31. März 2024, 7:16 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Im Golf von Saint-Tropez liegt in der französischen Provence die kleine Hafenstadt Port Grimaud. Erbaut ab den 1960er Jahren von einem visionären Architekten, wird sie auch nicht selten als das „kleine Venedig Frankreichs“ bezeichnet. Tatsächlich weist der Ort einige Ähnlichkeiten zum legendären Original auf, und ist so in der Region längst ein Touristenmagnet.
Wer das kleine Örtchen Port Grimaud in der Provence besucht, wird sich unweigerlich an eine andere, ungleich bekanntere Stadt erinnert fühlen. Denn statt Straßen gibt es hier Wasser-Kanäle, statt mit den wenigen Autos fährt man hier meist mit dem Boot. Eine wahr gewordene Vision, die ein Architekt ersann, und ab Mitte der 1960er Jahre umzusetzen begann. So wurde aus einer einstigen Sumpflandschaft das „kleine Venedig Frankreichs“. Und ein neuer Besuchermagnet in der an schönen Orten nicht eben armen Provence.
Wie die offizielle Webseite der Stadt berichtet, war die Küstenregion um Port Grimaud ursprünglich eine Gegend, die hauptsächlich für Landwirtschaft und zur Jagd genutzt wurde. Wo heute noble Boote kreuzen, befanden sich damals nur Sümpfe und ein Gebiet, das regelmäßig der Giscle-Fluss überschwemmte. Doch dann kam der elsässische Architekt François Spoerry – und er kam mit einem Traum. Er, selbst passionierter Segler, wollte sich 1964 an der malerischen Küste ein Haus bauen, komplett mit Garten und Anleger für sein Boot. Doch dann begann er, noch größer zu träumen.
Ein Haus gegen eine Spende
Spoerry ersann ein ganzes Dorf mit Häusern im mediterranen und provenzalischen Stil. Sowohl das Land als auch das Meer wollte er in seinem Projekt nutzbar machen. Und entwarf mit Port Grimaud einen ganzen Retortenort, erbaut auf zwölf künstlichen Inseln. Schnell erhielt er dafür eine Genehmigung, und so war bereits zwei Jahre später, also 1966, Baubeginn. Anders als die oft gigantischen Bauprojekte seiner Zeit wollte Spoerry mit seiner Lagunenstadt eine „sanftere“ Architektur schaffen, wie es auf der Webseite heißt. Und diese Vorstellung begann schon bald Form anzunehmen.
Was allerdings zunächst fehlte, war Geld, um seinen Traum zu verwirklichen. Das borgte er sich in der Folgezeit von Familie, Freunden und Bekannten zusammen. Jedem, der eine größere Summe spendete, stellte Spoerry ein Haus in seinem zukünftigen Utopia in Aussicht. Diejenigen, die sich darauf einließen, dürften heute alles andere als unglücklich über ihre Investition sein. Bei der späteren Umsetzung ließ sich der Architekt von den Häusern des italienischen Cinque Terre beeinflussen.
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Der große Durchbruch
Der „Durchbruch“ für sein Herzensprojekt Port Grimaud kam 1968, als er es auf der in Cannes stattfindenden Messe Salon Nautique vorstellte. Hier konnte er Geldgeber und Bootsbesitzer locken, die schon bald in „das französische Venedig“ investierten. Sein Modell der Stadt sorgte damals für einiges Aufsehen. Für mehr Authentizität hatte er es mit Wasser gefüllt, das dann überlief, und die anderen Stände überschwemmte. Dasselbe Modell ist heute noch im Tourismusbüro des Ortes zu besichtigen. Seinen Namen erhielt er übrigens von der nahe gelegenen, mittelalterlichen Stadt Grimaud im Inland.
Tatsächlich zog sich der Bau an seinem Lebenswerk Port Grimaud dann bis 2006 hin. Doch Spoerry sollte die Fertigstellung nicht mehr erleben, denn er starb bereits am 11. Januar 1999 im Alter von 86 Jahren. Seinem Wunsch gemäß ist er in dem Ort, den er selbst ersann und bauen ließ, auch beerdigt. Die letzte Ruhe fand er in der Kirche des Heiligen Franz von Assisi, wo sein Grab heute ebenfalls zu besichtigen ist.
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Immense Wertsteigerung
Da Port Grimaud mehr aus Kanälen besteht als es von asphaltierten Straßen durchzogen ist, findet der Verkehr hier größtenteils per Boot statt. Diese sind angetrieben mit Solarenergie, und auch Touristen können sie nutzen oder gar selbst mieten und steuern. Das Baumaterial für sein Retortendorf bezog der geniale Architekt seinerzeit aus anderen Städten, wenn diese ihrerseits wiederum Immobilien abreißen ließen. Die offizielle Webseite spricht von einer „Recycling-Architektur“. Das ist auch der Grund, warum heute kein Haus in Port Grimaud dem anderen gleicht.
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Spoerry sagte einmal selbst über seine Arbeit: „Ich habe das Beste billiger und das Schlechteste teurer verkauft“. Und das so gut, dass sich der Wert der Immobilien in Port Grimaud teilweise um mehr als das Zwanzigfache gesteigert hat. Kosteten die ersten Häuser hier zwischen 70.000-100.000 Francs, so sind sie heute mitunter mehr als eine Million Euro wert. Das Konzept trug der Architekt nach seinem Pilot-Projekt später dann erfolgreich in die ganze Welt. Auch in der Türkei, Japan, Mexiko, dem Libanon und den USA gibt es Spoerry-Städte, die dem legendären Venedig in ihrem Aufbau ähneln.
Rund um das Jahr leben gerade einmal 300 Menschen in Port Grimaud, doch im Sommer wird es hier richtig voll. Dann nämlich hat die Stadt 18.000 Einwohner. Nicht zu vergessen die bis zu eine Million Touristen, die jährlich das „kleine Venedig der Provence“ sehen möchten. Der Ort wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Prädikat als „Kulturerbe des 20. Jahrhunderts“. Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich im Übrigen direkt auf der offiziellen Webseite einmal nach einer der zahlreichen Unterkünfte hier umschauen. Und dann vielleicht bald Frankreichs Lagunenstadt besuchen.