27. Februar 2024, 18:54 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Den kleinen Ort Riviera del Sol an der Küste von Andalusien hätte unser Autor wohl nie entdeckt, würde nicht ein Freund von ihm dort leben. Zwischen den beiden bekannten Städten Málaga und Marbella gelegen, verbrachte er hier die entspanntesten Tage eines mehrwöchigen Urlaubs. Was er fand, war Entschleunigung statt Action, Erholung statt Adrenalin. Und die Erkenntnis, dass ein Reiseziel nicht immer so spektakulär wie möglich sein muss.
Als ich kürzlich eine Reise plante, stieß ich unverhofft auf einen wahren Schatz: Einen für mich völlig weißen Flecken auf der Landkarte. Mein Flug sollte zunächst nach Málaga an Spaniens Costa del Sol gehen, einem der beliebtesten Orte überhaupt für deutsche Winterflüchtlinge. Von da aus wollte ich nach Gibraltar, einfach, um es mal gesehen zu haben. Weiter gehen würde es mit der Fähre nach Marokko, und von dort aus eben wieder zurück. Und mittendrin lag ein kleines Nest, in dem ein Freund wohnte, das mir aber neben den vermeintlich großen anderen Namen so überhaupt nichts sagte: Riviera del Sol.
Ich recherchierte dann auch gar nicht weiter, wollte mich von dem „Fund“, etwa anderthalb Fahrstunden mit den öffentlichen Verkehrsmittel von Málaga entfernt, komplett überraschen lassen. Und fand in Riviera del Sol letztendlich noch viel mehr, als ich zu träumen gewagt hatte. Einen Ort nämlich, der zwar auf den ersten Blick durch völlige Abwesenheit von Attraktionen auffiel. Wo ich mich aber umso bewusster tatsächlich aufhielt, um letztlich doch jede Menge Spannendes und Schönes zu entdecken. Und ich möchte mir gerne einbilden, das das letztlich den Reisenden vom Touristen unterscheidet. Zu sehen und wahrzunehmen, was man eben sieht. Und nicht nur das, was man zu sehen gekommen ist.
Die Ruhe vor dem Ansturm
Schauplatz Estación de Málaga-María Zambrano, zentraler Umsteigebahnhof der Stadt: Hier treffe ich meinen Freund Felipe, um mit ihm nach Riviera del Sol aufzubrechen, wo er seit zwei Jahren lebt. Zunächst nehmen wir den Regionalzug C-1 nach Fuengirola, von dort aus dann den Bus M220, der bis Marbella weiterfährt. Die Strecke zieht sich endlos hin, dann, völlig unerwartet, der Ausstieg an einer Haltebucht mitten an der Schnellstraße. Es ist schon später Abend, die weißen Fronten der Häuser heben sich gegen den dunklen Himmel ab. Der Cor-Supermarkt, geöffnet sieben Tage die Woche quasi durchgehend, sendet als einziger Ort Lebenszeichen. Ansonsten weg von der Straße vollkommene, herrliche Ruhe.
Schon bei dem kurzen Spaziergang zu Felipes Wohnung stelle ich fest, dass es sich bei Riviera del Sol de facto um eine Retortenstadt handelt. Sämtliche Wohneinheiten sind Ferienhäuser mit diversen Parzellen, alles sehr nobel, sauber. Auf dem mit Digitalcode abgesperrten Gelände von Felipes Zuhause ein großer Gemeinschaftspool für die Anwohner, der verheißungsvoll blau leuchtet. An manchen Türen Namensschilder, ein Hinweis auf Wohneigentum, einen erfüllten Ferientraum, ansonsten, Ende Januar, noch großer Leerstand. Die Menschen, so erklärt mir Felipe, kämen alle im Sommer, und dann sei es hier brechend voll. Ein Hoch auf die Nebensaison.
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Ein Paradies für Sportler
Am nächsten Morgen hebt sich meine Stimmung noch mehr, denn direkt von Felipes Balkon aus sieht man das nahe Meer. Nur wenige hundert Meter sind es von der Anlage bis zum Strand. Vorbei am Prinzessin-Diana-Park, wohl den zahlreichen englischen Feriengästen und Dauerurlaubern zu Ehren so benannt. Am Eingang des eher als Grünstreifens zu bezeichnenden Terrains ein Hinweisschild: „Kaninchen aussetzen verboten!“ Leider gelang es mir während meines Aufenthaltes nicht herauszufinden, was es nun damit auf sich hatte.
Das Herz von Riviera del Sol aber, und auch in der Nebensaison stets gut besucht, ist der Sportclub „R11“. Mehrere Felder für Tennis und Pádel, eine Abwandlung des Spiels, ein Fitness-Studio, eine Restaurant-Bar, auf der man das ganze Geschehen gut im Blick hat. Hier, so lasse ich mir sagen, trainieren auch regelmäßig einige der hoffnungsvollsten Nachwuchstalente des Tennissports aus der ganzen Welt, allgemein ist Andalusien wegen seines stets angenehmen Klimas bei Athleten beliebt. Wir genießen lieber ein entspanntes Frühstück auf spanische Art: Pan con Tomate, ein geröstetes Brot mit Tomatenmus und Olivenöl. Dazu ein oder zwei Café con Leche, der herrliche spanische Milchkaffee, unbedingt im Glas zu servieren.
Entspannung am Meer
Am Wochenende ist dann im „R11“ auch in der Nebensaison mitunter schon ordentlich was gefällig, wenn der angeschlossene Nachtclub seine Pforten öffnet. Zu Latino-Beats steppt dann hier ganz Riviera del Sol, und auch durchaus ältere Jahrgänge werfen sich in Schale. Bis spät in die Nacht wird getanzt, getrunken und geflirtet. Seit mehr als 12 Jahren glücklich vergeben, halte ich mich bei diesen Balzritualen lieber abseits. Und beobachte umso erstaunter und amüsierter, wie mein Freund Felipe, kolumbianischer Abstammung, gleich mehrere Damen, die zum Teil vom Alter her auch seine Mutter sein könnten, absolut souverän über das Parkett wirbelt.
Wer nach einer solch langen Nacht Entspannung sucht, der findet sie am besten am Strand. Zu hören nur das Rauschen der Wellen und das Gekreisch der Möwen. Die Sonne wärmt hier auch im Januar schon so herrlich, dass man das T-Shirt ausziehen und sich bräunen kann. Baden gehe ich aber nur ganz kurz, das Wasser noch empfindlich kalt. Doch auch nur mit den Füßen im Meer die Promenade entlang zu schlendern entschleunigt wunderbar, lässt den auf Dauer-Action getrimmten Organismus sogleich herunterfahren. Die Luft frisch und salzig, in der Ferne ein paar Schiffe, ansonsten nur blaue Weite, bis zum Horizont und darüber hinaus.
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5000 Euro Tagesumsatz
Alternativ zur Entspannung lockt ein moderner Bohlensteg zu einem Spaziergang, der von Riviera del Sol fast bis ins etwa 20 Kilometer entfernte Marbella führt. Eine Wanderung fast schon, und bei gemächlichen Tempo – und welches andere Tempo kann es im Urlaub schon geben – sicher eine Tagesaufgabe. Entlang des sogenannten Senda Litoral, also des Weges, zahleiche Dinge, die man wohl nur hier als Sehenswürdigkeiten bezeichnen würde. Der Torre de Calahonda zum Beispiel, ein gut erhaltener Wachturm aus dem 16.Jahrhundert. Zahlreiche Informationstafeln klären auch auf Englisch über die fragile und schützenswerte Küstenvegetation und ihre Fauna auf.
Immer wieder locken Restaurants zur Einkehr, an Wochenenden brechend voll, jeder sucht hier seinen persönlichen Platz an der Sonne. Live-Musiker spielen softe Versionen bekannter Hits auf dem Saxofon. Ein paar Mutige versuchen sich an wackligen Tanzschritten. Kinder lärmen und rennen lachend umher. Aus mehrfacher Erfahrung kann ich das elegante „Capricho“ empfehlen, das von Riviera del Sol zu Fuß vielleicht maximal eine halbe Stunde entfernt ist. Direkt auf einer kleinen Klippe über dem Meer gelegen, serviert man hier den Fang des Tages, zu gerade noch verkraftbaren Preisen. Einer der Kellner verrät uns, täglich setze man hier auch in der Nebensaison 5000 Euro um. Im Sommer sei es mehr als das Doppelte.
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Entschleunigung statt „Höher, schneller, weiter“
Weiter führt der Weg dann Richtung Cabopino und Artola, und hier werden auch die vorher eher schmalen Strandstreifen breit und weitläufig. Höhepunkt der Wanderung sind dann die Dünen von Artola, ein kleines, sehr schönes Naturschutzgebiet. Die ansonsten karge bzw. eigentlich kaum vorhandene Flora weicht hier einem lichten Nadelwald, durch den wiederum ein Bohlensteg führt. Die Wiesen gesäumt von gelben Blumen-Teppichen, Strandhafer und Wacholder ergänzen das Natur-Gemälde. Früher ein 20 Kilometer langer Streifen entlang der Küste, sind die Dünen von Artola ein letztes und darum umso wertvolleres Überbleibsel einer nun verschwundenen Landschaft.
Wer die Promenade von Riviera del Sol aus in die andere Richtung läuft, landet nach kurzer Zeit in der Kleinstadt Cala de Mijas. Hier künden gleich mehrere flughafenterminal-große Einkaufsmalls davon, dass die Zivilisation und der Überfluss quasi gleich um die Ecke liegen. Wer lieber zuhause kocht als essen geht, wird jedenfalls im örtlichen Carrefour unter anderem an der Fischtheke zu sensationellen Preisen mehr als fündig. Vielleicht noch eine leckere Süßigkeit oder auch nur einen weiteren Café con Leche in der Bäckerei „Bsweet“, dann geht es im entspannten Schlenderschritt wieder nach Hause.
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Es sind Orte wie Riviera del Sol, die mir auf meinen Reisen immer wieder zeigen, dass unterwegs nicht alles immer „Höher, schneller, weiter“ sein muss. Orte, an denen das Herz sich einmal so richtig ausruhen kann, statt in der stets zu knappen zugemessenen Urlaubszeit gleich wieder zur nächsten vermeintlichen Attraktion weiter zu hetzen. Denn in der Abwesenheit von sogenannten „Sehenswürdigkeiten“ wird man mitunter etwas viel wertvolleres finden: Sich selbst, endlich wieder in einem autonomen Takt lebend. Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, hoffentlich bald für noch mehr „Nichts “an die Küste von Andalusien zurückzukehren.