2. Januar 2024, 19:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Finnland gilt als das Heimatland der Sauna. Deshalb beruft man sich hierzulande bei den Regeln für den richtigen Gebrauch der Schwitzstube häufig auf vermeintlich finnische Traditionen. Dass es in Finnland aber beim Saunieren keineswegs derart „streng“ zugeht wie bei uns, hat der Besuch von TRAVELBOOK-Redakteurin Angelika Pickardt in dem nordischen Land gezeigt.
Drei Frauen betreten laut schwatzend die Sauna in einem Hotel in Helsinki, in der ich schon seit einer Weile vor mich hin schwitze. Während ich, so wie es mir von Kindheit an eingebläut wurde, ein Handtuch untergelegt habe, lassen sich die drei Damen ohne jede Unterlage auf der blanken Holzbank nieder. Alle drei tragen einen Badeanzug, ich dagegen habe mir nur ein Handtuch um die Hüften gebunden. In der Sauna hat man schließlich nackt zu sein, auch das habe ich in Deutschland gelernt. Es entspreche der finnischen Tradition und sei auch aus medizinisch-hygienischer Sicht sinnvoll, so die Aussage des Deutschen Saunabundes.
Ja, auch die Finnen gehen nackt in die Sauna. Aber nur dann, wenn sie im Familien- oder engen Freundeskreis gemeinsam schwitzen. In öffentlichen Saunen tragen sie meistens Badebekleidung. Und auch sonst unterscheidet sich beim Saunieren in Finnland vieles von der hierzulande gängigen Praxis.
Die wichtigste Regel für die Sauna in Finnland: Es gibt keine Regeln!
„Bei uns gibt es keine bestimmten Vorgaben für die Sauna, jeder soll es so machen, wie es ihm am besten tut“, sagt Annika Korhonen vom Kulturcafé Kulttuuripalvelu Kaiku Ky in Ruokolahti. Hier, in der Seenregion im Südosten Finnlands, kann man eine traditionelle Rauch-Sauna für mehrere Personen buchen. Sie aufzuheizen, dauert 6 bis 8 Stunden. Im Inneren ist es urgemütlich, man sitzt auf Teppichen, Kerzen beleuchten den Raum nur spärlich.
Sanduhren wie in Deutschland gibt es in Finnland in der Sauna keine. Es gilt die Devise: Jeder bleibt so lange drin, wie er es aushält. Manche bleiben 10 Minuten, andere 45 Minuten oder sogar mehrere Stunden. Auch, wie viele Saunagänge man macht oder wie lange man sich zwischendurch ausruht, ist jedem selbst überlassen. Anders als in Deutschland üblich, gießen die Finnen nicht mit Duftzusätzen auf und setzen meist auf reines Wasser, das dafür aber viel häufiger und in großen Mengen über die aufgeheizten Steine geschüttet wird. Und während man in Deutschland zumindest beim Aufguss kaum spricht, sondern still genießt, führen die Finnen häufig während des gesamten Saunagangs lebhafte Gespräche.
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Eisschwimmen macht fast jeder!
Die Sauna ist tatsächlich fester Bestandteil im Leben fast jedes Finnen. Auf 5,5 Millionen Einwohner kommen 3 Millionen Saunen, fast jeder hat eine eigene Sauna zu Hause oder nutzt regelmäßig öffentliche Saunen in den Städten. Ein beliebter Ort in Helsinki zum Saunieren ist etwa der Allas Sea Pool, ein Areal mit mehreren Saunen und Außenpools mit Blick auf die Ostsee und die Altstadt.
Natürlich darf auch dort der obligatorische Eispool nicht fehlen. Das Wasser ist nur ein Grad „warm“, und auch ich habe mir fest vorgenommen, dort einzutauchen – und das, obwohl ich eigentlich eine ausgesprochene Frostbeule bin. Da gibt’s nur eins: einfach reinlaufen, bloß nicht zu lange nachdenken. Ich halte es nur ein paar Sekunden aus, das Wasser fühlt sich wie Nadelstiche auf der Haut an. Aber: Ich habe es geschafft! Mein Körper schüttet Adrenalin und Endorphine aus, ein kleiner Glücksmoment.
In diesem Moment verstehe ich zum ersten Mal, was die Finnen meinen, wenn sie von Sisu sprechen, dieser ganz speziellen Mentalität, die in etwa so viel bedeutet wie „Kraft“ oder „Kampfgeist“. Finnen hadern nicht lange, sie machen. Hierin liegt sicherlich eines der Geheimnisse, warum Finnland schon mehrmals in Folge die Liste der glücklichsten Länder der Erde anführt.
Die Reise fand im März 2019 statt und wurde unterstützt vom finnischen Tourismusverband Visit Finland. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit