30. November 2024, 6:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wenn Touristen nach Sachsen kommen, führt es sie nach Dresden, in die Sächsische Schweiz oder ins Erzgebirge. 2025 rückt Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas in den Blick. Was gibt es zu entdecken?
Die Entscheidung, Chemnitz zur Kulturhauptstadt Europas 2025 zu ernennen, rief anfangs Erstaunen hervor. Denn das einstige „Manchester Sachsens“, das zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Stadt hieß und im Ruf einer sozialistischen Musterstadt stand, gilt als eher trist. Doch Chemnitz hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Mit kulturellem Reichtum und dem Motto „C the Unseen“ überzeugte die Stadt die Jury und setzte sich gegen andere wie Nürnberg, Hannover und Magdeburg durch.
Sachsen Europäische Kulturhauptstadt 2025 – die besten Tipps für Chemnitz
Die Highlights in der Kulturhauptstadt Chemnitz
Villa Esche: Jugendstiljuwel und architektonisches Highlight
Die Villa Esche im Südwesten von Chemnitz gehört zu den beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Kunsthistorikerin Anika Reineke, Leiterin des Museums, führt Besucher durch das Bauwerk, das vom belgischen Jugendstilpionier Henry van de Velde entworfen wurde. „Es war sein erster Architekturauftrag in Deutschland“, erklärt Reineke. Neben der Gestaltung der Villa schuf van de Velde auch das Interieur, von Möbeln über Beleuchtung bis hin zum Speiseservice.
Die Villa ist zudem ein Symbol für Chemnitz’ industrielle Blütezeit, als wohlhabende Fabrikanten wie die Strumpfherstellerfamilie Esche moderne Kunst in die Stadt brachten. Auch der berühmte norwegische Maler Edvard Munch wurde engagiert, um die Familie sowie die Landschaft rund um Chemnitz in seinen Werken festzuhalten. Im Kulturhauptstadtjahr 2025 werden deshalb umfangreiche Ausstellungen zu van de Velde und Munch zu sehen sein.
Vom Theaterplatz bis zur Marx-Büste
Chemnitz lädt zu einer Erkundungstour ein, bei der sich viele Sehenswürdigkeiten leicht erreichen lassen. Vom Hauptbahnhof etwa führt der Weg zum Theaterplatz mit dem Opernhaus, dem König-Albert-Museum und der Petrikirche. Und wenige Meter weiter erwartet Besucher das wohl bekannteste Wahrzeichen der Stadt: die monumentale Karl-Marx-Büste, im Volksmund „Nischel“ genannt. Der 40 Tonnen schwere Bronzekoloss ist ein beliebtes Fotomotiv und ziert Souvenirs aller Art.
Ikonen der Moderne: Kaufhaus Schocken und Tietz
Einen kurzen Spaziergang vom Stadtzentrum entfernt steht auch das ehemalige Kaufhaus Schocken, ein Meisterwerk von Architekt Erich Mendelsohn aus dem Jahr 1930. Heute beherbergt es das Staatliche Museum für Archäologie, das 2025 auch die Bergbaugeschichte des Erzgebirges thematisiert. Nicht weit entfernt bietet das Tietz-Gebäude Raum ebenfalls für kulturelle Vielfalt. Neben dem Naturkundemuseum und der Neuen Sächsischen Galerie ist hier auch die Bibliothek des Schriftstellers Stefan Heym untergebracht. Der Autor des Buches „5 Tage im Juni“ über den Volksaufstand in der DDR galt als wichtigste Stimme der oppositionellen Literatur in der DDR. Eine Ausstellung informiert über sein Leben und Werk.
Kunstinteressierte sollten darüber hinaus dem Innenstadtring zum Museum Gunzenhauser folgen. Das Ex-Bankgebäude beherbergt die Sammlung des gleichnamigen Münchner Galeristen. Mehr als 3.000 Werke von 270 Künstlern – vor allem Otto Dix, Alexej von Jawlensky, Willi Baumeister und Gabriele Münter – sind hier zu sehen.
Jugendstil und Gründerzeit auf dem Kaßberg
Ein Höhepunkt abseits des Zentrums ist der Kaßberg, eines der größten Jugendstil- und Gründerzeitviertel Europas. Stadtführerin Veronika Leonhardt erklärt: „Hier entstanden ab 1855 mehr als 750 denkmalgeschützte Gebäude und Fassaden.“ Besonders die Majolika-Häuser mit ihren kunstvollen Keramikverzierungen ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Das Viertel war Heimat berühmter Persönlichkeiten wie der Bauhaus-Künstlerin Marianne Brandt und Schauspieler Matthias Schweighöfer.
Auftakt zum Kulturhauptstadtjahr
Das Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz beginnt am 18. Januar 2025. Mit über 400 Seiten Programminformationen und zahlreichen Projekten rechnet die Stadt mit rund zwei Millionen Besuchern. Neben Chemnitz tragen Nova Gorica und Gorizia in Slowenien und Italien den Titel der Kulturhauptstadt Europas. Besucher dürfen sich auf ein Jahr voller inspirierender Erlebnisse freuen, die das Beste aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereinen.
Was Chemnitz als Kulturhauptstadt plant
Eine Vielzahl an Veranstaltungen ist geplant. Das frühere Chemnitzer Braunkohlekraftwerk mit seiner weithin sichtbaren Esse wird zu einer Galerie für zeitgenössische Kunst, und mehr als 30 Museen der Region präsentieren Exponate in einem „Museumcircle“ nach John Cage.
Auch die Sportkultur wird gefeiert: Dazu ist unter anderem am 18. Mai ein Marathonlauf geplant, zu dem sich schon mehr als 2.500 Läufer angemeldet haben. Zu den Vorhaben gehören ein Kunst- und Skulpturenpfad, der die Stadt mit dem Umland verbindet, ebenso wie Festivals zu Musik, Tanz und Straßenkunst.
Open-Air-Konzerte sind ebenfalls geplant: So wird am 6. August Bryan Adams („Summer of ’69“) auf der Küchwaldwiese erwartet, am 10. August der Rapper Sido („Bilder im Kopf“). Erste Ausstellungen laufen bereits, darunter die Bergbau-Schau „Silberglanz & Kumpeltod“ des Archäologiemuseums sowie „Reform of Life & Henry van de Velde mittendrin“ der Kunstsammlungen Chemnitz.
Mit Material von dpa