden Laufprogramm mit Intervalleinheiten, Bodyweight-Übungen und Stretching. Dann Blitzdusche und zurück in den Frühstücksraum, wo es dann Banane zwei, Omelett (drei Eier), Müsli, Quark und/oder Joghurt gibt. Gern fragt er um 10 Uhr morgens nach Tunfisch oder gegrilltem Hähnchenbrustfilet. Anschließend geht’s zum Relaxen an den Strand oder den Pool.
Völlig fertig vom Training vegetiert er auf der Liege stundenlang vor sich hin, schafft es kaum, sich aufzurichten, rafft sich aber dann doch nochmals auf, um eine Stunde schwimmen zu gehen. Statt dynamisch, gesund und kraftvoll – weswegen er ja eigentlich Sport macht – wirkt der Fintess-Junkie eher kränklich, gequält und steif. Ausgezehrt und übermüdet schleppt er sich zurück zum Hotel, die Beine schleifen fast schon am Boden. Eigentlich wollte er noch eine kleine Pump-Einheit einlegen, aber: zu schwach. Am Büffet ist er abends wieder der erste, weil er nur eins möchte: schnell essen und dann schlafen – um morgens wieder laufen und pumpen zu gehen.
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7. Der „Homie“
Yo, yo, yo. Der „Homie“ lässt sich von den Animateuren der Hotelanlage nicht zu etwas animieren: Er animiert natürlich mit und sieht sich als Teil des Teams. Spätestens nach einem Tag kennt er vom Koch bis zum Barkeeper alle beim Namen. Die Coolsten begrüßt er mit einem „High Five“. Lässig will er sein (zu erkennen am schleichenden Feder-Gang), etwas crazy wirken (trinkt Tequila mit Kaffee und Red Bull gemixt), trendy aussehen (Capri-Hosen, Haarreif, Sonnenbrille).
Für den „Homie“ ist der All-inclusive-Urlaub eine Art Schullandheim-Ersatz. Die Rolle des ungeliebten und uncoolen Lehrers nimmt seine Frau ein. Gern zeigt er, wie unglaublich sportlich er noch ist und muntert die Animateure dazu auf, ein Beach-Soccer-Turnier zu organisieren. Schließlich gab er in der D-Jugend beim TSV Crailsheim Ende der 70er mal den entscheidenden Pass zum Ausgleich. Für Außenstehende sieht es dann aber doch etwas befremdlich aus, wie er schwitzend und schnaufend seine Plauze über den Sand schleppt. Aber für die Hotel-Jungs ist der Gast der König, und darum darf der „Homie“ einen Ehrentreffer erzielen. Reaktion: „Gib mir fünf!“