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Erfahrungsbericht

Eine Nacht in Usbekistans Kysylkum-Wüste

Im Jurtenlager in der Wüste Usbekistan kann das Nomadenleben nacherlebt werden
Im Jurtenlager in der Wüste Usbekistan kann das Nomadenleben nacherlebt werden Foto: Fiona Wink
Fiona Wink
Fiona Wink Autorin

29. Juli 2024, 17:23 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Im Herzen Usbekistans, an der sagenumwobenen Seidenstraße, liegt die schier endlose Kysylkum-Wüste. Auf den Spuren der Vergangenheit können Reisende das Nomadenleben in der usbekischen Sandwüste hautnah nachempfinden – denn ein traditionelles Jurtencamp verspricht besondere Eindrücke. Unsere Autorin war vor Ort.

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Die Sonne steht schon tief, als ich das Jurtencamp mitten in der Kysylkum-Wüste erreiche. Ich bin erschöpft vom Tag am Aydarkul-See. Der See, der infolge eines sowjetischen Bauprojekts zur Umleitung des Syr-Darya-Flusses entstand, hat nicht ohne Grund den Ruf eines naturbelassenen Paradieses und wird auch „Meer im Sand“ genannt. Umgeben von wilder und unberührter Natur liegt er inmitten der schier endlosen Sandwüste. Am Ufer bin ich nicht vielen Menschen, dafür aber ein paar umherstreifenden Kühen begegnet.

Die Nacht verbringe ich in einer traditionellen Nomadenjurte. Einst als temporäre Unterkunft von Nomadenvölkern bewohnt, werden die Zelthütten heute als touristische Attraktion genutzt. Über Reiseanbieter wie Booking oder GetYourGuide kann die Übernachtung inklusive Abendessen und Frühstück gebucht werden. Der Preis dafür liegt je nach Anbieter und Jahreszeit zwischen 50 und 100 Euro.

Unheimliche Stille inmitten der riesigen Wüste

Es ist unheimlich still, als ich zwischen den bungalowartigen Hütten umherlaufe. Sanft weht der Wind. Ein junger Mann empfängt mich und zeigt mir die Jurte, in der ich nächtigen werde. Vier Betten stehen aneinandergereiht an den Wänden; in der Mitte des Zeltes hängt ein großer Ventilator. Der Boden ist mit blau-weißen Teppichen ausgelegt. Als ich nach draußen schaue, entdecke ich drei Kamele. Entspannt laufen sie zwischen den verdorrten Sträuchern herum und knabbern hier und da an den Zweigen.

Kurzentschlossen gehe ich auf die Tiere zu. Ein junger Usbeke kommt mir entgegen und fragt, ob ich eine Kameltour machen möchte. Sie kostet 20.000 usbekische Soʻm, also umgerechnet etwa 1,46 Euro. Ich erbitte mir etwas Bedenkzeit, möchte mir die Tiere erst in Ruhe anschauen. Ihre Vorderbeine sind zusammengebunden, im Maul steckt ein überdimensional großer Nagel, an dem ein dünner Strick befestigt ist. Die Höcker wirken klein und zart. Für mich fühlt es sich nicht richtig an. Ich verneine und klettere stattdessen auf einen der Sonne zugewandten Sandhügel.

Ein besonderer Moment: Der Sonnenuntergang in der Kysylkum-Wüste
Ein besonderer Moment: Der Sonnenuntergang in der Kysylkum-Wüste Foto: Fiona Wink

Ein Ort wie eine Filmkulisse

Blutrot hängt die Sonne kurz über dem Horizont. Das zarte Pfeifen des Windes erscheint mir fast schon laut in der Stille der Wüste. Zaghaft, so als dürfte ich die friedvolle Stille und Weite der Wüstenlandschaft nicht stören, buddle ich meine Füße in den warmen Sand. Die Landschaft, die sich vor mir erstreckt, wirkt wie eine Filmkulisse. So, als würde gleich Simba hinter einem der Büsche auftauchen.

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Vor mir im Sand entdecke ich unterschiedlichste Spuren. Die einen erinnern an kleine Vögel, andere an Hunde- oder Katzenpfoten. Wölfe, Steppenkatzen und Antilopen soll es hier geben. Gedankenverloren bestaune ich die untergehende Sonne und bin – so kitschig das auch klingen mag – zu Tränen gerührt. Es ist ein zeitloser Moment in der magischen Atmosphäre der stillen Sandwüste. Ein Moment, der mir wortwörtlich die Sprache verschlägt.

Wie aus einem tiefen Traum reißen mich die Rufe von unten: „Dinner“. Ein paar andere Reisende haben sich bereits in der kleinen Hütte nahe einer Feuerstelle versammelt. Es gibt Tomaten-Gurken-Salat, gebratene Aubergine, Brot und Reis. Zum Nachtisch bekommen wir – wie es in Usbekistan gang und gäbe ist – Wassermelone. Es ist dunkel geworden. Und mit der Sonne ist auch die Wärme gegangen. Ausgestattet mit einer dünnen Jacke, setze ich mich ans brennende Lagerfeuer. Still sitze ich da, lausche dem Knistern des Feuers und bestaune den atemberaubenden Sternenhimmel.

Es wird Nacht in der Kysylkum-Wüste

Die Nacht ist klar, kein einziges Wölkchen behindert die Sicht. Doch das Feuer lockt nicht nur mich, sondern auch Tiere an. Auf einmal sind fliegende Heuschrecken in der Größe einer ausgestreckten Hand unterwegs. Wild entschlossen, als wären die Flammen das Tor zum Glück, schwirren sie in der Luft herum und landen dann – fatalerweise – mitten im Feuer. Als plötzlich eines der monströsen Insekten auf meiner Schulter sitzt, schreie ich auf. Die anderen lachen, denn allen ist klar: Es wird nicht bei dem einen „Angriff“ bleiben.

Bei traditioneller Musik lassen wir den Abend am Lagerfeuer ausklingen
Bei traditioneller Musik lassen wir den Abend am Lagerfeuer ausklingen Foto: Fiona Wink

Ein usbekischer Musiker setzt sich ans Feuer und beginnt nomadische Lieder zu singen. Sie handeln von Liebe, Freundschaft und Familie, wie ich später erfahre. Gebannt lausche ich ihm, versuche die besondere Stimmung aufzusaugen. Die Heuschrecken, die anscheinend noch immer der Überzeugung sind, es sei eine grandiose Idee, in die lodernden Flammen zu springen, lassen zwar nicht locker, doch sie sind zugleich Teil dieser stimmungsvollen Nacht und sorgen immer wieder für Lacher.

Auch im Waschhaus, das in der Nähe der Jurten steht, wimmelt es von Heuschrecken. Sie sitzen in den Duschen, auf den Spülkästen der Toiletten und in den Waschbecken. Sie scheinen zur usbekischen Wüstennacht regelrecht dazuzugehören. Eine lauwarme Dusche tut gut nach dem heißen Tag. Handtücher musste ich dafür nicht mitbringen, die lagen bereits auf den Betten in der Jurte. Während einige andere Reisende noch am Lagerfeuer sitzen und die Nacht spontan unter freiem Himmel verbringen, ziehe ich mich in das Nomadenzelt zurück. Die samtige Wolldecke wärmt mich, es ist still und ich schlafe schnell ein.

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Kurzer, aber erholsamer Schlaf

Kurz vor sieben klingelt mein Wecker. Draußen ist es diesig und vergleichsweise kühl. Als ich an die Feuerstelle komme, wird über den nächtlichen Besuch gesprochen: Kühe seien gekommen und haben die Schlafenden nachts am Lagerfeuer überrascht. Doch sie sind längst wieder verschwunden, einzig die Spuren im Sand erinnern an die außergewöhnliche Zusammenkunft.

In der Jurte ist es warm und gemütlich
In der Jurte ist es warm und gemütlich Foto: Fiona Wink

Das Frühstück steht schon bereit: Fladenbrot, Obst, kandierte Erdnüsse und löchrige Crêpes, die ziemlich gut schmecken. Dazu schwarzen Tee, Pulverkaffee und natürlich Wasser. Eine Katze streunt unter dem Tisch herum, bettelt laut miauend um Essen, von den Kamelen ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Auch wenn die Nacht nicht besonders lang war, fühle ich mich ausgeruht und erfüllt von so vielen besonderen Eindrücken. Ich packe meine Sachen zusammen, werfe einen letzten Blick in die Jurte und verabschiede mich von diesem außergewöhnlichen Abenteuer mitten in der Wüste Usbekistans.

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