10. April 2024, 19:01 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wolkenkratzer, gequetscht zwischen Bergen und Meer, sieben Millionen Einwohner: Hongkong ist eng und laut. Umso krasser wirkt der Kontrast, den man auf den kleinen Inseln nahe der Metropole erlebt.
Wenn ihn Freunde von auswärts besuchen, weiß Edmund Lai, was kommt. „Jeder denkt bei Hongkong an Hochhäuser und Menschen, Menschen, Menschen. Aber sobald wir mit dem Seekajak rausfahren, wollen sie nicht mehr zurück.“ Lai, 29, ist Kajak-Guide und liebt Paddeltouren zu den Inseln abseits der Megacity Hongkong.
Natürlich reist niemand nur wegen der Eilande hierher. Touristen kommen für den Panoramablick aufs Hochhaus-Gewirr, den man vom Victoria Peak hat, Hongkongs Hausberg. Sie kommen für die tägliche Skyline-Lichtshow „Symphony of Lights“, für Entertainment, für Shopping, für Kultur. Kurzum, sie kommen, um den Puls einer Weltmetropole zu fühlen.
Doch wer davon Abwechslung und Ruhe sucht, bricht auf zu den kleinen Inseln im Südchinesischen Meer rund um Hongkong. TRAVELBOOK stellt fünf Highlights vor.
Übersicht
Cheung Chau
Ein malerisches Hafenbecken, ein Städtchen mit Gassengewirr, Strände, Entdeckungen zu Fuß und per Rad – das sind die Argumente für Cheung Chau, das mit einer Bucht voll bunter Boote empfängt. Einige Fischer leben noch immer an Bord. In der Jugend von Basil Hui (64) war das hier noch weit verbreitet: „Da wohnten ganze Familien drauf, das konnten zehn Leute sein“, sagt der Hobbyhistoriker von der Insel.
Das Fahrrad steht als Transportmittel der Wahl ganz oben. Die Entfernungen auf der 2,5-Quadratkilometer-Insel sind gering. Ostwärts dehnen sich zwei Sandstrände aus, Richtung Südwesten flankieren Orchideenbäume die Uferpromenade.
Plötzlich versperren Treppen die Weiterfahrt. Also: Fahrrad abstellen, zu Fuß weiter am taoistischen Tempel für die Fischer- und Meeresgöttin Tin Hau vorbei, auf einem Betonpfad über der Küste die Ausblicke still in sich aufnehmend. Bei der Runde zurück zu den Rädern passiert man Häuser, vor denen Wäsche auf Bügeln trocknet. Hoch auf Mauern prangen Keramik-Fische mit Drachenköpfen als Beschützer.
An den Wochenenden füllt sich die Insel. Wer sie in Feierstimmung erleben will, folgt den Tipps von Basil Hui: Beim Laternenfest im Januar, den Umzügen für Tin Hau im April und dem Drachenboot-Festival im Juni oder Juli ist hier am meisten los.
Kiu Tsui Chau
Es ist einsam. Die Brandung an den Felsen und das Plätschern der Paddel im Wasser sind die einzigen Begleitgeräusche. Kiu Tsui Chau, auch Sharp Island genannt, buckelt sich auf wie ein grüner Drachenrücken. Ein Seekajak-Trip um die Insel startet beim Hafenort Sai Kung. Die Elf-Kilometer-Runde füllt einen Tag.
Bei unserer Tour baut Guide Edmund Lai zwei Zugaben ein: einen Halt an der Open-Air-Skulptur „Mondaufgang bei Tageslicht“ und einen Abstecher zum Whiskey Beach auf der Nachbarinsel Kau Sai Chau. Der Traumstrand ist etwa 80 Meter breit, verschwindet bei Flut aber größtenteils. Im kristallklaren Wasser um Sharp Island wachsen Entenmuscheln auf Felsen. Schwarzmilane kreisen am Himmel. Im tiefen Einklang mit der Natur spürt Lai „das Gefühl von Freiheit“, wie er sagt.
Peng Chau
Der gemächliche Rhythmus des Lebens auf Peng Chau steckt an. In den verkehrsfreien Gassen verlangsamt man automatisch das Tempo – und auf den rund 350 Stufen zum Inselthron, dem 95 Meter hohen Finger Hill, sowieso.
Peng Chau beschränkt sich auf einen Quadratkilometer. Gegenüber vom Markt hängen Fische zur Lufttrocknung aus, vor einer Fleischerei liegen Hühnerfüße in einer Schale. Auch Straßenkunst gibt es in Form von Collagen aus ausrangierten Handys und einer Farbwand mit einem davor drapierten Rad in Rotlackierung.
Die riesigen Räucherspiralen in der Vorhalle des Tin-Hau-Tempels unweit des Fähranlegers könnte man für Hängelampen halten – würde nicht Asche auf Köpfe und Kleidung fallen.
Po Toi
Fischerhäuschen statt Wolkenkratzer, Wellenrauschen statt Verkehrslärm – Hongkongs südlichste Insel Po Toi ist ein weiterer autofreier Kosmos unter den Eilanden. An der Bucht, wo die Fähre einläuft, liegt das einzige Dorf. Ein beschilderter Betonweg verläuft parallel zur zerklüfteten Küste und steigt zu Felsformationen namens Mönch und Schildkröte an. Ein Abzweig führt vor eine Felswand mit mehr als 3000 Jahre alten Gravuren.
Candy Lau Kam Lin (66) profitiert davon, dass der Weg auch genau durch ihr kleines Lokal führt. Dort tischt sie für umgerechnet knapp zwei Euro eine kalte, süße Suppe aus Mungbohnen auf, die sie mit Gartenraute und getrockneten Algen verfeinert.
Tung Ping Chau
Fast zwei Stunden braucht die Fähre zu Hongkongs entlegenster Insel. Tung Ping Chau ist ebenfalls autofrei. Hier öffnet sich ein Bilderbuch der Geologie, mit Pfannkuchenfelsen, deren Maserungen zwischen Rostbraun, Gelb und Ocker changieren. Für den Inselrundweg sollte man vier Stunden einplanen.
Die Megacity, sie ist hier weit weg: Eine Brise raschelt in Bambushainen. Schmetterlinge tanzen. Die Luftwurzeln eines Banyanbaums legen sich wie Tentakel um ein verfallenes Haus. Und im Tin-Hau-Tempel, von dem es auch auf dieser Insel einen gibt, begegnet man der Meeresgöttin als vollendeter Schönheit.
Hongkongs Inseln auf der Karte
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Weitere Informationen
Beste Reisezeit
Oktober bis April gelten als beste Besuchsmonate. Mai bis September ist es heiß und schwül, Juni bis August regenreich.
Anreise zu den Inseln vor Hongkong
Direktflüge nach Hongkong gibt es etwa ab Frankfurt/Main und Zürich, zudem zahlreiche Verbindungen mit Zwischenstopps in Dubai oder Istanbul.
Ein klassisches Inselhüpfen ist nicht möglich; im Regelfall kehrt man zum Ausgangspunkt zurück. Ab der Fährstation Central im Stadtzentrum gibt es täglich viele Verbindungen nach Cheung Chau und Peng Chau. Fähren nach Po Toi starten mehrmals wöchentlich ab der Aberdeen Promenade im Süden der Stadt. Eine Überfahrt nach Tung Ping Chau setzt frühzeitiges Erscheinen voraus, denn ab dem Ma Liu Shui Ferry Pier im Nordosten Hongkongs gibt es an beiden Wochenendtagen jeweils ab 9.00 Uhr nur eine Verbindung.
Tipp: Da die Preise für Taxis recht günstig sind (etwa 1 Euro/km), sollte man sich darin zu den entfernteren Ablegern bringen lassen.
Mit Material von dpa