18. Februar 2025, 15:27 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
An der nördlichsten Spitze der deutschen Ostseeküste stößt man auf herrliche Ausblicke, unberührte Natur und seltene Vogelarten. Die Halbinsel Holnis wirkt wie Balsam für die Seele, besonders bei klirrenden Temperaturen und außerhalb der Saison. Unsere Autorin war vor Ort.
Drei wird mein Zuhause auf Zeit. So heißt die kleine Siedlung auf der Halbinsel Holnis, die wie ein schlankes Bein in die Ostsee hinein ragt. Mitten im bitterkalten Februar ist kein Mensch am Ostseestrand. Zwar wohne ich nur 24 Kilometer entfernt, doch ich brauche diese kleine Flucht und einen Ausblick. Mitten in einem Schreibprojekt fiel mir zu Hause die Decke auf den Kopf, die Laune sank, die Konzentration ließ nach, lieber träumte ich mich an das Meer.
Übersicht
Menschenleeres Holnis in der Nebensaison
Geträumt, getan. Bei der Ankunft auf Holnis jubele ich innerlich und gratuliere mir zu meiner Entscheidung. Mein Zimmer im „Ostsee Strandhaus Holnis“ hat direkten Meerblick und wenn ich die Schiebetür zum Balkon einen kleinen Spalt öffne, höre ich die Wellen rauschen, die Wildgänse schnattern, die Möwen kreischen. Immer noch kein Mensch auf der Strandpromenade. Soll ich schreiben oder rausgehen? In diesen inneren Konflikt werde ich in den kommenden Tagen ständig geraten.
Natürlich ziehe ich mir die Stiefel an und drehe draußen eine Runde. Strand Drei ist schön überschaubar, ohne zu überfordern. Ein italienisches Restaurant, ein Strandcafé, ein Campingplatz, die Minigolfanlage „Adventure Fjordgolf Holnis“ mit Motiven aus der Umgebung. Etwa mit einer Nachbildung des weißen Wasserschlosses der Stadt Glücksburg, nur etwa vier Kilometer entfernt. Outdoor-Fitnessgeräte mit Blick aufs Wasser. Eine Surfschule, ein Kayakomat. Auf dem Weg parallel zum Strand begegnen mir nur zwei Hundebesitzer. Was für ein Unterschied zu den Sommermonaten, wenn alle Strandkörbe besetzt sind, wenn die SUPs über das Wasser gleiten und der weiße Sandstrand mit Menschen gefüllt ist. Jetzt herrscht absolute Stille, bis auf die Geräusche der Natur. Ich höre nur meine eigenen Schritte. Ein paar Galloway-Rinder kauen gemütlich das Gras der Salzwiesen.
Der nördlichste Zipfel der deutschen Ostseeküste
Über das Holnis Kliff komme ich auf einem schmalen Pfad zur Holnis Spitze. Damit habe ich den nördlichsten Zipfel der deutschen Ostseeküste erreicht. Das Wasser ist flach und klar, jede Muschel, jeder Stein am Sandboden deutlich sichtbar. Verführerisch – man möchte glatt Baden gehen, doch die Minusgrade an der Luft verjagen diese Idee sofort. Nur 1,7 Kilometer entfernt, zum Greifen nah, liegt die Küste von Dänemark. Theoretisch könnte man hinüberschwimmen. Vielleicht im Sommer. Jetzt sehe ich den Jachthafen von Gråsten, rechts davon die weiße Kirche von Broager mit ihren markanten Doppeltürmen. Als Dänemark-Fan freue ich mich über diesen Anblick. Sehr beruhigend, diesem tollen Land so nah sein zu können.
Weiter folge ich dem „Theodor-Fontane-Wanderweg“. Fontane war hier als Kriegsberichterstatter unterwegs und erwähnt Holnis auch in seinem Roman „Unwiederbringlich“. Zufrieden und gut durchlüftet, komme ich zurück in die Unterkunft und setze mich direkt an den Schreibtisch. Im gesamten Gebäude ist es still, sehr still. Kann es wirklich sein, dass ich hier ganz alleine bin? Ein seltsames Gefühl. Ich lausche angestrengt. Schaue nochmal von außen und sehe, dass wirklich nur ein einziges Licht brennt – und zwar genau in meinem Zimmer. Einerseits fühle ich mich sofort wie eine Hausherrin, andererseits etwas mulmig. Klar, ich wollte Stille, aber die Abwesenheit von Menschen kann Beklemmung auslösen.
Beate Uhse lebte einst auf Holnis
Am nächsten Tag weht es kräftig. Doch ich habe mir heute Schausende vorgenommen, das westliche Ufer der Halbinsel, ausgerichtet an die innere Flensburger Förde. Wer Holnis umrunden möchte, kommt auf gut elf Kilometer. Das ist mir zu weit. Lieber laufe ich etappenweise. In Schausende sehe ich einen Jachthafen, ein paar Plattenbauten aus den 1970er-Jahren, zudem einen schmalen Weg entlang des Wassers und nahe des Leuchtturms einen Badesteg. Den hat Beate Uhse, die Gründerin des gleichnamigen Erotikkonzerns, errichten lassen.
Oberhalb des Stegs, uneinsehbar, liegt ihr ehemaliges Anwesen. Zwei sechseckige, wie Bienenwaben geformte Gebäude. Ein 10.000 Quadratmeter großes Grundstück, mit Außenpool, innen acht Zimmer, Panoramafenster. Auf knapp 570 Quadratmetern hat Beate Uhses Sohn Ulrich Rotermund im größeren Gebäude gelebt, während sie selbst das „kleinere“ Haus mit rund 400 Quadratmeter bewohnte, inklusive Bibliothek und Squashhalle. Im Sommer ging die Unternehmerin gerne Windsurfen oder Wasserskifahren genau vor der Tür. Oft betrachtete die geübte Pilotin ihre geliebte Ostsee-Landschaft von oben aus dem Cockpit einer „Piper“ heraus, die sie selbst steuerte. Jeden Tag diesen Ausblick genießen zu können, was für ein Traum.
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Holnis bietet zahlreiche Naturschutzgebiete
Ehrlich, ich möchte gerade an keinem anderen Ort der Welt sein. Jetzt im Winter, in der Einsamkeit wirkt dieses Fleckchen Erde wie aus der Zeit gefallen. Ich laufe immer langsamer, betrachte Details, sammle Meerglas. Große Teile von Holnis stehen unter Naturschutz, so auch das Noor mit Brutplätzen und Lebensräumen für viele Tier- und Pflanzenarten. In den Salzwiesen laben sich die Brandgänse, Austernfischer, Kiebitze, Sandregenpfeifer und Seeschwalben bauen hier ihre Nistplätze. Kormorane trocknen sich in sturer Haltung ihre ausgestreckten Flügel. 130 Vogelarten wurden gezählt, vom Ausguck aus kann man einige von ihnen beobachten. Ich sehe sogar einen Hirsch – seit Jahren das erste Mal.
Manchmal plagt mich das schlechte Gewissen: Ich sollte doch am Laptop sitzen. Doch ich beruhige mich. Denn während des Gehens kommen gute Ideen, Gedanken, Verknüpfungen. Der Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau formulierte es so: „Im Wandern liegt etwas meine Gedanken Anfeuerndes und Belebendes, mein Körper muss in Bewegung sein, wenn es mein Geist sein soll.“ Drei Nächte werde ich allein im Hotel sein. Klar, es ist unter der Woche, wir haben Februar, wer will da schon an die Ostsee? Kleine „Shining“-Ängste tauchen auf. Wenn sich doch jemand hineingeschlichen hat? Wenn da jemand mit der Axt hinter dem Fahrstuhl lauert? Alles friedlich. Am vierten Tag zieht ein asiatisches Pärchen in das Nachbarzimmer ein, endlich. Sie singen, sie fotografieren, sie lachen. Endlich Leben. Ich gehe beruhigt raus an die Luft, will Austernfischer zählen gehen.
Viele Hotels an der Küste schnüren außerhalb der Saison bis zu den Osterferien attraktive Angebote. Es gibt bis zu 25 Prozent Rabatt oder „3 für 2“, man zahlt zwei Nächte und die dritte Nacht bekommt man gratis drauf. Auch für Ferienwohnungen werden in dieser Jahreszeit häufig reduzierte Preise angeboten. Es lohnt sich also, auch mal außerhalb der Hauptsaison vorbeizuschauen, am nördlichsten Punkt der deutschen Ostseeküste.