18. Dezember 2022, 14:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Trennungen können fürchterlich schmerzhaft sein. Unsere Autorin, die auch als Coach arbeitet, weiß das – aus eigenen Erfahrungen und von ihren Klient*innen. Hier erklärt sie, wieso gerade eine Soloreise nach einer Trennung helfen kann, wieder auf die Beine zu kommen.
2018 flog ich nach Neuseeland, um mir das Herz brechen zu lassen. Drei Tage nach Ankunft stand ich plötzlich in Auckland ohne Dach über dem Kopf da, ohne Ahnung, was ich jetzt machen soll. Verdattert und voller Herzschmerz. Mein Plan war eigentlich ein anderer. Freunde und Familie rieten mir, nach Hause zu kommen. Ich kaufte einen Van und fuhr ans Meer. Allein sein. Heulen. Klarkommen. Nach ein paar Tagen brach ich auf – zur heilsamsten und vielleicht auch lehrreichsten Reise meines bisherigen Lebens. Spätestens seitdem bin ich überzeugt, dass Reisen das Beste ist, das man für sich selbst nach einer Trennung tun kann (zumindest wenn man generell gern verreist). Am besten allein.
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Aus diesen Gründen halte ich Reisen nach einer Trennung für eine gute Idee:
Zeit und Raum, in den Schmerz zu gehen
Zu Hause zwischen all dem normalen Alltagszeug muss, will oder soll man sich einigermaßen schnell zusammenreißen. Da kommt die Heilung zu kurz. Stattdessen wird sich abgelenkt oder heimlich gelitten. Beides hilft eher nicht. Vielleicht zum kurzen Sich-besser-fühlen, aber längerfristig eben nicht. Denn Trennung und Herzbruch gehen oft mit tiefergehenden Wunden (manchmal sogar Traumata) einher und die wollen ehrlich angeschaut und geheilt werden. Und das braucht mehr als nur Zeit. Das Stichwort ist Raum. Wer allein auf Reisen ist, kann sich diesen Raum geben. Und der kann äußerlich aussehen, wie man es will. Lange einsame Wanderungen, stundenlanges aufs Meer Schauen, sich tage- oder wochenlang im Hotelzimmer einschließen. Auf das innere Raumgeben kommt es an. Das bedeutet, nicht wegzulaufen vor dem Schmerz, sondern ihn zuerst einmal zulassen, also fühlen. Und das tut weeeeh! Hilft aber. Mehr als alles andere.
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Gesunde Ablenkung
Das bedeutet natürlich nicht, dass Sie jede Sekunde des Tages nur im Schmerz verbringen müssen. Ablenkung ist nicht immer schlecht, nur wenn sie dazu dient, sich nicht mit sich selbst auseinanderzusetzen, ist sie ungesund. Gesunde Ablenkung kann hingegen hilfreich sein. Die kommt auf Reisen zum Beispiel in Form von neuen Orten, Gerüchen, Geschmäckern oder auch anderen Reisenden vorbei. Ein Beispiel: Ich wollte auf meiner Neuseeland-Reise unbedingt den Lake Taupo sehen. Also bin ich dahingefahren. Heulen und mich blöd fühlen ging auch da, dachte ich. Stattdessen habe ich nicht nur einen wunderschönen Van-Spot mit Traumsonnenuntergang-Aussicht gefunden, der mir endlich mal wieder positiv besetzte Tränen bescherte, sondern auch noch einen tollen anderen Van-Reisenden kennengelernt, mit dem ich gemeinsam lachend und über allerlei Dinge redend (ausnahmsweise mal nicht nur über die Trennung) einen sehr erholsamen Abend mit leckerem Essen verbracht habe. Das hat den Schmerz weder weggeschoben noch aufgelöst. Aber es hat mich daran erinnert, dass mein Leben schön ist und noch jede Menge tolle Menschen und Erfahrungen auf mich warten.
Andere Menschen kennenlernen
Und das bringt mich dann gleich zum nächsten Punkt. Auf Reisen lernt man andere Menschen kennen und damit auch andere Sichtweisen, Perspektiven und Lebensarten. Das erweitert nicht nur den eigenen Horizont, es kann auch helfen, die zerbrochene Beziehung in einem anderen Licht zu sehen. Und das wiederum, sie zu verarbeiten. Die Romantikerin in mir hat auch ich immer ein bisschen gehofft, dass ich auf Reisen den Partner fürs Leben treffe, selbst noch im Trennungs-Schmerz. So nach dem Motto: „Schöner Reisender, bitte nimm doch all den Schmerz von mir und reite mit mir in den Sonnenuntergang.“ Am Ende bin ich sehr froh, dass mein Kopfkino damals nicht Realität wurde. Ich war noch überhaupt nicht so weit, meint frei dafür, und brauchte die Zeit, um zu heilen und zu verstehen – und das ging eben nur allein.
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Boost fürs Selbstbewusstsein
Eine Trennung kann einen nicht nur mit einem gebrochenen Herzen, sondern auch komplett niedergetrampelten Selbstbewusstsein zurücklassen. Ich meine, mit Selbstzweifeln bis hin zu Hass und utopischen Überhöhungen des Verlorenen. Der sitzt dann perfekt auf seinem Gedanken-Thron und man selbst ist an allem Schuld, hätte dies, das und jenes anders machen sollen und ist gelinde gesagt einfach kacke. Hier möchte ich einmal anmerken, dass in einem solchen Fall der eigenen Selbstablehnung am besten direkt ein Therapeut oder ein in diese Richtung arbeitender Coach zurate gezogen werden sollte, steckt hier vermutlich mehr dahinter als bloß die schmerzhafte Trennung. Aber zurück zum Reisen nach einer Trennung: Das kann in einem nicht so schweren Fall von runtergerocktem Selbstbewusstsein helfen, genau dieses wieder aufzupäppeln. Denn Soloreisen verlangen viel von einem ab, sei es eigenständige Planung, allein sein können als auch über eigene Fähigkeiten hinauszuwachsen und sich ohne Hilfe durch schwierige Situationen zu navigieren. All das ist gut fürs Selbstbewusstsein, solange man sich auch selbst auf die Schulter klopfen und anerkennen kann, dass man etwas gut gemacht hat.
Abstand
Mitten im Trennungskosmos, im Zweifel noch in der Wohnung, in der einem das Herz gebrochen wurde, kann die eigene Welt ganz schön klein und schwarz aussehen. Nichts anderes existiert als Schmerz und Verlust. Auch deshalb ist der sprichwörtliche Tapetenwechsel eine gute Idee. Rauskommen, was anderes sehen und so ein bisschen Abstand zwischen sich und den oder die Ex zu bringen. Der Abstand kann auch helfen, diese*n in einem etwas weniger glorifizierenden Licht zu sehen. Gar nicht mal, um all die Makel und Fehler nach vorne zu kehren, aber um zu sehen, dass der geliebte Mensch eben ein Mensch ist und nicht das eigene Universum.
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Zeit, sich selbst wiederzufinden
Soloreisen nach einer Trennung bringen eine Frage wieder vermehrt auf den Plan: Was will ich eigentlich? Hat man sich selbst und die eigenen Wünsche und Ziele vielleicht ein bisschen aus den Augen verloren oder dem „Wir“ untergeordnet, muss man sich die Frage nach dem eigenen Ich und dessen Wünschen auf Reisen zwangsläufig wieder stellen. Und sei es bloß, um überhaupt loszufahren oder auch nicht dauerhaft an einem Ort zu bleiben, sondern ein bisschen was vom Land zu sehen, in das man gereist ist. Aber es ist nicht nur der fehlende Partner, es ist auch das fehlende soziale Umfeld, das diesen Freiraum erlaubt. Auf Reisen mit sich allein hat man mehr Zeit, auch gedanklich. So können Ideen Raum bekommen, um sich zu formen und zu Zielen und Wünschen formuliert zu werden. Und hat man noch nie zuvor eine Reise allein gemacht, lernt man sich wahrscheinlich selbst gleich nochmal besser kennen (nicht nur nach einer Trennung).
Wachstum
Soloreisen bringen fast unweigerlich Wachstum mit sich, allein wegen der neuen Dinge, die man erlebt und lernt und Situationen, die mitunter verlangen, dass man über sich hinauswächst – sowieso und auch nach einer Trennung. Und vielleicht wachsen Sie sogar so sehr, dass Sie erkennen, warum diese Beziehung (und ihr Ende) für Sie und Ihren Lebensweg wichtig war und auch, was Sie brauchen, um dauerhaft eine gute, gesunde und stabile Beziehung zu führen. Mit sich und ihrem*r zukünftigen Partner*in.
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Neues Kapitel zelebrieren
Das Ende einer Beziehung ist der Beginn eines neuen Kapitels, selbst wenn es eines ist, das man am liebsten nicht beginnen würde. Und dieser neue Abschnitt darf zelebriert werden – und sollte es auch. Schließlich sind Sie es, die dieses nächste Kapitel in Ihrem Leben gestalten. Wieso also nicht nach einer Trennung mit einer Reise starten, von der Sie schon lange träumen und so dem neuen Anfang direkt eine schöne Richtung geben: Selbstfokus und Träume, die jetzt erfüllt werden.