8. Juli 2024, 6:33 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Deutschlands kleiner Nachbarstaat Belgien hält einen skurrilen Weltrekord. Denn mit der sogenannten Kusttram verkehrt hier die längste Straßenbahnlinie der Welt. Der liebenswerte Bummelzug verbindet sämtliche Küstenorte Belgiens auf seiner gemächlichen Fahrt. TRAVELBOOK verrät, was es unterwegs zu sehen gibt. Und wo sie unbedingt aussteigen sollten.
Für viele leidgeprüfte Deutsche dürfte, was das Fahren mit der Bahn angeht, die Maxime sein: Je kürzer, desto besser. Doch in unserem Nachbarland Belgien gibt es einen Zug, bei dem sich wohl so Mancher an der Endhaltestelle wünscht, die Fahrt möge noch länger dauern. Die Rede ist von der sogenannten Kusttram, zu Deutsch Küstentram. Und diese ist nicht nur ein einfacher Bummelzug, sondern ein echter Weltrekord-Halter. Genau gesagt handelt es sich bei dem liebenswerten öffentlichen Verkehrsmittel um die längste Tram-Linie, die es überhaupt gibt.
Auf einer Strecke von 67 Kilometern verbindet sie laut der offiziellen Webseite genauso viele Haltestellen. Der Name Kusttram ist dabei Programm, denn der Zug fährt tatsächlich die komplette Küste des kleinen Landes ab und passiert dabei alle wichtigen Orte. Los geht es entweder in Knokke oder in De Panne, einer der beiden Start- bzw. Endhaltestellen. Während Knokke an der Grenze zu den Niederlanden liegt, befindet sich De Panne schon in unmittelbarer Nähe zu Frankreich.
Günstig das ganze Land sehen
Wer die Strecke, die es seit 1885 gibt, einfach nur abfahren möchte, braucht für die Fahrt fast zweieinhalb Stunden. Das Beste: Die Kusttram ist nicht etwa ein Sonderzug, sondern verkehrt sehr regelmäßig zwischen Start und Ziel. Während der Sommermonate hält sie einen sportlichen Zehn-Minuten-Takt, im Winter fährt sie nur alle 20 Minuten. Wenn man sicher gehen möchte, einen bestimmten Zug zu erwischen, kann man sich auf der Webseite des Betreibers der KT-Linie sämtliche Fahrpläne einfach herunter laden.
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Und so günstig, wie mit der Kusttram, werden sie vermutlich nie wieder die Küste eines gesamten Landes bereisen können. So kostet die einfache Fahrt aktuell gerade einmal 2,50 Euro. Wer hin und zurück möchte, zahlt fünf Euro. Das Tagesticket ist bereits für 7,50 Euro zu haben. Bei einer Gruppe von 10-30 Personen zahlt jeder einzelne Fahrgast sogar nur gerade einmal 1,70 Euro. Die längste Tramlinie der Welt bringt ihre Passagiere dafür bequem ans Ziel, zum Beispiel auch zu Konzerten. Eine besondere Veranstaltung ist die Triennale Beaufort, bei der man entlang der Strecke an 16 einzelnen Stationen oder vom Zug aus Kunst bewundern kann.
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Symbol auf Schienen
Aber auch so lohnt es sich rund ums Jahr, die Fahrt mit der Kusttram unterwegs einmal zu unterbrechen. Denn Belgiens Küstenorte, groß und klein, sind natürlich einen Abstecher wert. Einer davon ist laut dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ zum Beispiel Oostende, wo man auf dem seit dem 19. Jahrhundert existierenden Fischmarkt das Fangfrischste aus dem Meer kaufen bzw. essen kann. In Oostduinkerke kommt man dem Wasser dann sogar noch näher. Und einer skurrilen Tradition, denn hier gibt es die letzten berittenen Fischer Belgiens. Hoch zu Ross sitzend, holen sie ihren Fang mit Hilfe von Schleppnetzen ein.
Ist die Kusttram heute ein Verkehrsmittel für Jedermann, so war sie laut „Deutschlandfunk“ einst auch ein Statussymbol für reiche Urlauber. Sie brachte betuchte Gäste aus England direkt vom Schiff zu ihren pompösen Hotels entlang der Küste. Ein belgischer König besaß sogar einen eigenen Waggon, in dem er mit der Küstentram reiste. Heute steht er in Brüssel im Museum. Und auch als ungewöhnlicher „Postbote“ fungierte der Bummelzug. So konnte man einst Korrespondenz in einen Briefkasten im Zug werfen, die dann zum jeweiligen Bestimmungsort zugestellt wurde.
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Ein reiner Passagierzug war die Kusttram aber nicht immer. Bis in die 60er-Jahre hinein transportierte sie auch Frachtgut. Während der beiden Weltkriege zudem Munition, Soldaten und im Kampf verletzte Personen. Heute ist sie in punkto Tourismus aber ein umso wichtigerer Faktor, denn sie verbindet nicht nur Orte miteinander, sondern eine ganze Volkswirtschaft. Besonders für Belgiens Küstenorte sind die Gäste, die mit dem Bummelzug kommen, eine wichtige Einnahmequelle. Nicht zuletzt wird sie damit auch zu einem Symbol, das ein ganzes Land miteinander vereint. Und sei es auch nur auf Schienen.