6. Dezember 2021, 13:43 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In Mauretanien fährt mehrmals täglich ein Zug tausende Tonnen Eisenerz durch die Wüste – inklusive ein paar wagemutiger Passagiere. Ein Großteil der Wirtschaft des afrikanischen Landes hängt von dieser Eisenbahn ab, weswegen gewaltige Anstrengungen unternommen werden, sie am Laufen zu halten.
Es ist eine Reise der Superlative: auf einem bis zu 2,5 Kilometer langen Zug mit mehr als 200 Waggons durch die Sahara-Wüste in Mauretanien zu fahren. Diesen irren 20-Stunden-Ritt über 700 Kilometer kann man tatsächlich unternehmen, und zwar zwischen den beiden mauretanischen Städten Nouadhibou am Atlantik und Zouérat im Landesinneren. Die Einheimischen nennen das Monstrum einfach nur „den Zug“. Und der macht seine Fahrt dreimal täglich, um Mauretaniens wichtigstes Wirtschaftsgut zu transportieren: Eisenerz, das in den Minen von Zouérat abgebaut wird. Laut „Deutschlandfunk“ ist es für 30 Pozent des Bruttoinlandsproduktes verantwortlich.
Der Zug, der seit 1963 in Mauretanien verkehrt, ist aber auch eine wichtige Lebensader für Menschen im ganzen Land, vor allem in abgelegenen Regionen. Er verbindet sie sprichwörtlich mit der Zivilisation, die sie ansonsten nur schwer oder überhaupt nicht erreichen könnten. Dafür sorgt auch die Tatsache, dass man in den zahllosen Güterwaggons der Bahn auf eigenes Risiko kostenlos mitfahren darf. Nur für den einzigen Passagierwaggon muss man ein Ticket lösen.
Die Strecke muss ständig erneuert werden
Viele Menschen nehmen die Fahrt aber auch auf sich, um in Zouérat Arbeit zu suchen. Die 1974 verstaatlichte „Société Nationale Industrielle et Minière (SNIM)“ betreibt sowohl die Eisenerz-Mine als auch den Zug, hat für ihre Angestellten eine eigene kleine Stadt rund um das Abbaugebiet errichtet. Eisenerz ist außer Fisch das einzige nennenswerte Exportprodukt Mauretaniens. Verlässt so ein Zug Zouérat wieder in Richtung Atlantik, hat er 120 Tonnen Eisenerz geladen – pro Waggon wohlgemerkt.
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Der Zug selbst kann dann bis zu 17.000 Tonnen wiegen, was ganz eigene Schwierigkeiten mit sich bringt. Dem Sand und der Hitze ausgesetzt, müssen die Schienen, die derartige Gewichte aushalten, alle paar Wochen ausgetauscht werden – natürlich immer nur an gewissen Punkten, nicht auf einmal. Pro Jahr aber immerhin zwischen 25 und 30 Kilometern Strecke. Aus diesem Grund kann der Zug im Durchschnitt auch nur maximal 60 km/h fahren. Auch die Züge selbst werden regelmäßig gewartet. Die Rohstoffe werden dann, einmal in Nouadhibou angekommen, über den Atlantik verschifft. Besonders China ist hungrig auf günstige Ware aus Afrika.
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Gefahr durch Wüsten-Räuber?
Die Länge des Zuges stellt die Passagiere laut einer Folge der ARD-Serie „Eisenbahnromantik“ vor ganz eigene Herausforderungen: Wer bei einer Zuglänge von bis zu 2,5 Kilometern beim Anhalten im falschen Waggon sitzt, muss mitunter noch ziemlich lange zum eigentlichen Bahnhof laufen – durchaus eine größere Anstrengung bei den hohen Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius, die nunmal in der Wüste herrschen können. Immerhin ist der Zug dafür heute aber relativ sicher. In dem Gebiet gab es früher immer wieder Überfälle auf den Zug und seine Passagiere.
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Pro Fahrt verschlingt der Zug, der von bis zu drei verschiedenen Triebwagen gezogen wird, etwa 20.000 Liter Öl. 9 Liter Treibstoff benötigt jede der Maschinen pro Kilometer. Um die Schienen möglichst frei von Sand zu halten, hat man eigens Trupps von Tagelöhnern engagiert. Und auch sonst wird die Betreibergesellschaft wohl alles versuchen, um den Wüsten-Zug in Mauretanien so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Die Minen von Zouérat jedenfalls werden nach Schätzungen zufolge noch etwa 1000 Jahre lang Erz liefern können.
Wer jetzt allerdings schon von der nächsten großen (Zug-)Reise träumt, sollte vor dem Aufbruch nicht nur angesichts der aktuellen Corona-Lage die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes für Mauretanien lesen. Dort steht unter anderem: „In Mauretanien bestehen wie in der gesamten Sahel-Region grundsätzlich Anschlags- und Entführungsrisiken. Anschläge terroristischer Gruppen, die sich auch gegen ausländische Interessen richten können, sind in der gesamten Region und damit grundsätzlich auch in Mauretanien zu befürchten. Besonders gefährdet sind die Grenzgebiete zu Mali und Algerien.“