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Aufregung auf Mallorca

Urlauber finden neue dreiste Methode, um die besten Liegeplätze am Strand zu reservieren

Sonnenschirme an der Playa de Palma: Ein Platz an der Sonne – wer eine Liege in der ersten Reihe reservieren will, muss früh aufstehen. Aber ist das überhaupt gestattet?
Ein Platz an der Sonne – wer eine Liege in der ersten Reihe reservieren will, muss früh aufstehen Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen
Yannic Stock
Redakteur

12. Juli 2024, 13:57 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Endlich wieder Urlaub mit Strand und Pool. Viele Hotels sind voll und damit kehren Unsitten zurück wie „Handtuchkriege“. Damit ist das Besetzen von Sonnenliegen am frühen Morgen gemeint. Aktuelle Bilder zeigen jetzt: Findige Urlauber besetzen nun sogar Liegen, die noch gar nicht da sind. TRAVELBOOK hat die Infos.

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Wer kennt nicht die Geschichten von frühmorgens am Hotelpool: Sobald die Anlage öffnet, stürzen Dutzende Urlauber los und reservieren mit Handtüchern die Liegen. Gleiches gilt natürlich für die an die Anlagen angrenzenden Badestrände – denn natürlich möchte jeder seinen Strandtag am liebsten in erster Reihe verbringen.

Mallorca-Urlauber reservieren Liegen, die gar nicht da sind

Auf der Deutschen liebsten Urlaubsinsel Mallorca werden die Sonnenanbeter dieses Jahr besonders kreativ, wie unter anderem Bilder des mallorquinischen „Inselradios“ auf Instagram zeigen. Darauf zu sehen: mit Handtüchern vollbehangene Sonnenschirme in der sommerlichen Morgensonne – und weit und breit keine Liegen darunter.

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Die Schweizer Tageszeitung „Blick“ erklärt das Phänomen: So würden am zu sehenden Strandabschnitt an der Playa de Palma die Liegen über Nacht verräumt und verriegelt; lediglich die fest installierten Schirme verblieben an ihrem Platz. Die Betreiberfirma sei erst ab ca. 8.30 Uhr mit Personal vor Ort, denn erst ab zehn Uhr beginne die offizielle Bewirtschaftung des Strandes, an dem Liegen und Schirme dann bis 19 Uhr kostenpflichtig zu mieten seien.

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Wie „Blick“ vermutet, könnte das Abräumen der Liegen zum Abend auch mit dem Ärger rund um die morgendlichen „Reservierungen“ zu tun haben. Wenn dem so ist, haben die Betreiber jedenfalls nicht mit dem Erfindungsreichtum sonnenhungriger Urlauber gerechnet.

Ärger um reservierte Liegen nach Corona besonders groß

Das Phänomen des Liegen-Reservierens ist zwar uralt, aber in den vergangenen Sommern löste es besonders viel Ärger aus. „Die Menschen haben durch die Corona-Pandemie lange auf ihren Urlaub gewartet und haben vielleicht noch mehr als vorher das Gefühl, sie müssten alles aus dem Urlaub herausholen“, sagt Tourismus-Experte Alexis Papathanassis. „In vielen Urlaubsländern gibt es aber einen Fachkräftemangel in der Hotellerie, da wird es Einschränkungen bei den Dienstleistungen geben. Wenn die Leute deshalb schon unzufrieden sind, gewinnen kleine Ärgernisse wie besetzte Sonnenliegen zusätzlich an Bedeutung.“ Papathanassis, Rektor der Hochschule Bremerhaven und Professor für Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Touristik/Seetouristik, hat das Phänomen erforscht.

Wie Hotels gegen das Reservieren von Liegen vorgehen

Der Frühsport in Badelatschen gehört nicht nur auf Mallorca, sondern auch auf anderen Ferieninseln wie Teneriffa zu den Badeferien. Dort hat ein Hotel deshalb einen „Pool-Sheriff“ im Einsatz, wie es ein Video auf TikTok zeigt: Der räumt die reservierten Sonnenliegen morgens wieder leer, weil Reservierungen vor zehn Uhr in der Anlage verboten sind.

Unterlegt ist der Sheriff-Einsatz mit einem Lied von Bonnie Tyler „Holding out for a Hero“ – „Ich warte auf einen Helden“. Das Hotel reagierte damit auf das Video einer Urlauberin, die eine Aufräumaktion dort gefilmt hatte. „Klasse, ich habe so die Nase voll von Leuten, die die Regeln missachten und niemand unternimmt etwas!“, schrieb jemand zum Video der Urlauberin.

Für Hotels ist das Ganze ein kniffliges Problem. Sie wollen ja rundum zufriedene Gäste – dazu gehören auch die, die sich morgens an dem Run auf die Sonnenliegen beteiligen. Ferienveranstalter und Hotelketten reagieren zugeknöpft auf Anfragen, wie sie damit umgehen. „Zum Thema ‚Reservieren von Pool-Liegen‘ gibt es keinen Leitfaden oder dergleichen von Accor“, teilt die gleichnamige Hotelkette mit.

Liegen reservieren ist oft unnötig

Der Reiseanbieter Tui sagt, in seinen Hotels gebe es meist genügend Sonnenliegen für alle. Das Personal stelle auch gerne zusätzliche Liegen auf oder helfe, Liegen, die augenscheinlich nicht mehr genutzt werden, freizuräumen, sagt Sprecher Aage Dünhaupt. „In manchen Hotelanlagen kann man sich zum festen Preis auch luxuriösere Sonnenbetten mit besonderem Essens- und Getränkeangebot reservieren. Das wird immer beliebter“, sagt er. Bei Club Med gebe es auch meist genügend Liegen, sagt eine Sprecherin. In kleineren Anlagen sei es untersagt, Liegen zu reservieren.

Tourismusexperte Papathanassis befasste sich 2019 zusammen mit Stephanie Boecker in einem wissenschaftlichen Sammelband mit dem Handtuch-Krieg. Sie werteten Dutzende Online-Quellen und Nutzerkommentare aus und führten Interviews mit 28 Touristen. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass viele Urlauber wegen der Medienberichte mit einer Sonnenliegen-Knappheit geradezu rechnen. Sie würden sich deshalb von vornherein auch Liegen am Pool reservieren.

„Das ist ein bisschen wie mit dem Klopapier-Hamstern zu Beginn der Corona-Pandemie“, sagt Papathanassis. „Leute hören, dass angeblich etwas knapp ist, und verhalten sich dann so, dass es wirklich knapp wird.“ Zudem gingen viele Leute davon aus, dass alle anderen genauso denken wie sie selbst. Ein Bedürfnis nach Routine und Sicherheit werde auch als Grund für die Besetzung von Liegen genannt.

Liegen reservieren – eine deutsche Spezialdisziplin

Briten verunglimpfen Deutsche gerne als „beach towel brigade“ – Strandhandtuch-Brigade. Vor Jahren hat eine britische Brauerei das in einem Werbespot verulkt: Während ein Pulk beleibter Deutscher aufgeregt zum Pool rennt, schleudert ein cooler Brite eine Handtuchgranate aus dem Fenster. Sie springt wie ein flacher Stein über den Pool, landet auf einer Sonnenliege und das Handtuch entrollt sich elegant mit einer Bierdose darin.

Auch die Schweizer Fluggesellschaft Swiss nahm die Deutschen mit einer Werbeaktion aufs Korn. Sie schickte Schauspieler in den bunten Uniformen der Schweizergarde, die eigentlich den Vatikan bewacht, 2016 an den Strand von Palma de Mallorca, um die von Deutschen reservierten Liegen zu bewachen und dazu kühle Getränke zu reichen.

Die Club-Med-Sprecherin sagt: „Je mehr deutsche Gäste, desto mehr Liegen werden reserviert – im Club Med Kamarina ist das Verbot sogar der einzige Hinweis im Resort, der auch auf Deutsch übersetzt wurde.“ Das Klischee, dass es immer nur die Deutschen sind, stimmt aber nicht: Die Briten seien auch „erbitterte Akteure im Handtuchkrieg“, schrieb die Hotelkette Accor in ihrem Magazin. Papathanassis und sein Team machten auch Franzosen, Griechen und Briten als Liegen-Besetzer aus.

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Künstlich aufgebauschtes Thema

Viele Menschen scheuen sich, besetzte Liegen selbst zu räumen. Das passiere „aus Angst vor einer Konfrontation mit einem wütenden Sonnenliegen-Blockierer“, schrieben Papathanassis und sein Team. Das führe aber zu Frust. Die meisten Leute fänden deshalb klare Regeln, die wie auf Teneriffa auch durchgesetzt werden, gut. Für manche sei das Spektakel um besetzte Liegen auch amüsant. Sie „sehen ihren Urlaub durch die Aufregung einer Konfrontation bereichert“, heißt es.

Papathanassis findet, das Thema werde künstlich aufgebauscht. „Ich forsche auch zu Steuerhinterziehung und Geldwäsche, oder Alkohol und Kriminalität bis zu sexueller Gewalt in der Tourismusbranche. Das sind wirklich skandalöse Themen, die man angehen müsste – aber die größte Resonanz gibt es bei Handtuch-Kriegen. Dabei ist das ein Thema, dass nun wirklich keine Top-Priorität im Tourismussektor hat.“

Mit Material von dpa

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