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9 Millionen Reisende mehr geplant

TRAVELBOOK-Autor über neuen Flughafen: »Wie soll Kreta doppelt so viele Touristen noch verkraften?

Zu alt, zu klein: Der Flughafen von Heraklion hat bald ausgedient – doch der neue Flughafen in Kastelli wird ganz neue Probleme mit sich bringen, findet unser Autor
Zu alt, zu klein: Der Flughafen von Heraklion hat bald ausgedient – doch der neue Flughafen in Kastelli wird ganz neue Probleme mit sich bringen, findet unser Autor Foto: UCG/Universal Images Group via Getty Images; Privat
Yannic Stock
Redakteur

31. Juli 2024, 17:56 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Kreta ist eine der schönsten Inseln des Mittelmeers und mittlerweile nicht nur für europäische Urlauber ein Hotspot. Vor allem in der Hochsaison wird es an den Stränden und in den Altstädten nahezu unzumutbar voll – und auch die Flughäfen sind längst überlastet. Unser Autor meint: Der neue, im Bau befindliche Mega-Flughafen wird die Lage noch verschlimmern.

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Wer seinen Kreta-Aufenthalt am Flughafen Heraklion startet, staunt nicht schlecht: Urlauber berichten von katastrophalen sanitären Anlagen, Problemen mit der Sauberkeit und einem maroden Gesamtzustand. So ist es wenig verwunderlich, dass der Flughafen Heraklion nach einer Analyse der britischen Unternehmensberatung Skytrax einen fragwürdigen Titel tagen darf. Denn er ist offiziell der schlechteste Flughafen Europas.

Auch ich durfte den vermeintlichen Horror-Flughafen in meinem Sommerurlaub im vergangenen Jahr hautnah erleben. Und tatsächlich – alles, was man über den Flughafen an negativen Kommentaren online finden kann, trifft scheinbar zu. Dazu zählt neben dem verwahrlosten Flughafengebäude selbst auch die Tatsache, dass der Flughafen nicht annähernd für das horrende Passagieraufkommen ausgelegt ist. Im Hochsommer stapeln sich die Touristenmassen oft regelrecht in der Check-in-Halle. Kein Wunder: Laut der griechischen Wochenzeitung „Ethnos“ überschreitet der Flughafen Heraklion seine Kapazitäten in den Sommermonaten um bis zu 60 Prozent. Den Berichten zufolge wurden hier 2023 mehr als 8,7 Millionen Passagiere abgefertigt; dieses Jahr rechnet man mit mehr als 9,2 Millionen.

Neuer Flughafen Kastelli ist das Mega-Projekt auf Kreta

Die gute Nachricht für Reisende: Ein neuer Flughafen im Umland von Heraklion, genau genommen im 30 Kilometer entfernten Kastelli, ist längst im Bau. Ursprünglich war die Eröffnung bereits für kommendes Jahr geplant. Aktuell rechnet man damit, den Kastelli Airport 2027 in Betrieb nehmen zu können. Unter anderem sorgte kürzlich der Fund von archäologischen Überresten aus der Zeit der Minoer, aus der auch die Palastanlage von Knossos stammt, für erneute Verzögerungen beim Bau. Das berichtet unter anderem „Augsburger Allgemeine“.

Der neue Flughafen ist das Mega-Infrastruktur-Projekt der Insel, über das jeder redet. So wird er zwar etwas weiter draußen liegen als der bisherige Heraklion Airport; jedoch wird er durch eine neue Autobahn erschlossen, die den Norden und Süden der Insel künftig besser miteinander verbinden wird. Der neue Airport soll mit seinen 94.000 Quadratmetern Fläche an 19 Gates laut „Augsburger Allgemeine“ bis zu 10 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen können – vorerst. Zu einem späteren Zeitpunkt soll die Kapazität noch erweitert werden: nämlich auf unglaubliche 18 Millionen Passagiere. Damit könnte Kastelli in naher Zukunft doppelt so vielen Touristen wie bisher den Zugang nach Kreta ermöglichen. Und das könnte für die Insel fatale Folgen haben.

Touristen drängeln sich an immer mehr Orten

Denn bereits jetzt ist Kreta, wie viele andere griechische Inseln und Regionen sowie zahllose weitere Orte in Europa und rund um die Welt, mit der steigenden Beliebtheit zunehmend überfordert. Das zeigt sich zum Beispiel in Chania. Kretas zweitgrößte Stadt mit dem schönen Hafen und den malerischen Altstadtgassen ist der Liebling der Touristen – zum Leidwesen der Einwohner. Unser Autor Robin Hartmann war erst kürzlich vor Ort in Chania und sprach mit den Einheimischen über die zunehmende Verdrängung durch den Reise-Boom.

Und auch mich zog es dieses Jahr wieder nach Kreta. Diesmal reiste ich dabei über den zweiten Flughafen Kretas an, der auf einer Halbinsel im Norden Chanias liegt. Laut offiziellen Angaben des Betreibers Fraport, der für mehrere große griechische Flughäfen verantwortlich ist, wurden hier im Jahr 2023 weitere 3,7 Millionen Passagiere abgefertigt. Das heißt: Insgesamt bereisten 2023 weit mehr als 12 Millionen Menschen Kreta auf dem Luftweg. Und diese kommen mittlerweile von überall auf der Welt.

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Davon konnte ich mich bei einem Ausflug in die Samaria-Schlucht selbst überzeugen. Die längste Schlucht Europas ist eine der Attraktionen auf Kreta. Ein nicht gänzlich unanspruchsvoller Wanderweg führt hier 12 Kilometer bergab bis an die Küste. Eine Wanderung von rund fünf bis sechs Stunden, durch Flussbetten und über großflächiges Geröll. Wer die Mittagshitze meiden möchte, startet früh ­– und das heißt hier, dass an einem Juni-Morgen um 7.30 Uhr ähnlich reger Betrieb herrscht wie an einem Berliner U-Bahn-Steig um die gleiche Zeit. Es wird bergab gedrängelt, als warte am Ende der Schlucht ein dringender Zahnarzttermin, den es unbedingt zu erreichen gilt – Bergetikette Fehlanzeige.

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Dabei zu hören ist unerwartet wenig Deutsch, dafür gefühlt sämtliche andere Sprachen der Welt. Auch zahllose asiatische und amerikanische Touristen verschlägt es an diesem Morgen in die beeindruckende Schlucht der Mittelmeerinsel. Dabei zu sehen sind auch allerlei Skurrilitäten – „Wandersleute“ in Flipflops, Miniröcken und mit Shopping-Beuteln über der Schulter sorgen auch bei unserem erfahrenen Wanderführer für sichtliche Irritation.

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Einheimische sind besorgt – oder auch nicht?

Im Gespräch über den neuen Flughafen in Kastelli zeigt auch er sich besorgt. Gebürtig kommt er von der Halbinsel Peleponnes, führt aber seit über zwanzig Jahren Wandergruppen durch verschiedene Winkel Griechenlands. Die Tour im Südwesten Kretas führt er nun seit bereits seit drei Jahren regelmäßig; entlang der Route hat er mit vielen Einheimischen regen Kontakt. Diese zeigten sich, wie er sagt, zu seiner Überraschung überaus erfreut über die bevorstehende Eröffnung des neuen Flughafens. Mehr Touristen, das sei doch gut fürs Geschäft, sagten sie. Unser Tourguide ist sich da nicht so sicher. Und wie er frage auch ich mich: Wie soll Kreta mutmaßlich doppelt so viele Touristen noch verkraften?

Was der ungebremste Touristenansturm auf eine Insel auslösen kann, wurde erst kürzlich auf Kretas kleiner „Nachbarinsel“ Santorin deutlich. Als die Kykladeninsel buchstäblich von Kreuzfahrttouristen geflutet wurde, rief der Bürgermeister der Hauptgemeinde per Facebook die Einwohner dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen – Lockdown quasi, und eine komplette Kapitulation vor dem Massentourismus.

Nun sollte gesagt sein, dass das winzige Santorin mit dem weitläufigen Kreta natürlich nur wenig gemein hat. Dennoch, an den beliebtesten Spots Kretas, wie eben der Samaria-Schlucht oder Chanias Altstadt, dürfte es künftig noch deutlich enger werden. Gleiches gilt wohl für beliebte Orte wie Chersonissos, Malia oder Rethymnon und für die malerischen Strände wie Matala oder Preveli. Wie schlimm es letztlich wirklich kommen wird, werden wir aber wohl frühestens im Sommer 2027 erfahren.

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