2. Juli 2019, 11:41 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Flixtrain: Das sind die grünen Züge, die seit 2018 der Deutschen Bahn Konkurrenz machen. Bisher war das Angebot für TRAVELBOOK-Autorin Larissa Königs uninteressant, doch mit der seit Ende Mai 2019 bestehenden Verbindung Berlin-Köln hat sich das geändert. Mittlerweile ist sie das erste Mal gefahren – und wurde dabei von so einigem überrascht.
Mein erster Kontakt mit Flixtrain fällt, um es nicht zu drastisch zu sagen, bescheiden aus. Ich sitze schon in der U-Bahn auf dem Weg zum Fernbahnhof, als mich die erste SMS erreicht: Der Zug habe circa 40 bis 50 Minuten Verspätung. Das geht ja gut los, denke ich. Aber als regelmäßige Fahrerin mit der Deutschen Bahn bin ich das Elend gewöhnt und hole mir einen Kaffee am Bahnhof. Sauer werde ich dann eine Dreiviertelstunde später, als die Verspätung auf circa 90 Minuten ansteigt. Dementsprechend mies ist meine Laune, als ich nach (immerhin) 83 Minuten endlich den Zug betrete. Ich wandere durch den von der DB ausgemusterten Zug, der mutmaßlich mindestens 50 Jahre sein muss, und bin mir sicher, dass ich niemals wieder mit Flixtrain fahren werde. Kleiner Spoiler: Das wird sich noch ändern. Aber von vorne.
Flixtrain ist seit dem Frühjahr 2018 in Deutschland unterwegs und betreibt mittlerweile mit sieben Zügen drei Strecken (hier stehen alle Strecken inklusive Zwischenstopps). Der Plan, eine Konkurrenz zur Deutschen Bahn zu werden, scheint zu funktionieren: Im ersten Jahr wurden 750.000 Tickets verkauft. Des Weiteren wurden neue Trassen beantragt, verschiedene Verfahren laufen, unter anderem auch für die Strecke Köln-Frankfurt, sagt ein Sprecher zu TRAVELBOOK.
Das Unternehmen, das zu dem bekannten Fernbusanbieter Flixbus gehört, setzt dabei besonders auf niedrige Preise. Wer früh bucht, kann auf einigen Strecken für nur 9,99 Euro fahren. Auch ich zahle für meine Fahrt von Berlin nach Köln nur 15,99 Euro. Das ist der mit Abstand geringste Preis, den ich je für eine Zugfahrt auf der Strecke gezahlt habe. Zum Vergleich: Bei der DB kostet mich ein Ticket im Durchschnitt 50 Euro – trotz meiner Bahncard 50.
Der Flixtrain rast durch Deutschland, der Fahrgast kann entspannen
Wer einen der grünen Züge besteigt, der weiß leider auch relativ schnell, wo bei Flixtrain gespart wird. So gibt es zum Beispiel keine Klimaanlage in den Zügen, alles wirkt etwas abgerockt. Aber: Ich zumindest kann mich nicht über Dreck oder komische Gerüche beklagen. Und auch wenn es zunächst ungewohnt ist, wieder in einer kleinen Kabine statt im Großraumabteil zu sitzen, finde ich schnell Gefallen daran. Meine Mitreisenden sind freundlich und hin und wieder unterhalten wir uns, dennoch ist es kein Problem, wenn man Kopfhörer aufsetzt und abschaltet. Natürlich kann das auch anders sein, allerdings hatte ich bei meinen Fahrten das Gefühl, dass überwiegend junge und gelassene Leute mit dem Flixtrain fahren. Auch das Personal ist locker und entspannt – selbst kaputte Toiletten werden innerhalb von Minuten repariert.
Apropos entspannt: Auch meine Laune beruhigt sich immer mehr. Der Grund ist, dass unsere Verspätung in gigantischen Schritten abnimmt. Schon in Hannover haben wir nur noch knapp eine Stunde Verspätung, in Essen nur noch eine halbe und als ich nach mehr als fünf Stunden in Köln einfahre, sind es sogar nur noch knapp mehr als 20 Minuten. Eine solche Aufholjagd habe ich noch nie auf einer Zugreise erlebt – und ich fahre sehr viel Zug. Wie ist das überhaupt möglich? „Durch einen reibungsfreien und ungestörten Ablauf der Weiterfahrt und kleinere Zeitpuffer im Fahrplan an den einzelnen Haltestellen, war es möglich einen Teil der Verspätung aufzuholen“, erklärt ein Sprecher des Unternehmens TRAVELBOOK.
Ein weiterer Pluspunkt: Bei Flixtrain kommen Reisende nie in die extrem unangenehme Situation, auf dem Gang sitzen zu müssen. Was bei der DB bei begehrten Verbindungen leider häufiger passiert, ist hier unmöglich. „Im Vorverkauf wird planmäßig nur die Anzahl an Sitzplätzen verkauft, die im FlixTrain auch zur Verfügung stehen“, teilt das Unternehmen TRAVELBOOK mit.
Es ist also, wenn man früh bucht, spottbillig mit Flixtrain zu fahren, man bekommt immer einen Sitzplatz und Verspätungen werden, zumindest bei meinen zwei Stichproben-Fahrten, deutlich besser gelöst als bei der DB. Wo ist also der Haken?
Wenig Flexibilität und Komfort
Tatsächlich gibt es (noch) einige. So fahren die Züge aktuell auf den meisten Strecken nur zwei, maximal drei Mal pro Tag. Die Abfahrtszeiten sind also relativ unflexibel. Von Berlin nach Köln geht die letzte Verbindung um 16 Uhr – das ist mit meinem klassischen 9-to-5-Job unmöglich zu vereinbaren. Auch gibt es bisher keine Flextickets oder kostenlosen Stornierungen (es sei denn, man storniert mindestens 30 Tage vor Abfahrt). Wer sich also einmal für eine Fahrt entschieden hat, wird diese vermutlich auch wahrnehmen wollen – wobei man an dieser Stelle auch fairerweise sagen muss, dass es bei den Spartickets der DB genauso ist.
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Das größte Manko ist für viele: der Komfort. Tatsächlich kann ich bestätigen, dass es nicht sehr angenehm ist, ohne Klimaanlage bei 30 Grad Sonnenschein Zug zu fahren. Auch wenn man zwar die Fenster öffnen kann und der Fahrtwind im Gesicht ein schönes Gefühl von Roadtrip vermittelt, habe ich mich mehr als einmal in einen kühlen ICE gewünscht. Auch die Sitzplätze können für große Menschen zum Problem werden. So merkte mein 1,93-Meter-großer Kollege an, dass bei einer seiner Flixtrain-Fahrten die Beinfreiheit sehr begrenzt war. Dass sowohl WLAN als auch das gastronomische Angebot eher sporadisch vorhanden waren, hebt den Komfort auch nicht an. Allerdings arbeite man an einer Verbesserung. „Mit über 70 Prozent sind unsere Züge sehr gut ausgelastet. Wir nehmen diese Resonanz als Ansporn, das Reiseerlebnis mit FlixTrain weiter zu optimieren – etwa durch die sukzessive Modernisierung des Wagenmaterials“, sagt Fabian Stenger, Geschäftsführer von FlixTrain.
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Persönliches Fazit:
Ich werde auf jeden Fall wieder mit Flixtrain fahren. Sowohl die Buchung als auch die Reise waren umkompliziert, für meine Bedürfnisse reichte der Komfort aus und ich habe für Hin- und Rückreise circa ein Viertel von dem gezahlt, was üblicherweise bei der Deutschen Bahn anfällt. Das liegt auch daran, dass ich fast ausschließlich an Tagen fahre, die besonders begehrt sind (Freitag und Sonntag) und deswegen viele Rabattaktionen nicht gelten und es sehr selten Sparangebote gibt. Fun Fact: Tatsächlich habe ich für die 5-stündige Reise von Berlin nach Köln weniger gezahlt als für die einstündige Weiterfahrt mit dem Regio (der übrigens auch nicht klimatisiert war).
Pro Flixtrain: Preis, Pünktlichkeit (im Vergleich zur Deutschen Bahn).
Kontra Flixtrain: Keine Flexibilität, wenig Komfort.
Redaktioneller Hinweis: Die Autorin hat die Fahrt privat angetreten und selbst bezahlt.