18. Juli 2024, 5:58 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der Nachtzug Snälltåget fährt in 16 Stunden von Berlin bis in die schwedische Hauptstadt Stockholm. Reisende erleben während der Fahrt ein Potpourri an malerischen Seenlandschaften und Kulinarik in skandinavischem Flair. Fiona Wink, Journalistenschülerin an der Axel Springer Academy of journalism and technology, war selbst an Bord und berichtet bei TRAVELBOOK von ihren Erfahrungen.
Es dämmert bereits, als ich um kurz vor 21 Uhr am Berliner Hauptbahnhof ankomme. Die Bahnhofshalle ist ungewöhnlich leer, ein paar Reisende schlendern zur S-Bahn, die Geschäfte sind zu. Als ich zum Gleis gehe, steht er schon da – der Nachtzug nach Schweden, der seit Juni 2021 von Berlin bis nach Stockholm fährt. Es ist Sonntagabend. Außer drei Schaffnern, die sich leise auf Schwedisch unterhalten, stehen nur vereinzelt ein paar Menschen mit Koffern und Rucksack am Gleis. Alle wirken tiefenentspannt, fast schon schläfrig.
Der Nachtzug, der an einen in die Jahre gekommenen Regionalzug erinnert, ist bis auf bunte Schriftzüge äußerlich schlicht gehalten. In Blau, Grün, Gelb und Rot stehen einige Destinationen an der Außenwand: Berlin – Malmö – Stockholm und immer wieder „Snälltåget“, der Name des Zugunternehmens. Meine Wagennummer finde ich schnell. Gut sichtbar sind die einzelnen Nummern an den Türen angebracht. Einer separaten Reservierung bedarf es nicht, der Sitz- oder Liegeplatz wird direkt beim Ticketkauf vergeben.
Ein Liegeabteil im Nachtzug von Berlin nach Stockholm war mir zu teuer
Nachdem ich meinen Koffer die schmalen Treppen hochgeschleppt und in einem der Gepäckfächer verstaut habe, mache ich es mir auf meinem Sitzplatz im Großraumabteil bequem. Noch bin ich die Einzige im Waggon, andere Mitfahrende verschwinden in den Schlafabteilen. Ich werde die Nacht stattdessen im Sitzen verbringen – 798 SEK (etwa 69 Euro) habe ich für die Hin- und Rückfahrt gezahlt. Der Preis für einen Platz im Liegewagen war ganze 1700 schwedische Kronen, also etwa 147 Euro teurer.
Das ist aber nicht immer so: Die Preise variieren je nach Saison und Tag. Wer früh bucht, kann schon für rund 84 Euro nach Stockholm fahren – und das im Bett. Für mehr Privatsphäre lässt sich auch ein eigenes Schlafabteil buchen, das ist aber deutlich teurer. Auch wenn ich mir die Fahrt im Sitzen bereits seit Tagen unkomfortabel und nervenaufreibend vorgestellt habe, bin ich positiv überrascht: Die Sitze sind einfach, aber bequem, es gibt Steckdosen und die Beinfreiheit ist für deutsche Verhältnisse luxuriös. Außerdem hängen zahlreiche Mülltüten an der Wand – sehr praktisch.
Keine erholsame Nacht, aber in Ordnung
In Hamburg steigen einige Fahrgäste dazu, doch es bleibt ruhig im Wagen. Eine junge Frau hat sich mit ihrer Schlafmaske bereits ans Fenster gelehnt; ein Mann tippt konzentriert auf seinem Laptop. Andere schauen sich Filme auf ihren Smartphones an. WLAN gibt es im Zug nicht. Ich krame mein Nackenhörnchen heraus und kuschle mich so gut es geht unter meinen Mantel.
Wenige Stunden später wache ich vom anhaltenden Ruckeln des Zuges auf. Wir sind in einem kleinen Ort hinter der dänischen Grenze angekommen. Der Zug bleibt eine Weile stehen. Grenzpolizisten laufen durch die Wagen, doch meinen Pass muss ich heute nicht zeigen. Mehr als ein müdes Lächeln erwarten sie nicht von mir. Immer wieder ändere ich meine Sitzposition, beobachte Reisende beim Ein- und Ausladen ihrer Koffer oder amüsiere mich über einen Herrn (er mag so um die 70 Jahre alt sein), der beim Schlafen immer wieder wie eine Katze schnurrt. Zugegeben – es ist keine erholsame Nacht (Ohrenstöpsel und Schlafmaske sollte man dabeihaben), aber es ist wirklich in Ordnung.
Schwedisches Frühstück mit Ausblick
Als ich morgens gegen 6 Uhr die Augen öffne, liegt bereits der Geruch von Kaffee in der Luft. Ich blicke auf saftig-grüne Wiesen und verwunschene Birkenwälder. Immer wieder erscheint neben den Gleisen ein kleiner See, an dem verlassene Ruderboote ankern. Es ist wahrhaftig eine Bilderbuchlandschaft, wie aus den Kinderbüchern mit Pettersson und Findus. Rote, gelbe oder blaue Schwedenhäuser und idyllische Kuhweiden komplettieren den Eindruck.
Da sich mein Magen schon bemerkbar macht und ich beim Ticketkauf für umgerechnet etwa 7,70 Euro ein Frühstück dazugebucht habe (gibt es auch als vegane Variante), mache ich mich auf den Weg zum Bordbistro. Wenige Wagen weiter erwartet mich ein quirlig-munteres Treiben, Reisende unterhalten sich bei einer Tasse Kaffee, Servicekräfte begrüßen mich freundlich auf Englisch. Blau gepolsterte Sitzbänke, die an Holztischen mit goldgrünen Tischlampen stehen, schaffen eine gemütliche Atmosphäre. An der Decke hängen neben Girlanden mit der schwedischen und dänischen Flagge auch bunte Plastikblumen, die wohl anlässlich des in wenigen Tagen bevorstehenden Mittsommerfestes angebracht wurden.
Aus einem kleinen Automaten ziehe ich mir einen Tee, dazu bekomme ich einen Apfel, Apfelsaft, ein Käsebrötchen und, wie es sich in Schweden gehört – eine große, mit Hagelzucker verzierte Zimtschnecke (oder auch Kanelbulle, wie es auf Schwedisch heißt).
19 Stunden unterwegs Mit dem Nachtzug von Berlin nach Stockholm – ein Erfahrungsbericht
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Die Vorfreude auf meinen Schweden-Urlaub steigt
Die restliche Fahrt vergeht schnell. Ich bestaune die Bullerbü-Landschaft, die sich mir hinter den Zugfenstern zeigt, stelle mir immer wieder vor, zwischen den Bäumen einen Elch zu entdecken und lausche den schwedischen Gesprächen um mich herum. Deutsche sind kaum noch im Abteil, dafür umso mehr junge Schwedinnen und Schweden. Pünktlich kommen wir schließlich am Bahnhof in Stockholm an. Ich bin nicht ganz ausgeschlafen, dafür aber voller Vorfreude auf Schweden und die eindrucksvolle Landschaft, die ich während der Zugfahrt schon erleben durfte. Ich bin wirklich weit weg von Zuhause und im Urlaubsmodus mehr als angekommen.
Würde ich den Nachtzug von Berlin nach Stockholm wieder buchen? Auf jeden Fall! Er ist nicht nur eine klimafreundliche Alternative zum Flugzeug (der Nachtzug wird sogar ausschließlich mit Ökostrom betrieben), sondern auch ein kleines Abenteuer, das zu fairen Preisen sowohl kulinarisch als auch visuell auf Schweden einstimmt.