25. Juni 2024, 6:37 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Kleinstadt Traben-Trarbach nahe Trier begeistert noch heute Besucher aus aller Welt mit ihren prunkvollen, mächtigen Jugendstilbauten. Sie erzählen von einer Zeit um die vorvergangene Jahrhundertwende, als der Ort die deutsche Wein-Welthauptstadt schlechthin war. Die edlen Tropfen verkauften sich rund um den Globus, machten viele Händler steinreich. Europaweit gab es sogar nur einen Ort, der mit der Mosel-Perle konkurrieren konnte. TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann hat sich hier für sie umgesehen.
Ich habe es in den nunmehr fast neun Jahren, in denen ich für TRAVELBOOK meine Reiseberichte verfassen darf, bereits unzählige Mal erwähnt: Ich bin ein absoluter Fan von Superlativen. Nicht nur suche und besuche ich sie ganz bewusst, sie scheinen mich geradezu magisch anzuziehen. Und so war ich denn auch nur kurz überrascht, als ich bei einer kürzlichen Reise zu diversen Orten entlang des schönen Flusses Mosel mal wieder zufällig über einen neuen Rekordwert quasi stolperte. Und zwar in dem kleinen Ort Traben-Trarbach, den man wohl zurecht als die einstige deutsche Wein-Welthauptstadt bezeichnen könnte.
Bei einem ersten Spaziergang waren mir vor allem entlang der Wasserfront geradezu gigantische Jugendstil-Villen aufgefallen. Wahre Paläste der Belle Epoque, die Traben-Trarbach für mich wie eine Art Filmset erscheinen ließen. Sicher, ich hatte bislang bereits viel Fachwerk und auch einige beeindruckende Burgen und Schlösser gesehen. Doch dieser Ort, das spürte man deutlich, war, bzw. ist, etwas Besonderes. Und nur wenig später sollte ich denn auch erfahren, wie er einst zu einem solch prunkvollen Erscheinungsbild kam.
Wein-Weltmetropole an der Mosel
Mein Gang über die 1898 gebaute Moselbrücke, die die beiden Ortsteile von Traben-Trarbach verbindet, führte mich schon bald an den Fuß eines Burgbergs, auf dem noch heute die Ruine einer früher stolzen Festung thront. Da musste ich natürlich rauf, die Dinge von oben betrachten, mir einen Überblick verschaffen. Ein Schild klärte mich auf, dass die Grevenburg bereits um 1350 erbaut worden sei. Bis 1734 lag sie dann insgesamt viermal unter Belagerung, bevor die Franzosen sie im Juli 1734 zerstörten. Doch es ist letztlich eine andere Information, die meine Aufmerksamkeit erregt. Einer dieser aufregenden Momente, wenn ein alter Hase im Journalismus völlig unerwartet eine Story wittert.
Denn, so die Info-Tafel weiter, ich habe soeben einmal wieder eine neue meiner geliebten Bestmarken entdeckt. Demnach war Traben-Trarbach nicht immer ein so verschlafenes Nest wie bei meinem Besuch. Im Gegenteil, um die Wende zum 20. Jahrhundert befand sich hier einer der größten Umschlagplätze für Wein auf der ganzen Welt. Europaweit musste man sich in dieser Beziehung nur dem französischen Bordeaux geschlagen geben, lese ich weiter. Wieder zu Hause, fange ich sofort an, zu recherchieren.
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Internationale Beziehungen
Und tatsächlich, ein Blick in den „Atlas der Weinkultur“ bestätigt mir meine überraschende Erkenntnis. Demnach erlebte die Stadt eine kurze, aber geradezu rauschhafte Blütezeit. So gab es im Jahr 1899 in Traben-Trarbach 100 Weinhandlungen, Weingüter und Großkellereien. Alleine in diesem einen Jahr setzten diese unglaubliche 18 Millionen Liter Wein um, was der Hälfte der damaligen gesamtdeutschen Jahresernte entsprach. Es ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, die bereits ein paar Jahrhunderte früher ihren Ursprung hat.
So war Traben-Trarbach bereits seit dem 16. Jahrhundert, anders als die meisten umliegenden Moselorte, protestantisch. Daher unterstand die Stadt auch nicht der Jurisdiktion des katholischen Erzbistums von Trier, pflegte bereits damals gute Handelsbeziehungen in die Niederlande und nach England, ebenfalls protestantisch. Internationale Kundschaft kam schon ab dem Ende des 30-jährigen Krieges 1648 in die Stadt, um Wein zu kaufen. Als dann ab 1747 zusätzlich noch Handelsbeschränkungen wegfielen, die den Verkauf zuvor lange erschwert hatten, begann der kometenhafte Aufstieg von Traben-Trarbach.
Kometenhafter Aufstieg
Im 19. Jahrhundert wuchs die Nachfrage nach deutschen Weinen exponentiell, wofür prominente Fans wie Englands Königin Viktoria mitverantwortlich waren. Die Händler von Traben-Trarbach intensivierten gleichzeitig ihre Beziehungen zur Messe in Frankfurt und nach Berlin, und so waren die Weine von der Mosel bald, nun ja, in aller Munde. Der entscheidende Erfolgsfaktor, der die Stadt zur europaweit zweitgrößten Weinmetropole hinter Bordeaux machte, war schließlich der Bau der Eisenbahn. Dieser beförderte den Export noch einmal exponentiell.
Um überhaupt Platz zu haben für die ganzen edlen Tropfen, unterkellerte man ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts große Teile des Stadtkerns von Traben-Trarbach. Wahre Gewölbe, teilweise mehr als 100 Meter lang, entstanden dabei laut der offiziellen Seite der Stadt. Genauso wie viele der imposanten Villen, die Besucher noch heute bewundern. Gebaut hat sie zumeist der Berliner Architekt Bruno Möhring, dem die Stadt daher 2003 auch ein sprichwörtliches Denkmal setzte. Doch die Hochphase der deutschen Wein-Welthauptstadt sollte nicht lange währen.
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Die Keller bei Führungen erleben
Ab 1901 machten schlechte Ernten und neue Verkaufsgesetze den Händlern von Traben-Trarbach das Leben schwer. Hinzu kam die zunehmende Flutung des Marktes mit günstigeren Weinen aus dem Ausland aufgrund geringer Zölle. Das führte zu sinkenden Preisen auch bei den Mosel-Magnaten, und damit zu immer weniger Einnahmen. Das Ende kam schließlich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Heute zeugen nur noch die großen Villen und die Keller unter der Stadt von der Zeit, als die Stadt das europäische Wein-Mekka war. Rund ums Jahr kann man Führungen in die Unterwelt mitmachen. Preise und Zeiten entnehmen Sie bitte der offiziellen Webseite.
Ich selbst war leider zu kurz da, um in den Genuss der unterirdischen Schätze von Traben-Trarbach zu kommen. Stattdessen folgte ich einer weiteren Leidenschaft und stieg, perfekt getimt zum Sonnenuntergang, dann noch hinauf zur Ruine der Grevenburg. Ein kurzer, knackiger Gipfelsturm, der mit einem fantastischen Ausblick auf die schöne Stadt und das sie umgebende sanfte Land belohnt wurde. Wie ein silbernes Band wand sich die Mosel durch die grünen Hügel. Ein Moment, den ich ganz für mich alleine genießen konnte. Bereits jetzt in dem Wissen, mal wieder ganz unverhofft einen schönen Ort entdeckt zu haben. Und einen meiner geliebten Superlative.