16. März 2024, 6:57 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Vor 50 Jahren gegründete Thailand sein erstes Meeresschutzgebiet: Tarutao. Massentourismus blieb den Inseln im Nationalpark erspart – was auch mit Piraterie und Kriminalgeschichte zusammenhängt.
Ko Tarutao im äußersten Südwesten Thailands ist ein Inseltraum, der es in jedes einschlägige Bilderbuch schaffen würde. Aber nach einem Tag alleine am Strand ist das so oft ersehnte Robinson-Crusoe-Feeling fast schon gespenstisch.
Dicht an den Sandstrand reicht der schier undurchdringliche Dschungel. Im Reich aus meterhohen Bäumen, Lianen und Tropenpflanzen zirpt, surrt und kreischt es. Es ist das pralle Leben. Doch was es im Sand in der Bucht von Pante Malacca nicht zu sehen gibt: jegliche Fußabdrücke. Weit und breit keine Menschenseele. Hotelanlagen und Strandbars? Fehlanzeige! Die einzigen Begleiter: Krebse und Affen.
Absolute Ruhe auf Ko Tarutao
Auf Ko Tarutao stellt sich schnell das Gefühl ein, gestrandet zu sein. Das ist nicht jedermanns Sache. Zum Sonnenuntergang gibt es keine Gin Tonics und Chillout-Musik. Aber für absolute Ruhe und Naturfreaks ist Ko Tarutao perfekt. In einer globalisierten Welt sind solche Orte selten geworden. Vor allem in Thailand, wo selbst kleinste Aussteiger-Spots schnell den Status „Geheimtipp“ verlieren.
Umso überraschender: Ko Tarutao liegt zwar recht abgelegen in der Andamanensee an der Grenze zu Malaysia, ist mit 150 Quadratkilometern aber alles andere als klein. Das Eiland ist 26 Kilometer lang, 11 Kilometer breit und damit sogar die viertgrößte Insel des Landes. Warum also ist selbst Thailand-Fans Ko Tarutao oft kein Begriff und ein solches Naturidyll geblieben?
Ko Tarutao ist Thailands erstes Meeresschutzgebiet
Die Antwort liegt 50 Jahre zurück. Am 19. April 1974 wurde hier Thailands erster Meeresnationalpark errichtet. Er besteht aus 51 Inseln in der südlichen Andamanensee, verteilt auf einer Fläche von 1450 Quadratkilometern. Neben Ko Adang und Ko Rawi ist Ko Tarutao die größte Insel im Park, die diesem auch den Namen gab.
Bei vielen Inseln wie Ko Khai mit ihrem natürlichen Felsentor, das zum Parksymbol wurde, handelt es sich um unbewohnte kleine Eilande. Ideale Refugien zum Beispiel für Meeresschildkröten, die hier ihre Eier legen. An den Riffen mit seltenen Korallenarten leben Delfine, Wale und Seekühe. Auf den Inseln selbst sind Makaken, Warane, Reiher, Wildschweine, Tukane und Pythons heimisch.
„Da auf diesen abgelegenen und schwer zugänglichen Inseln kaum Menschen lebten, war die Tier- und Pflanzenwelt hier schon vor 50 Jahren unberührter als auf anderen Inselgruppen“, sagt Park-Ranger Bonkhun Rarueng. Dies ist der Grund, aus dem gerade hier ein Meeresnationalpark eingerichtet wurde.
Berge und Regenwald
Zudem ist die gebirgige Insel, deren höchster Gipfel 708 Meter misst, von dichtem Regenwald und Kalksteinfelsen bedeckt, was Landwirtschaft praktisch unmöglich macht. Doch es gibt einen weiteren Grund, warum eine so große Insel nicht bevölkert wurde, wie etwa der südliche Inselnachbar, das malaysische Pulau Langkawi: Tarutao wurde einst zum Verbannungsort erklärt. 1939 machte die Regierung in Bangkok sie zur Gefängnisinsel.
„Hier kamen damals die Gefangenen an“, sagt Rarueng nach einer Fahrt auf dem Motorrad durch dichten Dschungel und einem anschließenden Fußmarsch zur Talo Wao-Bucht an der Ostküste. Strafkolonien wurden auch in der Talo Udang-Bucht am südlichen Zipfel der Insel errichtet.
Vom Pier führt der Ranger auf dem „Historical Trail“ zu den Überresten der Strafkolonie. Holzbaracken, ein Gouverneurshaus, ein kleines Hospital – alles längst vom Dschungel überwuchert und zerstört. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs kümmerte sich die Regierung nicht mehr um Tarutao. Der Lebensmittelnachschub vom Festland wurde eingestellt. „Gefangene wie Wächter litten Hunger und wurden schließlich zu Piraten, die in der viel befahrenen Meerstraße von Malakka Handelsschiffe angriffen und plünderten“, sagt Rarueng.
Damit provozierten sie die See- und Handelsmacht Großbritannien. Doch die unwegsame Dschungelinsel diente als gutes Versteck. Erst 1964 konnte die britische Royal Navy der Piraterie ein Ende setzen.
Strom nur zwischen 18 und 24 Uhr
Die Nationalparkverwaltung vermietet auf Ko Tarutao heute einige idyllisch am Strand gelegene einfache Steinbungalows. Der Bau von Hotels ist verboten. Das tagsüber von Affenhorden belagerte Restaurant serviert nur Frühstück und Abendessen.
Mit Strom ist die Insel lediglich zwischen 18 und 24 Uhr versorgt. Fernsehen und Internet gibt es nicht, ebenso wenig Taxis oder Tuk Tuks oder eine touristische Infrastruktur wie auf Ko Samui oder Phuket. „Die meisten Thailand-Urlauber suchen mehr Service, mehr Komfort, mehr Party“, sagt der Ranger.
Die wenigen Besucher leihen sich Fahrräder, um durch den Dschungel zu einsamen Buchten und Wasserfällen im Inselinneren zu gelangen, manche wandern und werden dabei nicht selten skeptisch von Nashornvögeln beobachtet. Herausforderungen sind die Steigungen der gebirgigen Insel und die tropischen Temperaturen.
Die meisten Dschungelwanderwege enden an Traumstränden wie den rund vier Kilometer langen Ao Son-Strand, ebenfalls an Einsamkeit kaum zu toppen. Doch menschliche Spuren entdeckt man dann doch: An vielen Stränden Ko Tarutaos wird Müll von den Touristeninseln angespült. „Wir Ranger können dagegen nicht ankämpfen“, so Rarueng.
Dafür aber gerät alles, das man auf der Nationalparkinsel unternimmt, zum kleinen Abenteuer: etwa die kleine Dschungelwanderung zum „Cliff View Point“ mit seiner Buddha-Statue und dem tollen Panorama des nördlichen Inselteils oder eine Kajaktour auf einem Fluss ins Inselinnere zur Krokodilhöhle. Am Pier des Nationalparks verleihen die Ranger Kajaks und Stirnlampen. Man kann sich das ausgedruckte Luftbild des Wegs abfotografieren.
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Unbeschreibliche Gefühle
Mit der Ebbe und ausreichend Trinkwasser geht’s los. Gute zwei Stunden dauert die Tour zur Höhle durch ein Labyrinth aus Mangrovenwäldern. Und wenn man jetzt in den falschen Nebenfluss abbiegt? Kein Boot kreuzt den Weg. Reiher fliegen übers Wasser. Das Gefühl, alleine durch dieses Naturparadies zu paddeln, ist unbeschreiblich.
Plötzlich taucht ein Anleger auf. Festmachen, aussteigen. Ein Pfad von vielleicht 200 Metern führt zum Eingang. Stalagmiten und Stalaktiten kommen im Lichtstrahl der Stirnlampe zum Vorschein. Auf einer Art Plastiksteg geht es über den sich unterirdisch fortsetzenden Fluss tiefer in die Höhle.
Man muss gebückt gehen, so niedrig ist die Decke, an der Tausende von Fledermäusen hängen. Nur gut, dass die Ranger vorher erzählten, dass sie hier seit Jahrzehnten keine Krokodile mehr gesichtet haben.
Nach der Aufregung der Tour zurück im Restaurant setzt der Hunger ein. Das Pad Thai zu verdrücken, ist ein Kinderspiel. Im Bungalow beginnt mit Anbruch der Nacht das nächste Abenteuer: Der Urwald rund um die einsame Behausung erwacht jetzt richtig zum Leben.
So bleibt einem nur die Möglichkeit, den exotischen Geräuschen und den Affen auf dem Dach zu lauschen. Was hatte Ranger Bonkhun Rarueng noch gleich gesagt? „Ko Tarutao ist aus der Zeit gefallen. So wie hier hat es wohl vor 100 Jahren noch auf anderen Inseln Thailands ausgesehen.“ Taruato bedeutet die „Geheimnisvolle“. Es könnte unpassendere Namen geben.
Anreise
Anreise: Von Bangkok mit dem Flugzeug nach Hat Yai oder Trang. Weiter mit Bus oder Taxi weiter nach Pak Bara, von wo aus Fähren zum Nationalpark ablegen.
Lage auf der Karte:
Mit Material von dpa