10. Juni 2023, 15:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Schwebebahn Wuppertal ist seit mehr als 120 Jahren Deutschlands wohl ungewöhnlichstes Transportmittel im regulären öffentlichen Nahverkehr. Sie steht unter Denkmalschutz, wurde auf Briefmarken verewigt und hat in ihrer langen Geschichte Preise gewonnen und sogar Kaiser befördert. Zudem hat sie für den wohl skurrilsten „Verkehrsunfall“ der deutschen Geschichte gesorgt.
Auf 13 Kilometer Strecke verkehrt in Wuppertal zwischen dem Bahnhof Oberbarmen und der Station Vohwinkel Deutschlands wohl einzigartigstes und beliebtes öffentliches Verkehrsmittel. Und das seit mehr als 120 Jahren. Als die Schwebebahn Wuppertal am 1. März 1901 zum ersten Mal Fahrt aufnahm, war sie eine wahre Pionierleistung. Heute ist sie das Symbol der Stadt und aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken, und befördert täglich mehr als 80.000 Passagiere. TRAVELBOOK erzählt ihre bewegte Geschichte.
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts sind die beiden Städte Barmen und Eberfeld, heute beide Bezirke von Wuppertal, aufstrebende Industriestädte. Deren Bürger benötigen ein zuverlässiges Verkehrsmittel, um zu ihren Arbeitsplätzen zu gelangen, wie die offizielle Seite der Schwebebahn Wuppertal berichtet. Der Kölner Ingenieur Eugen Langen bietet der Stadt schließlich sein patentiertes Konzept für eine Einschienenbahn an, die an einer Trasse hängend elegant über die Landschaft hinweg schweben soll. Am 28. Dezember 1894 erhält Langen von den eigens dafür gegründeten Hochbahnkommissionen den Zuschlag für den Bau.
„Teufelswerk“ und Kaiserbesuch
In der Reichshauptstadt Berlin erregt das Konzept für die Schwebebahn Wuppertal viel Aufmerksamkeit. Auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. versucht man sich an einem eigenen Modell, welches jedoch nie realisiert wird. In Barmen und Eberfeld dagegen beginnt im Sommer 1898 der Bau des ersten, 400 Meter langen Trassenstückes. Noch im Dezember desselben Jahres kann bei der Geschwindigkeit von 16 km/h die erste Probefahrt stattfinden. 1899 ist die Strecke bereits 660 Meter lang, die Züge 40 km/h schnell. Und noch vor der offiziellen Eröffnung kommt dann ganz hoher Besuch nach Wuppertal.
Wilhelm II. und seine Gattin Auguste Viktoria unternehmen am 24. Oktober 1900 eine Testfahrt mit der Schwebebahn Wuppertal vom Döppersberg bis Vohwinkel. Noch heute existiert der sogenannte Kaiserwagen, der das Adelspaar damals beförderte. Zu besonderen Anlässen verkehrt er immer noch und kann auch für spezielle Anlässe gemietet werden. Doch nicht alle sind begeistert von dem neuen Verkehrsmittel, im Gegenteil. Lange regt sich Widerstand gegen den Bau, der von manchen sogar als Teufelswerk verdonnert wird, und auch die Presse spart nicht mit Spott. Anwohner entlang der geplanten Strecke fürchten um den Wert ihrer Grundstücke.
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Durchschlagender Erfolg
Doch alle Kritikerstimmen verstummen, als die Schwebebahn Wuppertal am 1. März 1901 erstmal ihren regulären Betrieb zwischen den Stationen Kluse und Zoologischer Garten aufnimmt. Der Andrang ist so gewaltig, dass der morgendliche 10-Minuten-Takt bereits am selben Nachmittag auf einen 5-Minuten-Takt erhöht wird. Die Strecke ist damals 4,59 Kilometer lang, ein weiterer fast drei Kilometer langer Abschnitt wird bereits im Mai 1901 eingeweiht. Nachdem am 27. Juni 1903 auch der Abschnitt zwischen Kluse und Rittershausen freigegeben ist, können die Verantwortlichen erstmals stolz Bilanz ziehen.
19.200 Tonnen Stahl wurden auf der Trasse der Schwebebahn Wuppertal verbaut, insgesamt 427 Eisenstützen sorgen für Stabilität. 16 Millionen Goldmark hat das Prestige-Projekt am Ende gekostet. 1925, nach noch nicht einmal 25 Jahren Betrieb, hat das einzigartige Verkehrsmittel bereits 20 Millionen Passagiere befördert. Während des Zweiten Weltkrieges kommt es mehrfach durch Bombardements zu teils schweren Beschädigungen, doch immer ist die Schwebebahn nur kurz außer Betrieb. Zu Ostern 1946 läuft der Verkehr endgültig wieder rund.
Unfall mit Elefant
Am 21. Juli 1950 dann sorgt die Schwebebahn Wuppertal für den wohl bis heute kuriosesten Unfall mit einem öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland. Aus der fahrenden Bahn springt damals die Elefantendame Tuffi in den Fluss Wupper, über dem ein Großteil der Strecke noch heute verläuft. Sie überlebt mit einer leichten Blessur. Das Skurrilste: Obwohl die Presse den Dickhäuter-Transport begleitet und zum Medienereignis hochstilisiert, gibt es von dem Sturz kein einziges Foto. Denn im entscheidenden Moment waren wohl alle Anwesenden so baff, dass sie vergaßen, auf den Auslöser zu drücken.
In den Jahrzehnten darauf wird die Schwebebahn Wuppertal immer wieder modernisiert, es kommen neue Stationen und Stationsgebäude hinzu. Neue Wagentypen werden regelmäßig eingesetzt, aktuell fährt die 15. Generation. Immer wieder muss der Schwebebahnverkehr auch wegen Reparaturen oder kleinerer Unfälle ruhen. Zum 75. Geburtstag der Bahn gibt die Deutsche Post eine Sonderbriefmarke mit ihr heraus, seit Mai 1997 steht die Bahn unter Denkmalschutz. Das schwerste Unglück auf der Strecke ereignet sich am 12. April 1999, als ein Zug in die Wupper stürzt, wobei fünf Menschen ihr Leben verlieren, dazu gibt es 47 Verletzte. Dennoch nimmt der Betrieb im Juli desselben Jahres wieder Fahrt auf.
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Schweben im Drei-Minuten-Takt
Im März 2001 erscheint anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Schwebebahn Wuppertal wiederum eine Sonderbriefmarke. Es folgen millionenschwere Investitionen in die Zukunft sowie die Inbetriebnahme mehrerer Stationen. 2017 gewinnt das Verkehrsmittel in München den internationalen IF DESIGN AWARD. Wer heute mit dem besonderen Zug fahren bzw. schweben möchte, hat dazu wochentags aktuell im Takt von drei Minuten die Möglichkeit. An Samstagen fährt die Bahn alle vier, an Sonn- und Feiertagen alle sechs Minuten. Mittlerweile schwebt sie mit 60 km/h durch die Landschaft.
Die 13 Kilometer lange Strecke hat 20 Stationen. Eine Fahrt kostet aktuell laut offizieller Webseite 3,10 Euro. 24-Stunden-Tickets sind für 7,60 Euro zu haben. Mit dem Kombi-Ticket erhält man für 18,50 Euro nicht nur so viele Fahrten mit der Schwebebahn Wuppertal wie man möchte, sondern auch Eintritt in den Zoo der Stadt. Für Kinder von sechs bis vierzehn Jahre kostet der Spaß sogar nur 1,70 Euro. Alle Preise und weitere Informationen sowie den Fahrplan entnehmen Sie bitte der offiziellen Webseite.