18. Mai 2021, 13:28 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Wer umweltbewusst reisen möchte, aber kein Auto besitzt, hat es in Europa oft schwer. Viele Zugverbindungen sind nicht nur teuer, sondern dauern auch wirklich lange. Ein Beispiel: Wien konnte man von Berlin aus bislang mit der Bahn in achteinhalb Stunden erreichen, mit dem Flugzeug war es knapp eine Stunde. Doch die Bahn möchte jetzt auf der Strecke gegensteuern. Wobei „jetzt“ sich auf einen relativ langen Zeitraum bezieht…
Deutschland, Tschechien und Österreich wollen die Zugstrecke von Berlin nach Wien ausbauen. In der Folge soll dann eine Reise in fünf Stunden möglich sein. Darauf haben sich die drei Länder nach Angaben von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am Montag geeinigt. Die Verbindung über Dresden und Prag soll Teil eines europäischen Netzes neuer Bahnverbindungen sein, die auch Nachtzüge beinhalten, wie der CSU-Politiker mitteilte.
Die Strecke ist Teil eines sogenannten „Trans-Europ-Express TEE 2.0“-Konzepts, das während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im September 2020 präsentiert worden war. Es sieht den Ausbau von Schnellbahnstrecken zwischen europäischen Metropolen vor. Dazu gehört auch der verstärkte Einsatz von Nachtzügen durch Europa. Scheuer verwies darauf, dass der Ausbau der Schiene sowohl für den Personen- als auch Güterverkehr nötig sei, um die Klimaziele zu erreichen.
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Wann geht die neue Zugstrecke Berlin – Wien in Betrieb?
Doch der angepriesene „Ausbau der Schiene“ geht nicht so schnell, wie Bahnreisende vielleicht hoffen würden. Denn mit einer Fertigstellung der Verbindung Berlin-Wien rechnet man für Mitte der 2030er-Jahre, also in circa 15 Jahren. Der Grund liegt laut Verkehrs-Staatssekretär Enak Ferlemann darin, dass für die Strecke erst einmal ein Tunnel durch das Erzgebirge gebaut werden muss. Kleiner Lichtblick ist allerdings, dass die Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Berlin und Dresden immerhin schon 2025 fertig sein soll.
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Ziel des neuen Konzepts der EU ist es, dass Kurzstreckenflüge nicht mehr nötig sind. Dass das System funktioniert, zeigt etwa der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin-München. Hier konnte der Flugverkehr um 30 Prozent reduziert werden.
(Mit Material von Reuters)
Kommentar: Das Tempo der Deutschen Bahn
Vergangenes Jahr wollte ich eigentlich mit der Bahn von Berlin nach Wien fahren. Schlussendlich hat mir zwar die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber gebucht hatte ich das Ticket schon. Deswegen erinnere ich mich noch ziemlich genau an das Gefühl, knapp das Doppelte für ein Bahnticket im Vergleich zum Flieger auszugeben, bei einer Fahrtzeit, die mehr als dreimal so lange ist. Da muss das Umweltgewissen schon sehr groß sein, damit man sich so etwas leisten kann – sowohl finanziell als auch zeitlich.
Es macht also absolut Sinn, dass die Bahn solche Strecken nun ins Visier nimmt. Aber für all jene, die sich nun freuen, ist die Tatsache, dass die Strecke erst in knapp 15 Jahren kommen wird, ein Schlag ins Gesicht. Zumal Verzögerungen bei solchen Großprojekten nicht unwahrscheinlich sind und das Tempo der DB beim Streckenaufbau bislang eher im Bereich „unterdurchschnittlich“ rangierte. Wenn also das Ziel der Bahn und der Bundesregierung ist, Kurzstreckenflüge obsolet zu machen, sollte man sich eventuell Gedanken machen, ob nicht eine finanzielle Erleichterung jetzt schon Sinn ergeben würde. Denn was es für den Klimawandel bedeutet, wenn wir uns noch eine gute Dekade Zeit lassen, wurde in der Vergangenheit schon mehr als genug behandelt.
Larissa Königs, Redakteurin TRAVELBOOK