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Trotz Schienenverkehr

Können sich Züge eigentlich „verfahren“?

Zug hat sich verfahren
Es kommt zwar selten vor, doch Züge können von ihrem Kurs abkommen Foto: Getty Images

13. August 2024, 10:50 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Züge fahren auf Schienen. Wie sollen sie sich also verfahren können? Diese Frage erscheint im ersten Moment als naheliegend. Unsere Autorin hat es dennoch erlebt, dass die Bahn, mit der sie vom Berliner Hauptbahnhof aus in Richtung Basel nach Frankfurt am Main reisen sollte, in die falsche Richtung gefahren ist. Wie das Ganze ausging, erfahren Sie bei TRAVELBOOK. Außerdem klären wir auf, wie es generell passieren kann, dass Züge vom geplanten Kurs abkommen.

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Die Fahrt hatte bereits holprig angefangen. Oder besser gesagt: eben nicht angefangen. Das grüne Gefährt des Verkehrsunternehmens Flixtrain fuhr zwar relativ pünktlich am Gleis ein und schien zum Einsteigen bereit. Doch die Anzeige am Bahnhof hinterließ Hunderte ratlose Gesichter. Denn dort war eine 30-minütige Verspätung angegeben. Man war sich nicht so recht sicher – war dies denn wirklich der richtige Zug, der ja eigentlich noch gar nicht da sein sollte? Er war es. Doch das mit dem Einsteigen hätten sich viele der Fahrgäste wohl trotzdem noch einmal überlegt, hätten sie vorher gewusst, dass sie sich mit besagtem Zug verfahren würden.

Brandanschlag, Verspätung – und dann hat sich der Zug auch noch verfahren

Ich jedenfalls wäre nicht eingestiegen. Und das, obwohl ich eigentlich große Stücke auf Flixtrain halte. Die Fahrt, die normalerweise rund vier Stunden lang dauert, war für die betreffende Reise des FLX 10 für ganze fünf angesetzt. So etwas passiert manchmal – beispielsweise aufgrund von Baustellen müssen mitunter alternative Routen genommen werden, die dann einen gewissen Umweg bedeuten können. Fünf Stunden im Hochsommer ohne Klimaanlage sind natürlich noch eine Nummer härter als vier. Aber gut, das wusste ich vorher. Letztendlich waren es dann ganze sechs.

Bevor es endlich losging wurde mir von einem Mitarbeiter verraten, dass der Grund für die verzögerte Abfahrt ein „Brandanschlag auf Oberleitungen“ in Moabit gewesen sei. Als der Zug dann irgendwann los fuhr, tat er das leider in die falsche Richtung. Erfahren haben das die Reisenden, als er plötzlich stehen blieb – am Hauptbahnhof von Brandenburg. Die erste planmäßige Haltestelle wäre eigentlich der von Halle (Saale) gewesen, und nein, Brandenburg an der Havel liegt nicht auf dem Weg dorthin. „Wie Sie sicherlich bemerkt haben, sind wir zum Halten gekommen“, erklang es hörbar missmutig durch die Lautsprecher. Wann und wie es weitergeht, war zu diesem Zeitpunkt demnach noch gänzlich unklar, die Fahrgäste durften gern den Zug verlassen und sich die Beine vertreten – der Fahrer müsse erst noch „einen neuen Fahrplan zusammenstricken“, bevor die Reise fortgesetzt werden könne.

Am 2. August 2024 hat sich der Zug FLX 10 verfahren
Unsere Autorin ist mit dem FLX 10 mit Richtung Basel am 2. August auf Abwege geraten (Symbolbild) Foto: Getty Images

In unserem Fall hatte der Fahrdienstleiter der DB InfraGO – das Unternehmen ist für die Eisenbahninfrastruktur in Deutschland verantwortlich – „versehentlich eine abweichende Streckenführung für den FlixTrain vorgegeben“. Das erklärt TRAVELBOOK eine Flixtrain-Sprecherin. Wir fuhren nach Westen statt nach Südwesten. „Der Triebfahrzeugführer von Flixtrain bemerkte diese zu spät, weshalb es zu der Umleitung kam. In solchen Fällen muss dann ein neuer Fahrplan durch den Netzbetreiber DB InfraGO erstellt werden, damit festgelegt wird, wie der Zug weiterfahren kann.“

Mit dem vorausgegangenen Brandanschlag hatte das Ganze direkt also nichts zu tun. Vielleicht war der Schock auf Kosten der Konzentrationsfähigkeit des verantwortlichen Mitarbeiters gegangen.

Wie kann sich ein Zug „verfahren“?

Nun ist es zwar eine Seltenheit, aber kommt schon immer mal wieder vor, dass sich Züge verfahren. Denn ob nun auf Gleisen oder einer anderen Art von Fahrbahn – eine falsche Abfahrt kann eben dazu führen, dass man von der Route abkommt. Doch während ein Kraftfahrzeug auf Rädern bzw. auf der Straße in einem solchen Fall schneller reagieren, sprich bei nächstbester Gelegenheit umdrehen kann, ist ein Zug auf die Verfügbarkeit geeigneter Weichen angewiesen.

Der NDR berichtete im Mai 2023 vor einem ähnlichen Ereignis, in diesem Fall bei der Deutschen Bahn (DB) und nicht bei Flixtrain. Ein Reporter des Senders war mit dem ICE von Hildesheim nach Berlin unterwegs gewesen, als der Zug irrtümlich bei Braunschweig auf die Strecke nach Magdeburg abbog. Der Grund dafür: schlichtes menschliches Versagen, das Unternehmen hatte die „Orientierungs-Panne“ damals bestätigt.

Bahnsprecher: »In äußerst seltenen Einzelfällen sind Fehlleitungen möglich

Bei einer Nachfrage von TRAVELBOOK will man bei DB den Begriff „verfahren“ so nicht stehen lassen. Denn Züge verkehrten demnach grundsätzlich auf technisch gesicherten Strecken, so ein Sprecher des Unternehmens. Die verantwortlichen Fahrdienstleiter stellten die Weichen und Signale entsprechend der geplanten Route. Und dennoch: „In äußerst seltenen Einzelfällen kommt es jedoch leider vor, dass Züge fehlgeleitet werden“, räumt er ein. Für Reisende ergebe sich in diesem Fall eine verspätete Ankunft am Zielbahnhof. Eine Entschädigung erhalten sie dann „gemäß der geltenden Fahrgastrechte“, sollten sie etwa einen Anschlusszug verpassen.

Auch interessant: Welche Entschädigung steht Reisenden bei Bahn-Verspätungen zu?

Kann es gefährlich werden, wenn Züge vom Kurs abkommen?

Darauf, ob neben verpassten Anschlüssen womöglich ersthaftere Gefahren drohen, geht der Unternehmenssprecher nicht konkret ein. Die Flixtrain-Vertreterin dagegen erklärt uns sehr bestimmt: „Solche Fehlleitungen passieren gelegentlich im Schienenpersonenverkehr und beeinträchtigen nicht die Sicherheit im Zugverkehr.“

Und auch bei der Plattform Reddit, wo sich zahlreiche Nutzer über eigene Erfahrungen mit unkonzentrierten Fahrdienstleitern austauschen – etwa sei es schon vorgekommen, dass Zugnummern verwechselt und somit Züge „auf den falschen Pfad geschickt“ wurden – gibt es, was das Crash-Risiko betrifft, weitestgehend Entwarnung. „Ein Zusammenstoß mit anderen Zügen ist (…) durch die normalen Sicherheitssysteme auch bei Fehlleitungen ausgeschlossen“, schreibt da jemand. Dies gelte jedenfalls denn, wenn nicht weitere „und deutlich ‚krassere‘“ Fehler hinzukommen.

Zumindest ungünstig sei es dagegen, wenn etwa ein Zug mit E-Lok auf ein Gleis ohne Oberleitung geleitet wird. Ein Reddit-Nutzer beschreibt einen entsprechenden Vorfall auf der Strecke zwischen München und Zürich, der bereits einige Jahre zurück liegt. Damals war ein Zug der Schweizerische Bundesbahnen (SBB) mit ausschließlich elektrischem Antrieb nach München unterwegs, doch wurden dann versehentlich auf ein Gleis für Dieselzüge geleitet. Diese verfügen über keine Oberleitung. Dem Fahrzeug ist buchstäblich der Saft ausgegangen – sein Fahrer hatte damals keine andere Möglichkeit, als ihn ausrollen zu lassen, bevor er abgeschleppt wurde. Die Passagiere hatten es dadurch etwas unbequem: Sie mussten aussteigen und ihre Reise erneut antreten, doch passiert ist niemandem etwas.

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Am Ende alles halb so schlimm

Auch meine fehlgeleitete Fahrt mit dem Flixtrain endete halb so schlimm. Zwar hatten die meisten Mitreisenden sich am Brandenburger Bahnhof etwas verloren gefühlt – der Zug rollte aber nach einer Weile wieder los und erreichte Halle (Saale) dann mit einem Umweg über Magdeburg zwar verspätet, aber immerhin. Die um eine Stunde nach hinten verrückte Ankunft an meinem Zielort war natürlich ärgerlich, und ich will gar nicht erst von denjenigen sprechen, die noch länger in dem Hitzezug sitzen mussten. Doch wenigstens hatten wir alle eine recht verrückte Story im Gepäck, als wir dann endlich angekommen sind.

Themen Deutsche Bahn
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