12. Juni 2023, 12:57 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die Bahn hat mal wieder ihre Preise erhöht: Diesmal ist die Sitzplatzreservierung betroffen. War sie in der 1. Klasse bislang kostenfrei, müssen Kunden nun unter bestimmten Umständen auch in den Waggons mit höherem Komfort- und Serviceniveau extra zahlen. Auch in der zweiten Klasse kostet der Sitzplatz jetzt mehr. Für die Bahn ein gelungener Hebel zur Umsatzsteigerung, schließlich ist vielen Reisenden, wenn auch mitunter zähneknirschend, eine Fahrt im Sitzen einen Aufpreis wert. Warum unsere Redakteurin das daneben findet.
Mit dem aktuellen Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn gelten seit dem 11. Juni auch neue Regelungen für die Reservierung von Sitzplätzen. Wer bei der Deutschen Bahn Fernverkehrstickets in der 1. Klasse zum Super-Sparpreis oder zum Sparpreis bucht, bekommt keine kostenfreie Sitzplatzreservierung mehr dazu. Die Reservierung muss man im Zweifel extra dazu buchen, die Kosten dafür betragen 5,90 Euro. Außerdem sind die Reservierungen in der 2. Klasse jetzt mit 4,90 Euro 40 Cent teurer als bislang. Auch der Preis für Familienreservierungen steigt leicht um 80 Cent auf 9,80 Euro. Was Vielfahrer mit Monatskarte oder Bahncard 100 der 2. Klasse interessieren dürfte: Das Angebot der Dauerreservierung fällt mit dem Fahrplanwechsel weg. Bisher konnten sich Abo-Kunden für eine regelmäßig genutzte Strecke für 41,40 Euro ein Gutscheinheft für 46 Reservierungen kaufen, die dann binnen 31 Tagen zu nutzen waren.
Zwar handelt es sich nur um „kleine Preissteigerungen“ und Anpassungen, doch für mich kommen diese zur völlig falschen Zeit. Ich gehe sogar weiter: Ich halte das ganze System der Sitzplatzreservierung bei der Deutschen Bahn für eine Frechheit.
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Höhere Preise, wenig Leistung
Ständig unpünktliche und zu volle Züge, häufige Ausfälle, technische Mängel, eine fragliche Infrastruktur, Personalmangel, einerseits Streiks und Preiserhöhungen sowie Millionen-Boni für die Führungskräfte andererseits: Wer häufig mit der Bahn fährt, weiß, dass man oft nicht das bekommt, was man bezahlt und gebucht hat.
Erst dieses Wochenende wollte ich um 18:00 Uhr mit dem RE4 von Rathenow nach Berlin fahren. Das ist eigentlich eine Strecke mit einer knappen Stunde Fahrzeit. Der Zug verspätete sich jedoch um 46 Minuten. Genervt stieg ich ein, da ich in Berlin verabredet war und nun zu spät kommen würde. Im Zug waren mehr als 40 Grad und statt des Pfeiftons zum Losfahren ertönte die Stimme des Lokführers: „Liebe Reisende, wer gestern schon mit diesem Zug gefahren ist, den dürfte es nicht überraschen. Unsere Lok ist wieder einmal maßlos überhitzt und wir können so auf keinen Fall weiterfahren. Sie können sich mindestens noch 30 Minuten draußen abkühlen.“ Draußen waren 28 Grad. Außerdem gibt es am Bahnhof keine Toiletten und unter den Fahrgästen waren viele Ältere und auch einige Gehbehinderte. Genauso wenig wie wir kühlte die Lok ab: Wir stiegen schließlich fast anderthalb Stunden später in einen Ersatzzug. Eine Ausnahme? Keinesfalls! Im Gegenteil: Ich fahre oft mit der Bahn und es ist eher die Ausnahme, die gebuchte Leistung wirklich zu erhalten. Das gilt auch für gebuchte Sitzplätze.
Kein Sitzplatz trotz Reservierung? Standard bei der Bahn!
Denn auch wenn man einen garantierten Sitzplatz reserviert und bezahlt hat, muss man oft genug auf eben jenen verzichten. Ein paar Beispiele: Sie haben etwa einen Platz im Wagen 23 gebucht? Überraschung: Den gibt es heute nicht. Sei es, weil „etwas“ am Wagen war, weil satt der gebuchten Verbindung ein Ersatzzug fährt, der gar keinen Wagen 23 hat oder weil schlichtweg der ganze Zug ausgefallen ist. Im letzten Fall hat man Glück, wenn man überhaupt noch einen freien Platz findet. Zwar gibt es in diesen Fällen von der Bahn das Geld für die Sitzplatzreservierung zurück. Doch ist das fair?
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Nehmen wir einmal an, Sie haben eine ICE-Fahrt von Berlin nach München in der zweiten Klasse für 152 Euro gebucht und den Sitzplatz für 4,90 Euro reserviert (aktueller Flex-Ticketpreis vom 12. Juni). Aus einem der oben aufgeführten Gründe haben Sie kein Anrecht auf Ihren reservierten Sitzplatz. Dann können Sie sich die Reservierungskosten für den Platz erstatten lassen – doch für 152 Euro sitzen Sie im Zweifelsfall 4 Stunden auf dem Boden.
Stellen wir uns das System der nicht garantierten und gebuchten Leistung einmal bei einer Hotel-Buchung vor. Sie buchen ein Zimmer für 152 Euro, das Bett muss allerdings für 4,90 Euro reserviert werden – eine Garantie gibt es dennoch nicht. Sie checken im Zimmer ein und das Bett ist nicht vorhanden. Kein Problem? Sie schlafen im Stehen und bekommen die 4,90 Euro für die Bett-Reservierung zurück. Passt doch, oder? Natürlich ist das überspitzt, aber es zeigt, dass dieses vorgehen eigentlich eine Frechheit ist.
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Wie wäre es mal mit einer echten Sitzplatzgarantie?
Es wäre etwas anderes, wenn bei der Bahn auch Stehplätze zu vergünstigten Konditionen angeboten würden. Oder, wenn Sie die Kosten für einen reservierten Sitzplatz zurückerstattet bekämen, weil es noch viele freie Sitze in dem Zug gab. Aber Fairness ist bei der Bahn eben oft eine Einbahnstraße, wie auch die aktuellen Verschlechterungen der Fahrgastrechte bei Verspätungen oder Zugausfällen zeigen.
Die aktuellen Erhöhungen und Anpassungen rund um den Sitzplatz zeigen mir wieder einmal, dass die Bahn in einer ganz eigenen Klasse rangiert. Ich finde es irre, dass man bei den extrem hohen Preisen in der 1. Klasse nun vielfach kein Anrecht mehr auf einen Platz hat. Immerhin kostet eine Fahrt im ICE von Berlin nach München im Super-Sparpreis der 1. Klasse 213,90 Euro (aktueller Preis vom 12. Juni). Und selbst mit einer Reservierung: Eine Garantie gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht.
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Meiner Meinung nach ist die Reservierungsgebühr bei der Deutschen Bahn ohne Sitzplatzgarantie einfach ein schlechter Scherz. Entweder, die Bahn kümmert sich darum, dass in Zukunft ein reservierter Sitzplatz auch wirklich verfügbar ist. Oder, die Rückerstattung fällt deutlich höher aus – quasi als Entschädigung für mangelnde Service-Leistung. Denn sicher hätte manch einer eine Reise nie gebucht, wenn er vorher gewusst hätte, dass diese stehend oder auf dem Boden sitzend verbracht werden muss. Ist das gegeben, kann man, wie ich finde, über Erhöhungen der Reservierungspreise nachdenken – aber offensichtlich sieht die Bahn das anders.