12. September 2024, 17:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Mit einer Größe von 163 Hektar ist Angkor Wat in Kambodscha die größte Tempelanlage der Welt – und ist seit Kurzem Schauplatz einer kuriosen TikTok-Challenge. Das alles nur, weil die Tempel der Kulisse des Handy-Spiels „Temple Run“ erstaunlich ähnlich sehen. Doch Archäologen und die UNESCO schlagen Alarm.
Über 500 Millionen Mal wurde das Jump’n’Run-Spiel „Temple Run“ weltweit auf Smartphones heruntergeladen. Dort flieht eine Figur über eine Tempelanlage vor sechs Dämonen-Affen. Es ist kostenlos fürs iPhone und Android-Handys erhältlich und bietet schier endlosen Spielspaß.
Übersicht
Doch manch einem scheint das Spielerlebnis auf dem Telefon nicht auszureichen: Sie wollen „Temple Run“ im echten Leben, also dem „real life“ nachstellen – und haben sich dafür keinen geringen Ort als die imposante Tempelanlage von Angkor Wat ausgesucht. Ihre Läufe quer über die Jahrhunderte alte Anlage teilen sie auf TikTok als Teil der „Temple Run Challenge“.
Die „Temple Run Challenge“ wird zum Problem für Angkor Wat
In zahlreichen Videos sieht man, wie zumeist junge Frauen und Männer von hinten gefilmt werden und sie ziemlich rabiat über das Gelände der heiligen Tempelanlage laufen, Hindernisse überspringen und sich an Toren oder Skulpturen abstoßen. Analog zur Spielvorlage leben rund um Angkor Wat auch noch zahlreiche Affen. Das macht die kurzen Clips auf Social Medai zu viralen Hits, die millionenfach angeklickt werden.
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Doch die zunächst witzig anmutenden Videos sind ein ernstes Problem für das UNESCO-Weltkulturerbe. Nicht nur, weil sie respektlos gegenüber der religiösen Stätte sind. Durch die amateurhafte Parcours-Versuche der Touristen wird die Substanz der Tempelanlage beschädigt. Daher bittet die UNESCO bereits Besucher, die Stätte mit „Neugier und Respekt“ zu erkunden, wie die britische Tageszeitung „Independent“ berichtet.
Bislang hat dieser Appell jedoch wenig Wirkung. Immer wieder werden ganze Gruppen gesichtet, die Treppenstufen hochspringen und sich dabei filmen. Auch Archäologen zeigen sich besorgt, wie das Wirtschaftsmagazin „Bloomberg“ schreibt. Simon Warrack, ein Berater für Denkmalschutz, erklärt: „Es geht nicht nur um mögliche Schäden an den Steinen durch Leute, die Dinge umstoßen oder umwerfen, sondern auch um Schäden am spirituellen und kulturellen Wert der Tempel.“
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So reagiert das Tourismusministerium Kambodschas auf die Influencer
Die kambodschanischen Behörden greifen bislang nicht ein – wohl auch aus Sorge, Touristen zu vergraulen. Das Land kämpft noch immer mit den Folgen der Corona-Pandemie und dem Einbruch der Besucherzahlen. Top Sopheak, ein Sprecher des Tourismusministeriums, nannte die Challenge in der kambodschanischen Zeitung „Kiri Post“ sogar „interessant“. Jedoch sagte er auch: „Das bedeutet nicht, dass alle Touristen an der Challenge teilnehmen dürfen. Die Apsara National Authorities (ANA) wissen bereits, wie sie Probleme vermeiden können, da die meisten kambodschanischen Tempel ein Ort der Segnung sind.“
Auch Touristen sollten sich dessen bewusst sein. Dennoch habe die zuständige Behörde ANA erst vor kurzem die Regeln für Bild- und Videoaufnahmen in und um Angkor Wat gelockert. Das könnte den Trend begünstigt haben. Einwohner in der Region Angkor scheinen dem Social-Media-Hype ebenfalls positiv gegenüberzustehen.
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Ist die „Temple Run Challenge“ eine Werbung für den Tourismus in Kambodscha?
So heißt es in einem Kommentar unter einem TikTok-Clip: „Vielen Dank, dass du nach Kambodscha gekommen bist.“ Ein anderer User kommentiert: „Wow, so erstaunlich und vielen Dank, dass du Kambodscha mit uns teilst.“ Unter anderen Videos loben Nutzer in den Kommentaren die Creator ebenfalls für ihren Besuch und ihre kostenlose Werbung für Kambodscha.
Ein Sprecher der UNESCO erklärte im Gespräch mit dem „Independent“, dass es zwar schön sei, wenn Besucher durch ihre Clips auf TikTok die Tourismusindustrie Kambodschas wieder bekannter machen würden. Allerdings könne das auch zu Overtourism führen: „Die Besessenheit, das perfekte Video aufzunehmen und zu posten, kann vom authentischen Reiseerlebnis ablenken und die Auseinandersetzung mit der kulturellen und historischen Bedeutung eines Ortes verringern.“
Die Tempelanlage in der Nähe von Siem Reap, rund 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Phnom Penh, gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Land. Die bundeseigene „Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH“ schätzt, dass etwa die Hälfte der ausländischen Touristen deswegen in das Königreich einreist. Im Jahr 2023 wurden rund eine Million Besucher erwartet, 2019 waren es circa 2,2 Millionen. Bis 2025 sollen allein dort drei Luxusresorts eröffnen. Der Massentourismus hat Angkor Wat also längst erreicht.