
30. März 2025, 14:25 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Bei seinem Besuch in Ubud, der selbsternannten spirituellen Hauptstadt von Bali, fühlte sich unser Autor sofort an seine eigene Heimat Berlin erinnert. Laut, dreckig, auch zur Nebensaison hoffnungslos überfüllt mit Sinnsuchenden aus aller Welt. Die Insel-Metropole ertrug er dann dementsprechend über mehrere Tage auch immer nur stundenweise. Erleichtert durch Fluchten in das wunderbare Umland von Ubud, entdeckte er am Ende viel Schönes und noch mehr Skurriles.
Ich glaube, ich darf mit mehr als vierzig Jahren mittlerweile von mir behaupten, ein relativ erfahrener Reisender zu sein. Und diese Erfahrungen unterwegs waren keinesfalls immer nur positiv. Ich habe, so glaube ich zumindest, auch schon ziemlich widrigen Umständen getrotzt. Schlafen am Strand in Mexiko, minus 30 Grad Celsius in China. Brechreizerregende „Toiletten“ und mörderische Hitze in Äthiopien. Und doch habe ich immer weiter gemacht, wollte immer mehr auch von solchen Orten sehen. Mir selbst ein Bild machen. Doch bei meiner kürzlichen Reise nach Bali hat es ein Ort, zumindest beinahe, geschafft, dass ich einfach aufgegeben hätte. Und das war Ubud. Für mich war der Ort das Berlin von Bali. Und in Berlin lebe ich schon mein ganzes Leben, da kann ich also ein Wörtchen mitreden.
Nun mag man Ubud vielleicht auch eines zugute halten. Meine persönlichen Vorzeichen, die Stadt auf Anhieb oder überhaupt zu mögen, standen von Anfang an ziemlich ungünstig. Meine Freundin und ich kamen gerade von ein paar herrlichen Tagen in einsamster Natur. Hatten Wasserfälle gesehen und waren mit Delfinen geschwommen. So stelle ich mir meinen Urlaub vor. City-Trips mache ich mittlerweile nur noch äußerst selten, zumal zu im Netz gehypten Metropolen. Und so eine ist Ubud zweifelsohne, wird überall als die „spirituelle Hauptstadt“ von Bali bezeichnet. Doch von diesem Geist war bei unserem Aufenthalt wenig bis ehrlicherweise gar nichts zu spüren.
Heilloses Verkehrschaos

„Magische Energie“, „Göttlicher Kraftort“ – überall im Internet wird Ubud in den höchsten Tönen auf diese Weise gelobt. Warum eigentlich, das wollte sich mir auch nach fünf Nächten, zum Glück in einem Hotel weit abseits der Stadt, einfach nicht erschließen. Zunächst einmal ist da der infernalische Verkehr, der vom frühen Morgen bis in die späte Nacht vor allem die größeren Straßen völlig verstopft und mit Abgasen verpestet. Es ist für mich vollkommen unnachvollziehbar, aber dennoch waren gerade solche Verkehrsadern Ansiedlungspunkte scheinbar aller schicken Läden, Cafés und Restaurants vor Ort. Sich als Fußgänger in Zentrum von Ubud zu bewegen, ist eine absolute Zumutung. Und mitunter wegen des permanenten Gedrängels auf den engen Bürgersteigen auch nicht ungefährlich.
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Es ist auch der einzige Ort auf der Insel gewesen, an dem Armut in Form von bettelnden Menschen sichtbar zu Tage trat. Mitten auf der Straße sitzend, muss man sich schon wirklich an ihnen vorbei zwängen. Und hat dabei natürlich ein schlechtes Gewissen, weil man nicht allen etwas geben kann. Eine wahre Wohltat sind da die engen, ruhigeren Seitenstraßen, in denen einheimische Händler ihre kleinen Stände betreiben. Hier kann man dann mitunter sogar in einen urlaubshaften Schlenderschritt verfallen. Wird aber natürlich auf Schritt und Tritt mit zugeraunten Angeboten überhäuft. Die Geschwindigkeit, mit der die Verkäufer bereit sind, ihre ursprünglichen Preise um teils mehrere hundert Prozent zu senken, ist absolut atemberaubend.
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„Indiana Jones“ trifft Shoppingmeile

Ubud selbst ist auf nicht uninteressante Weise sicher einer der skurrilsten Orte, die ich jemals gesehen habe. Mitunter wirkt die Metropole so, als wäre eine versunkene Kultstätte aus einem „Indiana Jones“-Film bei Höchstgeschwindigkeit frontal mit einer modernen Shoppingmeile kollidiert. So befinden sich nicht selten in altehrwürdigen, moosüberwachsenen Tempelanlagen hippe Geschäfte. Die Vergangenheit wurde hier im Sinne des Profits ansatzlos in die sogenannte Moderne zwangsintegriert. Mittendrin mäandern jeden Tag Sinnsuchende aus aller Welt von einem heiligen Ort zum anderen, Und davon gibt es in und um Ubud herum zahllose.
Doch warum ist die Stadt überhaupt so berühmt und vor allem bei Touristen so beliebt? Nun, laut meiner Nachforschung kommt der Name Ubud von dem balinesischen Wort „Ubad“, was übersetzt so viel wie „Medizin“ bedeutet. Bereits seit dem 8. Jahrhundert war es wohl ein Ort, wo Familien von der ganzen Insel ihre Kranken zur Heilung hinschickten. Heute kommen Menschen aus aller Welt in der selben Hoffnung hierher. Davon zeugen sowohl unzählige Yogastudios als auch Angebote für Kurse in zum Beispiel Traumaheilung, Klangtherapie, Handlesen und Kartenlegen, um nur einige zu nennen. Die Läden hier heißen „Dream Land“, „Above the clouds“ oder „Angel Bali“ und verkaufen traditionelle balinesische Medizin, Räucherstäbchen, Bio-Kosmetik und -Lebensmittel, spirituelle Musikinstrumente.
Berühmt geworden durch einen Film
Das einzige, was es noch häufiger gibt als solche Etablissements, sind Massage-Salons und Tattoo-Studios. Wie jemand inmitten dieser völligen optischen und akustischen Reizüberflutung aber Entspannung oder gar innere Einkehr erlangen möchte, ist mir völlig rätselhaft. Auch insofern erinnerte mich Udub an Berlin. Von „meiner“ Stadt haben sich die Menschen irgendwann einmal ein bestimmtes Bild gemacht. Dem jagen noch heute alle hinterher, obwohl es in der Realität längst nicht mehr existiert. Und ebenfalls ähnlich wie in Berlin setzte der ganz große Run auf Ubud vor etwas mehr als 20 Jahren ein. Schuld daran ist ein für meinen Geschmack absolutes Narkotikum von einem Film namens „Eat, Pray, Love“ mit Julia Roberts.
In diesem trennt sich eine Schönheit mittleren Alters von ihrem Mann. Und geht dann auf eine Suche nach sich selbst, die sie unter anderem nach Ubud führt. Seitdem erst das Buch und dann der Film ein weltweiter Erfolg wurden, kann sich der Ort vor Besuchern, die sich selbst für Julia Roberts halten, kaum noch retten. Meine Freundin und ich sind übrigens bei dem Versuch, den Streifen zu gucken, nach nicht einmal der Hälfte beide eingeschlafen. Doch natürlich gibt es in der Stadt an sich auch viel Interessantes zu sehen. Man muss es vielleicht nur etwas länger suchen als anderswo. Da wäre zum Beispiel der Campuhan Ridge Walk. Ein Pfad durch den Dschungel über der Stadt von mehreren Kilometern Länge, wo man dem Dauer-Lärm unten auf angenehme Weise enthoben ist. Links und rechts fließen die beiden Flüsse Sungai Wos und Sungai Cerik, von denen man aber wegen des dichten Bewuchses leider nichts sieht.
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Paläste und Tempel
Ein Muss im Zentrum von Ubud ist der alte Königspalast, der Puri Saren Agung. Die Anlage, ursprünglich aus dem späten 17. Jahrhundert, musste nach einem Erdbeben im Jahr 1917 teils wieder aufgebaut werden. Trotzdem sieht sie heute aufgrund der Rückeroberung durch die Natur wieder so antik aus, dass man meinen könnte, sie sei ein paar tausend Jahre alt. Skurril: Wer möchte, kann sich für einen stolzen Preis in einem der Häuser einmieten, die auf dem Terrain stehen. Von außen pompös, erwartet Besucher hier aber ein doch sehr einfacher Komfort. Das offenbarte ein heimlicher Blick in eine der Unterkünfte. Auch das gute Café „Temu“ und weitere Geschäfte und Restaurants sind direkt in die Mauern des alten Palastes eingebaut.
Eine weitere sehr schöne Sehenswürdigkeit ist der auch Wasserpalast genannte Tempel Pura Taman Saraswati. Der Eintritt kostet 50.000 Indonesische Rupien, umgerechnet gerade einmal knapp drei Euro. Jeder Gast erhält am Eingang eine traditionelle Tracht aus Wickelrock und Schal/Kopftuch. Aus Respekt sind diese unbedingt während des gesamten Besuchs zu tragen. Dem Glauben nach befinden sich auf dem Gelände des Wasserpalastes heilige Quellen, denen Heilkraft zugeschrieben wird. Und die Fähigkeit, „die physische Welt mit der spirituellen zu verbinden.“ Wegen seiner zahlreichen fantasievollen Skulpturen und der drei riesigen Tore, die wohl als Fotomotiv so manchen Instagram-Kanal zieren, ist der Ort einen kurzen Besuch wert. Erleuchtung verspürt man hier aufgrund der Besuchermassen aber auch nicht.
Tanzen und Essen

Eine Besonderheit rund um Ubud sind die diversen Shows mit traditionellen Tänzen, die quasi jeden Abend und vor teils beeindruckender Kulisse stattfinden. So kann man sie sowohl im Königspalast als auch im Wasserpalast sehen. Auch in dem von außen beeindruckend aussehenden Tempel Pura Dalem, den ich leider nicht betreten habe. Wir wohnten dann in einer kleineren Anlage außerhalb des Zentrums einem sogenannten Kecak-Tanz bei. Innerhalb einer Stunde, die in einem wilden Rausch aus Farben und Feuer verflog, wurde eine Geschichte davon erzählt, wie die Liebe schließlich am Ende alles überdauert. Die unzähligen Tänzer trugen tolle, fantasievolle Kostüme und stellten Helden, Dämonen und Götter dar. Erklärter Liebling des Publikums war Affen-Gott Hanuman, der für Selfies minutenlang in den begeisterten Massen badete.
Auf meinen Streifzügen durch Ubud, die ich immer nur stundenweise durchhielt, habe ich zudem zwei sehr gute Restaurants gefunden, die ich vorbehaltlos empfehlen würde. Zum einen ist da das günstigere „Casa Luna“, wo wir hervorragend Fisch aßen. Ein wahres Highlight unseres Besuchs war dann das edlere „Hujan Locale“, bei dem wir sogar, das einzige Mal auf Bali überhaupt, vorab reservieren mussten. An einem Fensterplatz mit direktem Blick auf einen Tempel ließen wir uns dann drei Gänge schmecken. Wer zwischendurch in dem Chaos von Ubud mal einen guten, starken Kaffee gebrauchen kann, ist bei der Kette „Black Eye“ richtig, die auch eine solide Küche zu guten Preisen anbietet.
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Ein Berlin ist mehr als genug

Viele ganz große Sehenswürdigkeiten in und um Ubud, zumindest laut Internet, haben wir während unseres Besuches einfach ausgelassen. So zum Beispiel dem Affenwald oder den Wassertempel Tirta Empul, wo man sich auch als Tourist rituell waschen kann. Einen absoluten Hype-Spot besuchten wir dann aber doch mit einer Urlaubsbekanntschaft, nämlich die Reisterrassen von Tegalalang. Ermutigt von unserer vorherigen, absolut magisch schönen Visite auf den Reisfeldern von Jatiluwih, die zum UNESCO-Welterbe gehören, stellten wir unser Glück mutig, ja vielleicht übermütig, auf die Probe. Und landeten in einem völlig bizarren balinesischen Disneyland.
Der Eintrittspreis war mit 50.000 Indonesischen Rupien erstmal erschwinglich. Doch auf dem Gelände gab es dann noch diverse Zusatzangebote wie Zipline und Panorama-Schaukeln, für die deftige Aufpreise aufgerufen wurden. Man konnte sogar Kleider mieten, um auf einer der zugegeben spektakulären Schaukeln besonders Instagram-tauglich auszusehen. Zeitweise standen Leute eine hier halbe Stunde an, nur, um ein solches Bild von sich schießen zu lassen. Mitunter sogar von ebenfalls mietbaren, semi-professionellen Fotografen. Sobald man jedoch von diesen Brennpunkten weg war, konnte man die herrliche Landschaft auch so richtig auf einem der verschiedenen Rundwege genießen.
Dass wir überhaupt so lange, nämlich fünf Nächte, aushielten, war vor allem unserer wunderbaren Unterkunft zu verdanken, dem von einer Spanierin geführten Hotel „Calma Ubud“. Eingebettet in einem herrlichen Garten mit exotischen Pflanzen und Palmen verbrachte ich jeden Vormittag stundenlang im Pool, lesend oder mit einem Eiskaffee in die Landschaft blickend. Hier ließ sich, auch dank der entspannenden Massagen und einer vergleichsweise gar nicht mal so teuren Suite, Kraft sammeln für die Stunden in der Stadt. Anders als an zahlreiche andere Orten, die ich auf meiner Bali-Reise leider nur viel zu kurz besuchen durfte, würde ich nach Ubud wohl aber nicht mehr zurückkehren. Denn auch wenn ich als glühend stolzer Spandauer zu Hause in herrlich natürlicher Randlage lebe: Ein Berlin reicht mir voll und ganz.