22. Januar 2020, 14:11 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Zugreisen werden immer beliebter: 2019 fuhren 158 Millionen Deutsche im Fernverkehr mit der Deutschen Bahn. Hinzu kommen noch alle, die statt mit der Deutschen Bahn mit dem Konkurrenten Flixtrain reisen. Doch wie sauber sind eigentlich Fernverkehrszüge? Das wollte TRAVELBOOK wissen – und hat Keimproben genommen. Die Analyse und die Ergebnisse.
Wie oft sind Sie schon in einem Zug auf der Toilette gewesen und haben sich gefragt, wie sauber es hier eigentlich ist? Oder wie viele Keime sich auf dem Sitzplatz tummeln, auf dem Sie in der Bahn zum Teil Stunden verbringen? Zahlen oder Studien gibt es dazu bislang nicht. Deswegen hat TRAVELBOOK selbst Proben genommen und geschaut, wie viele Keime in der Bahn und bei Flixtrain lauern.
Wie wurde untersucht?
Stichprobenartig wurden insgesamt 20 Proben in jeweils einem Fernverkehrszug von der Deutschen Bahn und von Flixtrain genommen: einmal morgens (vor 9 Uhr) und einmal abends (nach 18 Uhr). Dabei wurden an folgenden Orten jeweils zwei Proben genommen: Sitzfläche, Kopf- und Armlehne und der Klapptisch eines Sitzplatzes sowie die Türklinke innen in der Toilette. Im Nachhinein sollte dann analysiert werden, wie viele Bakterien im Allgemeinen an dem jeweiligen Ort zu finden waren und ob sich darunter auch E.coli-Bakterien befanden.
Um das später zu bestimmen, hat TRAVELBOOK Abklatschplatten mit zwei verschiedenen Nährböden verwendet. Bei jeder Probe wurden die Platten mit der Nährboden-Oberfläche auf die zu untersuchende Fläche gedrückt, danach verschlossen und beschriftet. Im Anschluss wurden sie zur Analyse an die MykoLab Kaldorf GmbH geschickt. Das in Mönchengladbach ansässige Labor ist auf die mikrobiologische Untersuchung von Proben auf Schimmelpilze und Bakterien aus dem Innenraumbereich spezialisiert. Im dortigen Labor wurden die Nährböden inkubiert und anschließend die Bakterienkolonien (Kolonie bildende Einheiten, kurz: KBE) identifiziert und gezählt.
Dabei gilt: Alle Proben, bei denen Werte von unter 100 KBE/25 Quadratzentimeter festgestellt wurden, entsprechen einer „eher geringfügigen“ Verunreinigung. Werte über 100 werden als „erhöhte“ Verunreinigung bewertet.
Der TRAVELBOOK vorliegende Laborbericht zeigt folgende Ergebnisse der Stichproben:
1. Die Züge sind morgens sauberer als abends
Es zeigt sich, dass bei den Proben, die abends genommen wurden, insgesamt eine deutlich höhere Keimbelastung vorlag. So lag die Summe aller Abend-Proben aus dem Flixtrain-Zug insgesamt bei 1358 KBE, bei allen Proben aus dem Zug der Deutschen Bahn sogar bei insgesamt 1603 KBE, was als starke Verunreinigung gewertet werden kann. Bei den am Morgen entnommenen Proben beliefen sich die Werte in Summe dagegen auf jeweils insgesamt unter 300 KBE. Damit waren die Züge, die abends fuhren, mehr als viermal so stark belastet wie die Züge, die früh morgens fuhren.
Wie Flixtrain auf Nachfrage von TRAVELBOOK mitteilte, erfolgt eine tägliche Grundreinigung der Züge während der Nachtabstellung, was die geringere Keimbelastung am Morgen erklären würde.
Ein Sprecher der Deutschen Bahn gab zunächst an, dass die Züge im Fernverkehr „täglich vor jeder Zugfahrt innen gereinigt” werden. Diese Aussage deckte sich allerdings nicht mit den Ergebnissen der Stichprobe. Als TRAVELBOOK diesbezüglich nochmals nachhakte und die Deutsche Bahn mit der Analyse konfrontierte, ruderte eine andere Sprecherin zurück: Von einer täglichen Reinigung von jeder Zugfahrt war nicht mehr die Rede, stattdessen erklärte sie, dass „im Tagesverlauf weitere Reinigungen” erfolgten, und zwar „insbesondere der WC-Räume”. Dies geschehe sowohl an Bahnhöfen als auch durch mobile Reinigungsteams unterwegs. Das wiederum deckt sich mit den Ergebnissen.
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2. Am stärksten verkeimt sind Sitz und Kopfstütze
Von allen auf Keime untersuchten Stellen bei Bahn und Flixtrain wurden zwei als besonders stark belastet getestet: der Sitz und die Kopfstütze. Der Sitz war in drei von vier Fällen sogar stärker belastet als die Toiletten-Türklinke, die Kopfstütze in zwei von vier Fällen. Die Kopfstütze war in diesen beiden Fällen sogar die am stärksten verkeimte Stelle, die überhaupt getestet wurde, mit jeweils 620 KBE (Flixtrain) und mehr als 500 KBE (Deutsche Bahn).
Überraschend: In den beiden anderen getesteten Fällen belief sich die Keimbelastung der Kopfstütze auf 0. „In öffentlichen Verkehrsmitteln ist davon auszugehen, dass alle Proben mit Bakterienkonzentrationen unter 10 KBE / 25 cm2 von sauberen, wahrscheinlich frisch gereinigten und eventuell desinfizierten Oberflächen stammen“, sagt Dr. Michael Kaldorf, der Geschäftsführer der MikroLab Kaldorf GmbH. Das deckt sich mit den Ergebnissen, dass die Züge morgens deutlich sauberer sind – denn beide unbelastete Proben wurden morgens genommen.
3. Die Toiletten-Türklinke ist sauberer als vermutet
Bei der Toiletten-Türklinke bewegten sich die Werte bei den Keimen bei Bahn und Flixtrain zwischen 40 und 320 KBE. Damit ist sie zwar nicht komplett unbelastet, aber auch nicht besonders verschmutzt. Mikrobiologe Michael Kaldorf nennt als Vergleich eine Studie aus dem Jahr 2002, für die der Hygienestatus öffentlicher Toilettenanlagen einer Großstadt auf Keime hin untersucht wurden. Hier seien bei jeweils etwa 20 Prozent der Proben Bakterienkonzentrationen von mehr als 1.000 KBE / 40 Quadratzentimeter sowie Escherichia coli und weitere Darmbakterien nachgewiesen worden, die Höchstwerte lagen sogar zwischen 10.000 und 20.000 KBE.
4. Überraschenderweise am saubersten: der Klapptisch
Im Flugzeug gilt der Klapptisch als Keimschleuder Nummer 1. Doch bei unserem Test war er der Überraschungssieger! Insgesamt wurden hier bei allen Proben nur 5 KBE gefunden – einmal 4 KBE, einmal 1 KBE und zweimal waren die Proben komplett unbelastet. Doch warum sing gerade bei dem Klapptisch in der Bahn und bei Flixtrain so wenig Keime zu finden?
Zum einen wird er von vielen Bahnreisenden gar nicht oder nur wenig genutzt. Zum anderen verweist Michael Kaldorf darauf, dass es sich hier um eine andere Oberfläche handelt. Während Sitz und Kopfstütze mit Stoff bezogen sind, ist der Klapptisch aus Hartplastik und dementsprechend leicht zu desinfizieren. Zudem gehört der Tisch sowohl bei Flixtrain als auch bei der Bahn zu den Stellen im Zug, die täglich gereinigt werden. Polster, Teppiche usw. werden dagegen nicht täglich gereinigt, sondern im Rahmen größerer Zwischen- oder Grundreinigungen, die nur alle paar Wochen stattfinden.
Die Ergebnisse für die an den Armlehnen genommenen Proben fielen überall durchschnittlich bis gut aus, sie waren also in keinem Fall stark verunreinigt, einmal sogar klinisch sauber. Auch hier spricht die meist glatte Oberfläche dafür, dass diese häufiger gereinigt werden.
5. Keine Darmbakterien gefunden!
Positiv fällt auf, dass bei keiner Probe Darmbakterien gefunden wurden – nicht mal auf der Toilette. „Escherichia coli und weitere Enterobakterien, die zu den typischen Darmbakterien gehören und als Indikatoren für fäkale Verunreinigungen gelten, wurden bei keiner Abklatschprobe nachgewiesen“, sagt Mikrobiologe Kaldorf über die Ergebnisse.
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Fazit
Erfreulicherweise wurden weder bei der Deutschen Bahn noch bei Flixtrain starke Verunreinigungen festgestellt. Dass die Züge morgens sauberer als abends sind, erklärt sich aus der Tatsache, dass beide Unternehmen diese während der Nachtabstellung reinigen lassen.
Wenig überraschend ist auch die Tatsache, dass glatte Flächen wie Klapptische oder Armlehnen weniger starke Verunreinigungen aufweisen als etwa die Kopfstütze oder die Sitzfläche, da die glatten Oberflächen täglich gereinigt werden, die gepolsterten Flächen aber nicht ganz so häufig. Aufgrund einer mehrmals täglichen Reinigung der WC-Räume war auch hier keine hohe Keimbelastung feststellbar.
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TRAVELBOOK meint