26. März 2024, 12:56 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Fast jeder hat sie schon einmal entlang der Autobahn gesehen: braune Tafeln, die auf regionale Sehenswürdigkeiten verweisen. Aber wozu genau dienen sie eigentlich? Und wer steckt dahinter?
Reisen bildet, selbst im Vorbeifahren. Man muss nur auf der Autobahn fahren und die großen braunen Schilder beachten. Sicher, dass man gerade das Sauerland oder die Lüneburger Heide streift, weiß man vielleicht auch so. Aber von einer Zevener Geest, einer „Gellert-Stadt Hainichen“ oder der Gedenkstätte KZ Hinzert haben vermutlich bestenfalls Insider eine Ahnung.
Für die einen sind die „touristischen Unterrichtungstafeln“, wie die braunen Schilder im Amtsdeutsch genannt werden, Heimatkunde im Vorüberfahren oder Marketing entlang der Autobahn, für die anderen ein weiterer Beitrag zum Schilderwald an unseren Straßen.
Fast 3500 Schilder bundesweit
Keiner weiß, wie viele dieser braunen Schilder es genau entlang deutscher Autobahnen gibt. Sie werden nicht zentral erfasst. Auf mehr als 3400 Schilder mit rund 1800 Motiven kommt Prof. Sven Groß bereits vor vier Jahren. Der Tourismusforscher von der Hochschule Harz hat dazu Anfang 2020 eine Studie vorgelegt, wie unter anderem WELT berichtete.
Demnach ist jeder Sechste einem solchen Schild schon mal spontan gefolgt. Zwei von drei Befragten gaben an, dass sie sich an Schilder und die abgebildeten Ziele erinnern können.
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Dorfkirchen, Irrgärten und Altstädte
Durchquert man das Land auf der A4 von West nach Ost, dann macht das erste Schild auf das „Industrieland NRW Technologieregion Aachen“ aufmerksam und das letzte kurz vor der polnischen Grenze auf die „Europastadt Görlitz Zgorzelec“. Wobei nicht in beiden Richtungen die gleichen Schilder stehen. Wer von Ost nach West fährt, muss zum Beispiel ohne Hinweis auf die „Dorfkirche Cunewalde“, den „Irrgarten Kleinwelka“ oder die „Pfefferkuchenstadt Pulsnitz“ leben.
Fährt man auf der A7 von Nord nach Süd, dann liegen zwischen dem Nolde Museum an der Nordseeküste und der historischen Altstadt von Füssen gut 950 Kilometer – und weit mehr als hundert Schilder.
Volle Konzentration ist vor allem im Süden der Republik gefordert. Denn 836 Schilder hat Sven Groß allein in Bayern gezählt.
Die erste Tafel wurde 1983 an der A8 bei Stuttgart aufgestellt. Sie lenkte die Aufmerksamkeit des Autofahrers auf Burg Teck. Anfangs durften solche Schilder maximal alle 20 Kilometer erscheinen und nur auf von der Autobahn aus sichtbare Kultur- oder Baudenkmäler oder Landschaften verweisen. Inzwischen sind die Behörden großzügiger.
Wer steckt hinter den Schildern?
Laut ADAC gehen die Schilder auf die im Jahr 1988 beschlossenen „Richtlinien für touristische Hinweise an Straßen“ zurück. Für die Umsetzung sind jedoch die Bundesländer zuständig. „In der Regel legt eine Kommune einen Entwurf vor und muss ihn sich von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde genehmigen lassen“, heißt es auf der Webseite des ADAC. Auch Verbände und Organisationen sowie in Ausnahmefällen auch kommerzielle Anbieter wie das Spaßbad Tropical Island in Brandenburg könnten Antragsteller sein.
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Wer aufmerksam durch die Lande fährt, entdeckt neben den Farben Braun und Weiß auch mal eine Möwe oder einen Schmetterling in Blau auf einem Schild. Und selbst wenn sich der touristische Nutzen kaum messen lässt, werden weitere Schilder hinzukommen.
„Das ist wirklich teils so Klein-Klein, dass man sich fragt: Ist das nötig?“, sagt Tourismusforscher Groß. Zugleich räumt er als „Fan regionaler Spezialitäten“ ein, dass auch er nur dank eines braunen Schildes entlang der Autobahn auf die „Thüringer Kloßwelt Heichelheim“ aufmerksam wurde. So werden diese Tafeln auch in Zukunft immer wieder die Reiseplanung beeinflussen. Oder doch wenigstens kleine Wissenslücken schließen.
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Neue Schilder sollen bis zu 180.000 Euro kosten
Wie die Tagesschau kürzlich berichtete, sorgen die braunen Hinweisschilder mitunter auch für Unmut in einigen Gemeinden. So habe die Autobahn GmbH des Bundes etwa von der niederbayerischen Stadt Straubing gefordert, dass zwei veraltete Schilder auf der A 3 aus Gründen der Verkehrssicherheit ausgetauscht werden müssten – und veranschlagte dafür bis zu 83.000 Euro. Beim Aufstellen im Jahr 2001 haben die beiden Schilder dem Bericht zufolge umgerechnet nur rund 6.000 Euro gekostet. In Sangershausen in Sachsen-Anhalt soll ein neues Schild gar rund 180.000 Euro kosten. Die Bürgermeister beider Städte haben sich laut Tagesschau angesichts dieser hohen Summen mittlerweile schriftlich direkt an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gewendet – mit noch offenem Ausgang.
Mit Material von dpa