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Meinung

Warum ich der Sitzplatz-Anzeige der Deutschen Bahn nicht traue

Die Deutsche Bahn informiert in der App darüber, wie voll die Züge sind – nur mit der Realität stimmt das nicht immer überein
Die Deutsche Bahn informiert in der App darüber, wie voll die Züge sind – nur mit der Realität stimmt das nicht immer überein Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Sven Kanz/Geisler-Fotopress
Larissa Königs
Larissa Königs Autorin

5. August 2023, 13:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Unsere Redakteurin Larissa Königs fährt mehrmals pro Monat mit der Deutschen Bahn quer durch Deutschland. Häufig lange Strecken, auf denen sie ungern stundenlang stehen will. Doch wann sich eine Sitzplatzreservierung lohnt, ist nicht immer klar ersichtlich. Erst recht nicht, seit die DB in der Buchungsapp eine neue Auslastungsanzeige hat …

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Es ist lange her, dass ich das letzte Mal auf einer Bahnfahrt im ICE oder IC stehen musste. Eigentlich finde ich fast immer einen Sitzplatz, auch wenn ich manchmal länger suchen oder den Platz zwischendurch wechseln muss. Das ist an sich eine tolle Sache. Allerdings dürfte das laut der Deutschen Bahn gar nicht sein. Denn bei so gut wie jeder Fahrt, die ich buche, wird mir gesagt, dass der Zug so ausgelastet sei, dass ich mir besser eine Sitzplatzreservierung holen soll. Wie kann das sein?

Das System der Auslastungsanzeige der Deutschen Bahn

Die Auslastungsanzeige der Bahn funktioniert wie folgt: Während der Buchung wird dem Nutzer ungefragt mitgeteilt, wie voll der Zug voraussichtlich sein wird und zusätzlich eine Empfehlung ausgesprochen, ob sich eine Sitzplatzreservierung lohnt. Die Auslastungsanzeige ist dabei eine „Prognose auf Basis der historischen Auslastungswerte (Zählungen im Zug) sowie der bereits eingegangenen Buchungen für die jeweilige Verbindung“, erklärt eine Bahnsprecherin auf TRAVELBOOK-Nachfrage. Das heißt: Die Auslastung an einem Freitagnachmittag wird auf Basis der bisherigen Ticketverkäufe und auf dem Erfahrungswert, dass dort regelmäßig viele Menschen reisen, gebildet. Da sich das Reiseverhalten in vielen Fällen ähnelt, sei das Verfahren „erprobt und zuverlässig“.

So weit, so schlüssig. Nun aber kommt der erste Haken. Denn es gibt bei der Auslastungsanzeige vier Stufen. Stufe 1: „Geringe bis mittlere Auslastung“. In diesem Fall teilt die Bahn mit, es gebe vermutlich genügend freie Plätze. Stufe 2: „Hohe Auslastung“ – die Bahn empfiehlt eine Sitzplatzreservierung. Stufe 3: „Sehr hohe Auslastung“ – die Bahn empfiehlt eine Sitzplatzreservierung. Und Stufe 4: „Außergewöhnlich hohe Auslastung“ – die Bahn empfiehlt, nur dann zu fahren, wenn man bereits ein Ticket gekauft hat und, Sie ahnen es schon, eine Sitzplatzreservierung hat.

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Ist die Auslastungsanzeige bewusst irreführend?

Nun könnte man also meinen, dass es in drei von vier Fällen sinnvoll wäre, einen Sitzplatz zu reservieren. Doch ich sage: Das ist Unfug. Aus eigener Erfahrung. Denn sowohl bei Stufe 2 als auch Stufe 3 habe ich bislang immer einen Sitzplatz gefunden – auch ohne Reservierung. Allein bei Stufe 4 würde ich ebenfalls dazu raten.

Tatsächlich gibt die Bahn zu, dass „für volle Züge mehr Reservierungen erworben [wurden] als vor der Einführung der Auslastungsanzeige“.

Des Weiteren erklärt eine Bahnsprecherin, dass es unterschiedliche Gründe für Abweichungen gebe. So könne man etwa tagesaktuelle Ereignisse nicht prognostizieren. Das stimmt natürlich – auch die Bahn weiß einen Monat im Vorfeld nicht, ob an meinem Reisetag eine andere Verbindung verspätet ist oder ausfällt oder ob irgendeine Strecke wegen eines Unfalls gesperrt ist. Außerdem bezögen sich die Informationen zur Auslastung auf den gesamten Zug und die Auslastung könne von Abteil zu Abteil variieren. Heißt konkret: Auch wenn ein Abteil in der Mitte des Zuges voll ist, kann es im hinteren Teil noch mehrere freie Plätze geben.

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Ein voller Zug – ach ne, doch nicht

Hinzu kommt, so die Bahn, dass sich die Information auf den gesamten Streckenabschnitt bezieht, der angefragt wird. „Manchmal ist beispielsweise nur das erste oder letzte Teilstück ausgebucht, der größere Teil der Strecke aber nicht ungewöhnlich ausgelastet“, erklärt die Sprecherin mir. Das deckt sich mit meinen, teils wirklich skurrilen Erfahrungen. So musste ich zum Beispiel vor einiger Zeit von Berlin nach Stendal fahren. Die gewünschte Verbindung war jedoch laut Bahn „außergewöhnlich hoch ausgelastet“. Ich musste sie trotzdem nehmen, denn ein späterer Termin konnte nicht verschoben werden. Ich rechnete beim Einsteigen also mit Chaos und einem „Sitzplatz“ auf dem Fußboden im Gang. Doch tatsächlich waren mehrere Wagen nur zur Hälfte besetzt. Denn das große Gedrängel sollte laut der Bahn erst ab Hannover losgehen. Tatsächlich ist es nämlich möglich, zu schauen, wie stark die Teilstücke ausgelastet sind – allerdings nur im Fahrtverlauf.

Aber wäre es dann nicht viel sinnvoller, den Kunden nur anzuzeigen, auf welchem Abschnitt der Zug wie stark ausgelastet ist, damit sie selbst entscheiden können, ob sich die Reservierung wirklich lohnt? Laut Bahn nicht. „Mit der Anzeige möchten wir es unseren Kunden leichter machen, ggf. auf einen weniger nachgefragten Zug auszuweichen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht entscheidend, auf welchen Streckenabschnitten ein Zug im Detail übermäßig stark besetzt ist“, so die Bahnsprecherin. Das sehe ich anders – aber nun gut.

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Abschließend bleibt zu sagen: Wer wirklich absolut sichergehen will, dass er immer einen Sitzplatz bekommt (und diesen auch während der kompletten Reise behält) sollte natürlich reservieren. Auch bei Gruppen, die zusammensitzen wollen, und Familien empfiehlt sich eine Reservierung auf jeden Fall. Allerdings werde ich auch weiterhin eher auf mein Bauchgefühl setzen als auf die Auslastungsanzeige der Deutschen Bahn.

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