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Warum ich meinen Hammam-Besuch in Marokko nie vergessen werde

Hammam Marokko
Der Besuch eines Hammam stand für unseren Autor ursprünglich nicht ganz oben auf der Reise-Wunschliste. Dabei findet man in Chefchaouen sowie in ganz Marokko unzählige der traditionellen Badehäuser. Foto: Getty Images / Collage TRAVELBOOK
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

9. April 2024, 18:08 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Lange zögerte unser Autor, ob er während seiner Marokko-Reise auch einen Hammam besuchen sollte. Heute ist er sehr froh, dass seine Freundin ihn letztlich dazu überredet hat. Denn die orientalischen Dampfbäder bieten einen einzigartigen Einblick in eine jahrhundertealte Kultur. Auszüge aus einem Abend voller skurriler Erlebnisse und einer sehr unorthodoxen Massage.

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Ich will es mal offen zugeben: Als ich kürzlich eine Reise nach Marokko unternahm, stand dabei vieles auf meiner To-do-Wunschliste. Doch der Besuch eines Hammam gehörte nicht von vornherein mit dazu. Und schon gar nicht eine Massage in einem der Badehäuser, von der mir doch so einige Hammam-erfahrene Freunde nicht ohne Augenzwinkern berichteten. Doch am letzten Tag meiner Expedition, als wirklich alles andere quasi „abgehakt“ war, und Regen sämtliche alternativen Unternehmungsmöglichkeiten wegspülte, traute ich mich doch. Und wurde mit einem unvergesslichen und unvergesslich skurrilen Erlebnis belohnt, dass ich nur jedem empfehlen kann.

Nochmals zugegeben: Ich zögerte wirklich bis zur letzten Sekunde. Mehrfach war ich bei meinem Besuch in der Stadt Chefchaouen bereits an einem fast hundert Jahre alten Hammam vorbei gelaufen. Nur ein kleines blaues Schild mit den Öffnungszeiten wies am Eingang auf den Ort hin. Getrennter Einlass nach Geschlechtern, für Männer zugänglich von 6-12 Uhr sowie von 20-0 Uhr, dazwischen der Zutritt ausschließlich Frauen vorbehalten. Nennen Sie mich meinetwegen veraltet oder zu wenig „woke“, aber der Gedanke, mich von einem anderen Mann massieren zu lassen, kam mir anfangs wenig verlockend vor. Zum Glück konnte aber ausgerechnet meine zuhause gebliebene Freundin mich dann doch noch überzeugen.

Touristen ausdrücklich willkommen

Hammam
Der Besuch eines Hammam ist ein skurriles und unvergessliches Erlebnis Foto: Getty Images

Bei einem kurzen Telefonat schimpfte sie regelrecht mit mir, dass ich auf keinen Fall die Chance auf ein solch einzigartiges Erlebnis verpassen sollte. Derart motiviert, machte ich mich dann mit einem Bekannten aus dem Hostel auf den Weg zu dem namenlosen Hammam mitten im Gassengewirr der Medina von Chefchaouen. Eine steinerne Treppe, von der Berührung unzähliger Füße zur Glätte von Marmor blank gescheuert, führte abwärts in den Bauch des Unbekannten. Und schon fühlte ich mich ein wenig wie Indiana Jones beim Betreten einer mit Schätzen gefüllten Höhle. Was für Abenteuer würden mich hinter dieser Tür erwarten?

Neugierige Augenpaare richten sich auf uns, als wir die heiligen Hallen schließlich betreten. Einheimische, die gerade mit ihrer Badezeremonie fertig sind. Von anderen Touristen keine Spur, obwohl diese hier ausdrücklich willkommen sind. Das mag auch daran liegen, dass sie deutlich mehr bezahlen müssen als Marokkaner, aber das Hammam als Institution per se steht Jedem offen. Unsere Augen müssen sich erst einmal an das dampfige Dämmerlicht gewöhnen, dass allzu interessierte Blicke vermeiden soll. Wie ein Dschinn taucht hinter einer großen Theke plötzlich der Hammam-Betreiber auf, und fragt uns nach unserem Begehr. Wir entscheiden uns also für das Gesamtpaket, Bad plus Massage für 100 Dirham, umgerechnet nicht einmal zehn Euro.

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Das Spektakel beginnt

Sodann erhalten wir diverse Utensilien: Badelatschen sowie einen Eimer und eine Schöpfkelle, die an Kinderspielzeuge bei einem Strandbesuch erinnern. Hastig und schüchtern ziehen wir uns um, bloß nicht zu viel Haut zeigen, an die in Deutschland übliche Nacktheit in Spas ist nicht einmal zu denken. So schlappen wir dann eine weitere Treppe herunter, und eine stählerne Tür verschafft uns Zugang zum Innersten des Hammam-Tempels. Uns empfängt eine Halle mit hohen Decken, mit einem öffentlichen Badebereich und zahlreichen Separees. Einige junge Männer liegen schon auf den warmen glitschigen Fliesen ausgestreckt, die von einem dünnen Wasserfilm überzogen sind.

Es ist sehr viel weniger heiß in dem Hammam als erwartet, dafür macht der wabernde Dampf die Luft ein wenig stickig, erschwert wiederum die Sicht. Ein drahtiger alter Bademeister, angetan lediglich mit einem an Tarzan erinnernden Lendenschurz, weist uns einen Platz in einer Ecke zu. Und dann heißt es erst einmal warten. Eine unruhige Spannung steigt auf. Neugier auf das, was da wohl kommen mag. Die Wärme der Kacheln durchdringt langsam auf angenehme Weise den Körper, die Augen fallen das erste Mal fast wie automatisch zu. Aber dann geht es auch schon los. Zu diesem Zeitpunkt haben wir noch nicht einmal eine Ahnung davon, was für ein Spektakel uns erwartet.

Kommunikation durch Klapse

Hammam
Chefchaouen ist ein wunderbarer Ort, um die Hammam-Kultur einmal kennen zu lernen. De Stadt gehört zu den schönsten und meistbesuchten des Landes Foto: Getty Images/iStockphoto

Zunächst werden wir von dem Alten gründlich eingeseift, wobei er wirklich nur die bekleideten Körperstellen ausspart. Seine geübten Hände packen dabei allerdings so grob zu, als würde er einen widerspenstigen Teig kneten. Da wir uns wegen der Sprachbarriere kaum verbal verständigen können, kommuniziert unser Zeremonienmeister durch Klapse. Ein Klaps mit der flachen Hand, umdrehen. Ein weiterer, zurück in die Ausgangsposition. Es ist, als wolle er anhand des satten Klangs der Schläge, der zudem von den Wänden widerhallt, einem neugierigen Kunden auf dem Wochenmarkt die vorzügliche Qualität eines gut abgehangenen Schinkens demonstrieren.

Die ganze Salbung dauert vielleicht maximal drei Minuten, und dann scheint auch schon wieder alles vorbei zu sein. Wir werden geheißen, und selbst abzuspülen und wiederum in eine Ecke zu legen. Na gut, das war es dann wohl, denke ich, schon bereit, die Erfahrung unter „been there, done that“ abzuspeichern. Die Augen fallen langsam wieder zu, die erhabene Stille in dem großen Raum und der warme Fußboden des Hammam entspannen. Doch dann stört plötzlich ein Geräusch meine Harmonie empfindlich, und zwar erstickte Schmerzenslaute.

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Eine Massage wie eine Folter

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Der Besuch eines Hammam ist in Chefchaouen nur eines der vielen Highlights für Besucher Foto: Getty Images

Ich blicke mich erstaunt und verunsichert um und sehe den Alten, der gerade einen der marokkanischen Badegäste „massiert“. Für mich sieht die ganze Prozedur allerdings eher wie etwas zwischen Ballett und Mixed Martial Arts aus. Der erfahrene Folterknecht läuft dem unglücklichen Jungen mit seinem ganzen Gewicht über den Rücken, verrenkt seine Glieder in die aberwitzigsten Positionen. Ich schwöre Ihnen, dass ich auch aus einer Entfernung von vielleicht drei Metern das Knacken von Wirbeln und Gelenken hören konnte. Das „Opfer“ beißt tapfer die Zähne zusammen, stöhnt aber immer wieder auf, seine Freunde lachen schadenfroh bis mitleidig. Ich selber lache nicht, im Gegenteil. Denn mir ist nun klar, was mich ebenfalls noch erwartet.

Doch zunächst einmal ist mein Bekannter dran, ein hagerer Kolumbianer, der ebenso fasziniert und ängstlich der Prozedur zugeschaut hat wie ich. Um genügend Platz zu haben, meinen Leidensgenossen entsprechend zu traktieren, gibt der Alte mir einen sanften Fußtritt in die Seite. Auf dem nassen Boden des Hammam genügt der allerdings, um mich wie einen Fisch bestimmt einen Meter weg glitschen zu lassen. Unwillkürlich muss ich lachen, entspanne innerlich ein wenig. Zumal ich auch noch eine Art „Joker“ in der Hinterhand habe. Eine vor gut 20 Jahren operierte Schulter, die ich bitte nicht zu stark verrenkt haben möchte.

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Ein Schwamm aus der Hölle

Der „Masseur“ versteht meinen Wunsch tatsächlich anhand von Körpersprache. Was aber nicht bedeutet, dass die Behandlung deshalb weniger schmerzhaft wird. Denn zunächst einmal setzt er zur gründlichen Reinigung einen Schwamm direkt aus der Hölle ein. Stellen Sie sich das grobkörnigste Sandpapier vor, das überhaupt am Markt erhältlich ist. Und dann, man würde sie damit abreiben. So, wie ein Schreiner eine unebene, raue Holzfläche glätten würde. Oder treffender noch, als würde ein hungriger Löwe große Stücke aus einer soeben erlegten Gazelle reißen. Klar, ich wollte schon immer gerne mal ein paar Kilos verlieren, aber doch nicht auf diese Weise.

Dann geht es ans Wrestling-Match, und der alte dreht und biegt mich zurecht, als wäre ich eine Gummipuppe. Mehr als 60 Kilo kann er kaum wiegen, doch sein gesamtes Gewicht auf meinem Rücken lässt meine Wirbel und Gelenke sich schnell ergeben. Es knackt, als würde man junge Zweige zerbrechen, als läge man auf einer mittelalterlichen Streckbank. Doch so abwegig es klingen mag, die Wirkung ist durchaus wohltuend, nur dass das Ganze eben eher einer Kampfsport-Demonstration als einer Massage gleicht. Arme und Beine dehnt er an die Grenzen des physikalisch möglich Erscheinenden. Doch dank seiner sicher jahrzehntelangen Erfahrung weiß er auch genau, wie weit er gehen darf.

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Irgendwann erreiche ich einen Zustand, den ich mir wie ein buddhistisches Nirvana vorstelle. Und als das Ganze vorbei ist, fühle ich ich tatsächlich wunderbar entspannt. Zumal uns der Alte einen Eimer mit heißem Wasser hinstellt, mit dem wir uns nochmals selbst waschen dürfen. Der Hammam hat sich mittlerweile geleert, auf magische Weise sind plötzlich zweieinhalb Stunden irgendwo mit dem Dampf verpufft. Eine Überraschung hat unser marokkanischer Freund aber noch in petto, nämlich einen letzten Eimer eiskaltes Wasser, den er zum Grande Finale über uns auskippt. Sodann treiben wir durch die längst leeren Gassen wieder zurück zum Hostel. Im Herzen eine dieser besonderen Erfahrungen, von denen man jetzt schon weiß, dass man noch seinen Enkeln davon erzählen wird.

Themen Afrika Marokko
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