Es war an einem Dienstag Ende November, als Anita P. * in der Rhein-Main-Therme im Taunus (Hessen) eine Erfahrung machte, die sie sich lieber erspart hätte. Wie bei fast jedem ihrer Besuche wollte die 35-Jährige auch an diesem Tag im Sauna- und Wellnessbereich entspannen. Anita P. zu TRAVELBOOK: „Ich stand im Dampfbad, hatte wie immer ein Handtuch um die Hüften gebunden.“ Doch dann sei ein Mitarbeiter der Therme hereingekommen und habe sie angesprochen. „Er hat mich aufgefordert, das Handtuch abzulegen. Als ich mich geweigert habe, sollte ich die Sauna verlassen“.
Hausordnung ist rechtlich bindend
Jens Tröger, der Manager der Rhein-Main-Therme, beruft sich auf Nachfrage von TRAVELBOOK auf die Hausordnung, auf die er Anita P. in der Folge auch hingewiesen habe. „In der Hausordnung ist selbstverständlich vermerkt, dass es sich bei der gesamten Sauna-Landschaft um einen textilfreien Bereich handelt. Eine großflächige Beschilderung findet sich dann noch einmal direkt beim Betreten des mit einem Drehkreuz abgetrennten Sauna-Bereichs“, so Tröger. Ebenso sei in der Hausordnung vermerkt, dass die Besucher der Therme den Anweisungen der Mitarbeiter entsprechend Folge zu leisten hätten.
Von der juristischen Seite her betrachtet sei der Thermenmanager im Recht, erklärt Jan Bartholl, Fachanwalt für Reiserecht. „Der Betreiber hat das Hausrecht und darf die Nutzungsregeln festlegen.“ Den Mitarbeitern obliege es, nach entsprechender Anweisung, das Hausrecht dann umzusetzen und auf die Regeln hinzuweisen. Konkret heißt das: Wie ein Saunabetreiber die Bedeutung des Wortes „textilfrei“ letztlich auslegt, darf er selbst entscheiden. Wenn ein Gast sich nach Aufforderung des Personals nicht an die geltenden Regeln hält, darf ein Hausverbot ausgesprochen werden.
Auch interessant: 19 Dinge, die man in der Sauna unbedingt vermeiden sollte
Bleibt dennoch die Frage: Ist es wirklich nötig, jemandem das komplette Nacktsein in der Sauna quasi aufzuzwingen? Gerade in einer gemischten Sauna fühlen sich manche Frauen unter den Blicken der Männer unwohl oder möchten sich aus religiösen Gründen nicht nackt zeigen. Sollte man nicht also jedem Saunagänger selbst überlassen, ob er sich Handtuch um die Hüften/den Oberkörper bindet oder nicht?
Der Deutsche Sauna-Bund hat zu diesem Thema eine ganze klare Haltung: „Wir bevorzugen das Nacktsein in der Sauna. Es entspricht der finnischen Tradition und ist auch aus medizinisch-hygienischer Sicht sinnvoll“, sagt Vereinsmitglied Hans-Jürgen Gensow. Ohne Stoff auf der Haut könne der Schweiß besser abfließen und die Wärme besser abgegeben werden.
Allerdings plädiert Gensow für einen sensiblen Umgang mit dem Thema. „Wenn jemand mit einem umgebundenen Handtuch in die Sauna geht, würde ich in der Rolle des Mitarbeiters zunächst nicht einschreiten. Möglicherweise könnte man den Gast später beiseite nehmen und ihm erklären, er möge es in Zukunft bitte anders handhaben und die Sauna textilfrei nutzen.“
Auch interessant: Die 16 coolsten Erlebnisbäder in Deutschland
Andere Thermen sind liberaler
Längst nicht alle Thermen in Deutschland bestehen so rigoros auf eine Nacktpflicht im Saunabereich wie die Rhein-Main-Therme im Taunus. Die Therme Erding in Bayern, nach eigenen Angaben die größte der Welt, teilte auf Nachfrage von TRAVELBOOK mit, dass zwar auch in ihrem Saunabereich die „saunatypische Textilfreiheit“ gelebt werde. Aber: „Selbstverständlich können Sie sich innerhalb der Sauna-Schwitzstube zusätzlich mit einem weiteren Saunatuch bedecken.“
Und im Online-Sauna-Knigge der Vabali-Therme in Berlin ist auf die Frage nach der Textilfreiheit folgende Antwort nachzulesen: „Das Tragen von Badebekleidung ist im gesamten Saunabereich nicht gestattet. Das Tragen eines Bademantels oder eines Handtuchs jedoch sehr erwünscht.“
Auch interessant: 14 Thermen, in denen FKK-Fans unter sich sind
Der Deutsche Sauna-Bund bleibt bei seiner Auffassung, dass Saunieren nur komplett nackt erfolgen sollte. „Wenn ein Gast damit Probleme hat und das nicht möchte, sollte er ein anderes Bad aufsuchen, wo das möglicherweise toleriert oder vielleicht sogar stundenweise angeboten wird“, sagt Hans-Jürgen Gensow. Oder er solle ganz aufs Saunieren verzichten.
Eine Alternative wird sich auch Anita P. suchen müssen. Die Rhein-Main-Therme, in der sie seit zwei Jahren regelmäßig Gast war, wird sie jedenfalls in Zukunft nicht mehr besuchen. „Wenn ich gezwungen werde, mein Handtuch abzunehmen, werde ich dort nicht mehr hingehen.“
*Name geändert