3. Mai 2024, 10:01 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Der Markt für Ferienhäuser- und wohnungen boomt – vor allem im Zuge der Corona-Pandemie haben immer mehr Menschen die Vorteile eines Urlaubs in privaten oder gewerblichen Ferienunterkünften gegenüber einem Hotelaufenthalt für sich entdeckt. Das bestätigt auch Dr. Patrick Andrae, CEO und Co-Founder von Hometogo, im „Top Leaders“-Interview mit TRAVELBOOK. Zudem spricht er mit Blick auf die zunehmende Wohnungsknappheit in vielen beliebten Urlaubsregionen darüber, für wie wichtig er einheitliche Regularien für Ferienhausanbieter hält und verrät auch, worauf er selbst beim Buchen einer Unterkunft achtet.
TRAVELBOOK: Sie haben Hometogo 2014 gegründet. Was war das Highlight der vergangenen zehn Jahre?
Dr. Patrick Andrae: „Eines der größten Highlights war sicherlich der Börsengang 2021. Manche Gründer verkaufen oder verlassen das Unternehmen an diesem Punkt. Das war nie mein Ziel, ich sehe es als das nächste Level. Mir geht es darum, Hometogo als Plattform weiterzuentwickeln – sowohl für die Kunden, die Ferienwohnungen – oder -häuser suchen, als auch für professionelle Anbieter von Unterkünften.“
… und das Lowlight?
„Das ist relativ einfach zu sagen: Corona.“
Aber gerade der Ferienwohnungsmarkt hat von der Pandemie doch stark profitiert …
„2020, als es mit Corona anfing, hatten wir einen sehr guten Start ins Jahr. Das erste Quartal eines Jahres ist aufgrund starker Frühbucherzahlen auch immer der Zeitraum, in dem wir unser Fundraising betreiben. Entsprechend hatten wir auch unsere Finanzplanung darauf ausgerichtet. Insofern war Corona ein emotionales Lowlight. Kein Investor wollte zu diesem Zeitpunkt in die Reisebranche investieren.“
Ab welchem Punkt waren Sie davon überzeugt, dass Ihr Angebot in dieser Krise eine besonders starke Nachfrage erleben würde?
„Das war für uns schon sehr früh klar. Wir haben gesagt: Entweder ist es die Zombieapokalypse (lacht) und es ist ohnehin alles andere egal, oder es wird so sein, dass sich die Menschen eher isolieren. Ein großes Hotel mit vollen Sälen und unter Umständen noch ein Buffet ist in puncto Ansteckungsgefahr natürlich etwas anderes als ein Ferienhaus. Insofern war unsere Schlussfolgerung: Wir sollten eigentlich die Letzten sein, die davon betroffen werden, und die Ersten, die auch wieder herauskommen.“
»Durch Corona sind Ferienwohnungen- und -häuser zum Mainstream geworden
In der Pandemie haben viele Urlauber erst Ferienwohnungen- und -häuser neu für sich entdeckt. Existiert das Interesse auch noch nach der Pandemie?
„Durch Corona ist das Thema zum Mainstream geworden. Viele haben in der Zeit zum ersten Mal ein Ferienhaus genutzt und gemerkt: Das ist gar nicht so schlecht und die Vorurteile, es gebe nur Omas Couch in einem besseren Abstellraum, stimmen nicht.“
Airbnb ist es gelungen, mittlerweile fast als Synonym für Ferienwohnungen genutzt zu werden. Davon ist Hometogo aber noch weit entfernt …
„Weit entfernt würde ich nicht sagen. Wir arbeiten daran. Es ist beeindruckend, was Airbnb mit der Marke gebaut hat. Das muss man nicht nur neidlos, sondern neidvoll anerkennen. Wenn auch wir das hinbekommen sollten, wäre ich natürlich sehr stolz. Uns ist aber vor allem wichtig, den Menschen klarzumachen, dass man nicht zwangsläufig bei Airbnb buchen muss. Ferienhäuser und -wohnungen gibt es zum Beispiel in Deutschland schon lange und es ist nicht notwendig, dafür eine amerikanische Plattform zu nutzen. Vor allem, wenn es mit Hometogo eine führende europäische Ferienhausplattform mit der weltweit größten Auswahl an Ferienhäusern gibt, die ihren Hauptsitz in Berlin hat.“
Sehen Sie bei den Buchungen auch Überraschungen?
„Wir machen rund 50 Prozent unseres Geschäfts mit deutschsprachigen Kunden, und da gibt es normalerweise nicht so große Überraschungen. Viele fahren eben an die Nordsee oder Ostsee. Was wir aber schon beobachten, ist, dass zum Beispiel Serien auf Streamingdiensten einen Einfluss haben. So zieht es Urlauber dann wegen ‚Game of Thrones‘ an die Drehorte in Kroatien oder wegen ‚White Lotus‘ nach Sizilien. Wir sehen das in unseren Daten an den Ausschlägen, und bei Sizilien war das ein Plus von etwa 140 Prozent.“
Hometogo-CEO Patrick Andrae: „Für uns war sofort klar, dass wir uns aus Russland zurückziehen“
Keine Ausschläge haben Sie derzeit in Russland. Auf www.hometogo.ru steht auf Russisch: „Die Website wird derzeit gewartet.“ Wann haben Sie entschieden, das Geschäft dort auf Eis zu legen?
„Für uns war sofort klar, dass wir uns aus Russland zurückziehen. Und der gezogene Stecker auf hometogo.ru ist auch blau-gelb. Das werden wir auch so lassen. Grundsätzlich versuchen wir aber, uns aus dem politischen Diskurs herauszuhalten. Und ich will unsere Kunden auch nicht politisch bevormunden. Das ist unser Grundsatz. Natürlich gibt es aber auch Fälle, in denen wir sagen: Das geht nicht. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist so ein Fall. Ein großer Teil unserer Mitarbeiter sitzt zudem in Litauen – insofern ist das auch bei uns intern eine besondere Thematik.“
War Russland finanziell relevant für Hometogo?
„Es war nie eine Fokusregion, insofern ist uns auch nicht viel Umsatz verloren gegangen.“
Hometogo hat auch ohne den russischen Markt 15 Millionen Unterkünfte im Angebot. Welchen Tipp würden Sie Urlaubern geben, damit sie immer das Richtige finden?
„Im Gegensatz zu Hotels sind Ferienhäuser und -wohnungen einzigartig: Und wenn eine Unterkunft in dem Zeitraum, in dem man sucht, gebucht ist, wird sie nicht angezeigt. Darum ist es sinnvoll, die Suche flexibler zu gestalten, indem man eine größere Zeitspanne eingibt. Dann hat man mehr Auswahl und findet unter Umständen auch günstigere Angebote. Hometogo hatte hierfür schon 2015 die flexible Suche erfunden, die übrigens erst im Rahmen von Corona auch bei Airbnb ähnlich gelauncht wurde.“
Zwischen Ferienhausanbietern und Kunden kommt es auch immer wieder zu Konflikten, weil Urlauber etwas anderes bekommen, als sie erwarten …
„In den meisten Fällen haben wir die passenden Kunden für die jeweiligen Objekte. Das sind in der Regel Familien, die wissen, dass sie keinen Hotelservice zu erwarten haben. Natürlich sollte man dennoch checken, ob beispielsweise die Fotos, die abgebildet sind, zur angegebenen Quadratmeterzahl passen. Weitwinkelaufnahmen können gerade bei Stadt-Apartments täuschen.“
„Das schwarze Schaf findet man im Zweifel leider eher bei den Einzelvermietern“
Nehmen Sie solche Objekte dann auch runter?
„Natürlich. Wir haben dafür einen speziellen Mechanismus. Man kann gewissermaßen eine Reißleine ziehen und dann ist das Objekt sofort offline. Es bringt uns nichts, den Leuten etwas zu verkaufen, was sie am Ende nicht mögen. Denn wenn jemand mit uns eine schlechte Erfahrung hat, wird er das im Zweifel auch mit uns in Verbindung bringen und zu uns kommen. Und selbstverständlich kümmern wir uns dann auch darum.“
Wie genau?
„Wir prüfen den Fall erst mal zusammen mit dem Anbieter. Der Vorteil bei Hometogo ist, dass der Großteil unseres Inventars von sehr professionellen Anbietern kommt, die die Unterkunft selbst managen. Da hat man solche Extremfälle wie z. B. versteckte Kameras nicht. Das schwarze Schaf findet man im Zweifel leider eher bei den Einzelvermietern.“
Was passiert, wenn sich ein Kunde über eine Unterkunft beschwert?
„Es kommt darauf an, was das Thema ist. Sollte es etwa vorkommen, dass ein Pool angegeben wurde, es sich aber um einen Gemeinschaftspool handelt, gehen wir dem nach. Solange so etwas nicht geklärt ist, nehmen wir die Unterkunft im Zweifel erst mal offline. Aber das ist immer eine Einzelfallentscheidung.“
Für Ferienwohnungen gelten derzeit je nach Land und dann Stadt oder Gemeinde teils unterschiedliche Regeln. Das ist sicher nicht in Ihrem Interesse …
„Natürlich ist es für uns als Plattform problematisch und auch nervig, wenn sich jede Region und jedes Dorf eigene Regeln ausdenken kann. Insofern wäre uns eine einheitliche Regulierung wichtig.“
„Es war vor allem wegen Airbnb, dass die Politik sich genötigt sah, strenge Regeln einzuführen“
Was genau ist aktuell die größte Herausforderung?
„Dass wir oft Ziel der Anfragen von Behörden werden, obwohl wir eventuell selbst gar kein eigenes Inventar haben. Wenn wir dann nicht antworten, geht die Behörde dem natürlich trotzdem nach. In unserer Rechtsabteilung ist das in manchen Monaten eine der größten Aufgaben. Bei den Franzosen gibt es eine Saison, in der die verschiedensten Départements und Städte alles abfragen. Unser Team ist dann ein paar Wochen damit beschäftigt.“
Aber letztlich ist es doch sinnvoll, den knappen Wohnraum zu schützen …
„Es war vor allem wegen Airbnb, dass die Politik sich genötigt sah, strenge Regeln einzuführen. Diese treffen als Kollateralschaden aber auch uns, obwohl wir im Zweifel gar nicht die Adressaten waren. Größere Unternehmen, zu denen wir mittlerweile auch zählen, können damit umgehen, aber kleinere sicherlich nicht. Am Ende macht man durch die Regulierung den eigenen Markt kaputt und verschafft einer großen US-Plattform noch einen Vorteil. Umso wichtiger ist für uns daher eine einheitliche Regulierung.“
Dass es eine geben muss, sehen Sie aber ein, oder?
„Man muss schauen, wo es sinnvoll ist. In Städten ist das sicherlich der Fall. Die Menschen wollen dort leben. Wenn man allerdings klassische Ferienregionen betrachtet, gibt es oft eine Art Dreiteilung.“
Inwiefern?
„Es gibt Menschen, die dort leben und arbeiten. Dann gibt es solche, die sich eine Ferienunterkunft kaufen, sie aber nur selbst nutzen wollen. Und dann gibt es als dritte Kategorie die Menschen, die die Ferienwohnung oder das Ferienhaus vermieten. Vor allem die zweite Kategorie wird in ländlichen Gegenden sogar oft noch weniger gern gesehen, denn im Zweifel sind die Besitzer nur ein- bis zweimal im Jahr da.“
„Selbst auf Sylt fände man es sicher nicht gut, wenn plötzlich gar keine Touristen mehr kämen“
Und dann leidet die ganze Region darunter …
„Deswegen werden Ferienunterkünfte begrüßt, weil die Urlauber auch essen gehen usw. Aber natürlich benötigt man auch Kategorie eins, also Menschen, die dort leben und arbeiten. Andernfalls gäbe es auch keinen Wohnraum für diejenigen, die sich um die Touristen kümmern. Wo Tourismus ein starker Wirtschaftsfaktor ist, haben lokale Behörden und Politiker sicher auch eine andere Sichtweise als in einer Stadt wie Berlin, wo man teilweise 20 bis 25 Euro pro Quadratmeter zahlt und die Ziele beim Wohnungsbau nicht erreicht werden. Hier ergibt es natürlich keinen Sinn, dass in hoher Anzahl Wohnungen als Ferienunterkünfte zu horrenden Preisen vermietet werden.“
Wie sollte eine einheitliche Regulierung aussehen?
„Es gibt bereits eine EU-Regulierung, die ein bisschen einheitlich ist. Das geht schon in die richtige Richtung. Aber dann sollte man einen Unterschied machen zwischen Ballungszentren, wo Leute wirklich leben und nicht nur Urlaub machen wollen, und Ferienregionen. Das sollten die Städte und Gemeinden selbst entscheiden können. Am Ende muss es eine Quotenregelung sein, die individuell von den Regionen bestimmt wird. Selbst auf Sylt fände man es sicher nicht gut, wenn plötzlich gar keine Touristen mehr kämen.“
Airbnb hat Sicherheitskameras im Inneren und teilweise auch im Außenbereich komplett verboten. Planen Sie so etwas auch bei Hometogo?
„Soweit ich weiß, ist das Thema bei uns so gut wie noch nie aufgekommen. Das liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass wir größtenteils professionelle Anbieter haben und sich die meisten Unterkünfte in Deutschland befinden, wo so etwas ohnehin nicht erlaubt ist. Und darum ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es bei uns verboten ist. Aber in den USA kann man selbst mit so einer Story Marketing betreiben.“
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»Es war eine Art persönliche Genugtuung, ein amerikanisches Unternehmen zu übernehmen
Sie haben bei Hometogo die Personalnummer 001, und das Unternehmen ist mittlerweile der größte Anbieter für Ferienunterkünfte weltweit – so mancher an Ihrer Stelle würde an so einem Punkt wahrscheinlich mit einem frühen Ruhestand liebäugeln …
„Da Hometogo börsennotiert ist, habe ich als Vorstand einen befristeten Vertrag. Und ich darf natürlich auch nicht sagen, ob ich ihn verlängere oder nicht. Aber ich kann über meine persönliche Motivation sprechen. Für manche ist der Gang an die Börse der Punkt, an dem sie sagen, dass sie es geschafft haben. Das ist nicht mein Blickwinkel. Wir befinden uns in einem sehr interessanten Markt, der wächst und viele Möglichkeiten für die weitere Entwicklung des Unternehmens bietet.“
Und Hometogo hat seit dem Start 2014 auch einige Entwicklungen durchgemacht …
„Ganz am Anfang haben wir mit der Metasuche für Ferienwohnungen und -häuser bereits einen Markt erobert und 2018 sogar mit Tripping.com unseren US-Konkurrenten aufgekauft. Das war ebenfalls ein Highlight und auch eine Art persönliche Genugtuung, als europäisches Unternehmen ein amerikanisches zu übernehmen. Dann haben wir angefangen, aus Hometogo einen Marktplatz zu machen. Mittlerweile schauen wir mit Hometogo Pro auch, wie wir Kunden im B2B-Bereich helfen können. Es gibt so viele spannende Sachen, und ich habe auch noch so viele Ideen –bevor ich die nicht zumindest mal ausprobiert habe, sehe ich keinen Grund wegzugehen.“
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„Meine Ansprüche bei der Ausstattung sind eher einfach und ich bin flexibel“
Aber Sie machen sicher auch mal Urlaub. Wohin zieht es Sie dann?
„Ich fahre gern mal an die Ostsee. Und sonst nach Italien, etwa an den Lago Maggiore oder nach Sardinien.“
Und wo übernachten Sie dann?
„In der Regel nutze ich das Ferienhaus.“
Worauf achten Sie dann?
„Im Sommerurlaub auf einen Pool oder die Entfernung zum Wasser, und beim Skifahren auf die Entfernung zum Lift. Aber so etwas wie einen Whirlpool oder Sauna brauche ich nicht. Meine Ansprüche bei der Ausstattung sind eher einfach und ich bin flexibel.“