7. Mai 2018, 11:29 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Nach einem Geschäftstermin in München sollte ich eine achtstündige (!) Bahnfahrt antreten, mit einer Ankunft nach 1 Uhr nachts am Berliner Hauptbahnhof, und war dennoch guter Dinge. Ich würde unterwegs die Gelegenheit bekommen, viel angestaute Arbeit wegzuschaffen, und dann hab ich auch noch Zeit zum Entspannen – also zum Surfen im Netz, Filmgucken auf meinem Laptop und das eine oder andere Telefonat. Erst nach der Abfahrt stellte ich fest, dass die Wagons in cooler Retro-Optik quasi alles vermissen ließen, was moderne ICE ausmachen: WLAN, Handyempfang, Stromanschlüsse und ein Bordrestaurant. Warum auch Ihnen eine Reise in der Holzklasse drohen könnte, wenn Sie bei der Buchung nicht aufgepasst haben.
Der besagte Tag im März 2017 hatte im Morgengrauen begonnen, mit einem unverschämt frühen One-Way-Flug nach München, und war prall gefüllt mit anstrengenden Kundenterminen. Zum Essen blieb keine Zeit, weshalb ich mich seit dem Mittag fast ein wenig freute, die Rückreise mit der Bahn zu bestreiten. Oder besser gesagt: auf Maultaschen mit Kartoffelsalat oder einen anderen Klassiker im ICE-Bordrestaurant.
Zugeben: Acht Stunden lang Zugfahren ist nicht das Schönste, was einen am frühen Abend erwarten könnte. Aber die würde ich zumindest gut nutzen können. Den ganzen Tag hatte ich meinen schweren Laptop samt Ladegerät geschleppt, außerdem einen Ordner mit Unterlagen zum Abarbeiten. Und wenn es mit der Konzentration dann irgendwann zu Ende gehen sollte, könnte ich noch einen Film von meinem USB-Stick abspielen, ein wenig telefonieren und im Internet surfen. WLAN sei Dank, ist ICE-Fahren ja fast schon Luxus geworden.
Augen auf bei der ICE-Buchung…
Auf den ersten Blick fiel mir beim Einstieg in den Zug nichts auf. Komisch war bloß, dass mein Platz in der 1. Klasse genauso aussah wie die braunen, großzügigen Sitze im restlichen Zug. Generell kam das Innere des angeblichen ICE ziemlich stylish daher und mit einer großen Portion Retro. Und genau da lag der Hase im Pfeffer.
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Luxuriöses Interieur – kein moderner Luxus!
„Das hier scheint nicht der Handybereich zu sein?“ Diesen Eindruck teilte ich mit einer Bahn-Mitarbeiterin, da ich entsprechende Sticker an den Wänden vermisste. Den Begriff schien die Dame noch nie gehört zu haben. „Der Empfang ist im gesamten Zug nicht gut“, entgegnete sie mit einem verdutzten Gesichtsausdruck, „er ist alt.“ Jetzt lag die Irritation bei mir.
Kein WLAN, kein Empfang, keine Stromanschlüsse und, nein: kein Bordrestaurant! Ich war offensichtlich in einen Zug aus einer anderen Zeit gestiegen. Mit knurrendem Magen überprüfte ich mein Ticket, das eine ICE-Fahrt von München nach Berlin Hauptbahnhof versprach und auch ansonsten völlig normal aussah. Dennoch schien sich außer mir niemand großartig zu wundern, wo wir hier gelandet waren. Was war hier eigentlich los?
»Die Metropolitan-Züge sind unsere Oldies
TRAVELBOOK erfuhr von Deutsche-Bahn-Sprecherin Nicole Knapp Genaueres. Wie sie uns berichtet, handelte es sich bei der vermeintlichen Holzklasse um eine extrem rare Spezies: einen der beiden letzten sogenannten Metropolitan Express Trains, kurz MET, die im Auftrag der Deutschen Bahn unterwegs sind. Was Passagiere heute einiges an Komfort vermissen lässt, hatte nach 1999 fünf Jahre lang einen Ruf als Luxusgefährt. Inzwischen wurde er in puncto technischer Ausstattung von seinen Nachfolgern überholt und ist nur noch selten im Einsatz. In Zahlen ausgedrückt, kommt der Exot unter 260 verkehrenden Züge nur einmal vor.
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Daran erkennt man einen MET-Zug bei der Buchung!
In der Regel fährt der MET morgens um 9.22 Uhr ab Berlin Ostbahnhof in Richtung Frankfurt am Main Flughafen und trägt die Zugnummer ICE 1193. Jedoch wurden die Strecken, auf denen er eingesetzt wird, in den vergangenen Jahren immer mal wieder geändert, manchmal könne es auch zu Ausnahmen kommen. So ist zu erklären, dass ich im März 2017 von München aus in den zweifelhaften Genuss kam. Doch während ich damals mein Ärgernis kaum verbergen konnte, hegt Pressesprecherin Knapp nostalgische Gefühle. Zumal die „Oldies“ der Deutschen Bahn bald gänzlich – ein Datum gibt es noch nicht – aus dem Zugverkehr gezogen werden sollen.
Wer noch einmal die Erfahrung machen möchte, in einem Metropolitan-Zug stylish – dafür aber ohne den liebgewonnen Luxus von Stromversorgung, Handyempfang und WLAN – zu reisen, erkennt ihn in der Bahn-Buchungsmaske im Internet am Zusatz „kein WLAN“.
Erfahrungsbericht Ich bin zum ersten Mal 1. Klasse in der Bahn gefahren – mein Fazit
Ein Kommentar Meine irre ICE-Odyssee mit der Deutschen Bahn
Zuwachs für die Bahn-Flotte Besserer Mobilfunk-Empfang, mehr Kaffee: Besonderheiten des ICE 3 Neo
Digital Detox – ein Mal und nie wieder
Ich habe vorher nicht geahnt, wie unendlich laaaaang sich acht Stunden anfühlen können. Besonders natürlich, da die spärlich vorhandenen kalten Snacks im improvisierten Bordbistro meinem Magenknurren kaum etwas entgegensetzen konnten. Der Akku meines Laptops war schnell erschöpft, ebenso der meines Handys, weshalb mir wenig anderes übrig blieb, als mich voll und ganz mit mir selbst zu beschäftigen. Digital Detox verwandelte meine Rückfahrt nach Berlin quasi in eine Reise zu mir selbst. War OK… Heute lese ich bei der Zugbuchung aber auch das Kleingedruckte.