25. November 2024, 15:02 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der finnische See Neitokainen ist ein skurriles Phänomen, über das das Netz immer wieder staunt. Der Grund: Das Gewässer hat exakt dieselbe Form wie das Land Finnland selbst, auf einer Landkarte betrachtet. Doch so unglaublich die Geschichte auch klingt, diese einzigartige Übereinstimmung ist kein Zufall.
Wer sich, vielleicht auf der Suche nach einem neuen, nicht alltäglichen Urlaubsziel, auf einer Karte die finnische Region Lappland einmal genauer anschaut, der wird eventuell seinen Augen nicht trauen. Denn in dieser abgelegenen Gegend nördlich des Polarkreises gibt es einen ganz besonderen und ganz besonders skurrilen See. Der Neitokainen, so sein Name, hat nämlich exakt dieselbe Form wie Finnland selbst, wenn man dieses auf einer Landkarte betrachtet. Dahinter steckt jedoch keine unglaubliche Laune der Natur. Sondern die Geschichte eines gescheiterten Traumes.
Riesiges Feriengebiet geplant
Laut der finnischen Zeitung „Veikkaus“ ist der Neitokainen demnach keinesfalls natürlichen Ursprungs, sondern wurde von Menschenhand geschaffen. Zu Beginn der 1990er-Jahre wollte das einheimische Tourismusunternehmen Polartrio in der Wildnis von Lappland bei Lainio ein Hotel und Ferienhäuser bauen – mehr als 150 Grundstücke wurden zu diesem Zweck ausgewiesen. Die Idee zu dem wie Finnland aussehenden Gewässer kam dann eines Tages dem Baumeister des Projekts Esko Sääskilahti. Zu „Veikkaus“ sagte er über sein ungewöhnliches Konzept: „Ich dachte zuerst daran, eine Kopie eines berühmten Sees anzufertigen, zum Beispiel Laatoka, den Inarijärvi-See oder den Saimaa-See.“
Der Bau dauerte eine Woche
In nur einer Woche verwandelte Sääskilahti in der Folge einen bereits bestehenden Teich in der Gegend in den heute 116 Meter langen und einen Meter tiefen Neitokainen. Mit einem Bagger und der Hilfe zwei weiterer Männer schuf er in einem Maßstab eins zu zehntausend den künstlichen See, über den heute das gesamte Netz staunt. Zu Beginn der 1990er Jahre befand sich Finnland auf dem Höhepunkt eines Wintersport-Booms. Die Zahl der Ferienhäuser hatte sich im Vergleich zu den 50er Jahren fast verdreißigfacht. Und der ungewöhnliche See sollte das Herzstück eines von insgesamt mehr als 150 Ski-Ressorts im Land werden.
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Dazu kam es jedoch nie, weil Finnlands Wirtschaft noch im selben Jahr in eine Rezession rutschte, die auch die Bau-Blase für immer neue Ferienprojekte zum Platzen brachte. Die Firma Polartrio musste 1996 Insolvenz anmelden. Und der Neitokainen geriet, immer mal wieder von Lokalzeitungen aus der Versenkung geholt, langsam in Vergessenheit. Für ein skurriles Zwischenspiel sorgte allerdings eine Gruppe selbsternannter „Indianer“ namens Iriadamant, die die Gegend um den See nach der Pleite des Feriendorfs einfach besetzten. Sie bauten sich in einem nahen Wald ein Dorf, dessen Überreste auch heute noch existieren.
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„New-Age-Idealisten“ und Betrüger
„Veikkaus“ bezeichnet sie als hauptsächlich französischsprachige „New-Age-Idealisten“, die hier in der Wildnis rund um den Neitokainen ein umweltbewusstes Leben führen wollten. Der ursprüngliche Zweck des Camps sollte sein, sieben Jahre lang „organisches Leben unter arktischen Bedingungen“ zu erforschen. Laut eigener Aussage hatte man sie in Belgien zuvor sogar mit Panzern vertrieben. Und auch der Aufenthalt in Lappland dauert nur bis 1993, dann wurde die ungewöhnliche Siedlung geräumt. Bereits lange vorher waren die Fördergelder versiegt, man verdächtigte den Anführer der Gruppe als Betrüger.
Die Firma Polartrio hatte zuvor noch versucht, die selbsternannten „Indianer“ als weitere Touristenattraktion neben dem Neitokainen zu vermarkten. Diese schotteten sich in der Folge jedoch immer mehr von der Außenwelt ab. Nach der Räumung des Lagers brauchten Hilfskräfte drei Wochen lang, um den hinterlassenen Müll zu beseitigen. Der Finnland-See ist heute nicht mehr als eine kleine Touristenattraktion in der Region Lappland, die jedes Jahr zwei Millionen Besucher aus aller Welt anzieht. Über sein ungewöhnliches Projekt sagt Sääskilahti: „Manchmal haben Überschwemmungen seine Grenzen ein wenig in Richtung Russland und Schweden ausgedehnt. Aber es sieht so aus, als würde er dort bleiben.“