6. April 2022, 10:14 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
In der Corona-Zeit waren Kunden weltweit von Reise- und Flugstornierungen betroffen. Doch trotz geltenden Rechts warten bis heute viele auf ihr Geld. Häufig wird in diesem Zusammenhang das Flugvermittlungsportal Opodo genannt. Dabei wird auch der Kundendienst immer wieder kritisiert. TRAVELBOOK hat sich die im Raum stehenden Vorwürfe angeschaut, mit Reiserechtsexperten gesprochen und Opodo konfrontiert. Die Ergebnisse unserer Recherche.
Wer online Flüge bucht, stolpert mit großer Wahrscheinlichkeit über Opodo. Das Online-Buchungsportal wurde vor mehr als 20 Jahren von mehreren europäischen Fluggesellschaften gegründet. Dabei handelt es sich bei Opodo, ähnlich wie beim Konkurrent Expedia, lediglich um einen Vermittler. Wer bei Opodo bucht, geht einen Vertrag mit der Fluggesellschaft ein, nicht jedoch mit dem Unternehmen, über das die Transaktion abgehandelt wird. Diese Tatsache dürfte für die meisten Kunden nicht ins Gewicht fallen, solange die Reise wie geplant verläuft. Doch mit Corona gab es zahlreiche Stornierungen und Opodo sah sich, wie viele in der Reisebranche, mit zahlreichen Erstattungsforderungen konfrontiert – die jedoch scheinbar vielfach nicht umgesetzt wurden. Im Internet finden sich Hunderte Berichte von Betroffenen, die von schlechten Erfahrungen mit Opodo schreiben. Viele Reisende warten offenbar seit Beginn der Corona-Pandemie auf die Erstattungen.
Die dargestellten Fälle sind dabei vielfältig. Mal sind nur Flüge betroffen, mal auch Hotels, mal handelt es sich um Beträge unter 100 Euro, mal liegt die Entschädigungssumme im mittleren vierstelligen Bereich. TRAVELBOOK liegen sieben Fälle inklusive Buchungsdaten und Mail-Verkehr mit Opodo vor, die zeigen, wie Kunden über Wochen und Monate versucht haben, die Erstattungen durchzusetzen. In allen sieben Fällen waren diese Bemühungen (zunächst) vergeblich.
Diese Erfahrungen machten Kunden mit Opodo
Zwei Jahre keine Entschädigung für stornierte Flüge
Ein Fall ist der von Michaela R., die für die vierköpfige Familie über Opodo Flüge mit British Airways nach Südafrika im Dezember 2020 buchte. Die Familie musste die Reise wegen der Pandemie jedoch absagen, da die Regelungen eine Einreise nicht erlaubt hätten – und so stornierte sie die Flüge. Die Schwester von Michaela R. erhielt nach sechs Wochen eine vollständige Rückerstattung – Michaela R. jedoch nichts. „Zig Telefonate und immer andere Ansprechpartner führten irgendwann dazu, dass ich eine Teilzahlung erhielt. Wenige Tage später eine zweite Teilzahlung. Aber bis heute fehlt immer noch ein Betrag von 800 Euro“, berichtete sie. Als Begründung führte Opodo Frau R. gegenüber an, British Airways wolle nicht zahlen. Frau R. fragt sich: „Wieso hatte meine Schwester gar keine Probleme?“
»Ich habe es aufgegeben
Sabine L. hatte mit einem ähnlichen Fall von stornierten Flügen zu kämpfen. Im September 2020 buchte sie Flüge nach Portugal, die allerdings von der Airline abgesagt wurden, „worüber ich nicht von Opodo informiert wurde, sondern es nur erfahren habe, weil ich in die Buchung geschaut habe“, berichtet Sabine L. Nach einem ersten telefonischen Kontakt im Oktober 2020 konnte sie kurz darauf in der Buchung eine Entschädigung beantragen. Abermals zwei Wochen später erhielt sie eine Rückzahlung von 80 Euro – etwa ein Zehntel des Preises für die Flugtickets. Auf abermalige Nachfrage wurde sie immer weiter verwiesen. Schlussendlich reagierte niemand mehr auf ihre Nachrichten. Stattdessen wurde in der Flugbuchung nun angeführt, der Flug hätte stattgefunden, was jedoch nachweislich nicht korrekt ist. „Im Postfach ‚Erstattung‘ steht bis heute ‚Erstattung ausstehend‘. Nach über einem Jahr habe ich auch aufgegeben, an mein restliches Geld zu kommen“, resümiert Sabine L.
Gutscheine, die niemand akzeptiert
Auch Franziska R. machte schlechte Erfahrungen mit Opodo. Sie wartete mehr als zwei Jahre auf eine Erstattung. Sie wollte im Mai 2020 eine Reise antreten, jedoch hatte wegen der Corona-Maßnahmen das gebuchte Hotel geschlossen. Es entstand ein Schaden von 900 Euro. Nach mehreren Kontaktversuchen stellte Opodo Frau R. schließlich einen Gutschein in Höhe der Hotelkosten aus, doch: „Den Gutschein kann ich nicht bei Opodo einlösen und das Hotel akzeptiert keine von Opodo ausgestellten Gutscheine.“
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Reaktion von Opodo zu offenen Zahlungen
Wie reagiert Opodo auf die Vorwürfe? TRAVELBOOK konfrontierte das Unternehmen mit den Fällen. „Als Reisebüro fungieren wir als Vermittler zwischen Reiseanbietern und Reisenden. Die Verordnung EG 261, die für Flüge innerhalb der EU gilt, besagt, dass die Fluggesellschaften gesetzlich verpflichtet sind, den Fluggästen die Kosten zu erstatten. Aus dem Gesetz geht eindeutig hervor, dass die Erstattung von der betreffenden Fluggesellschaft vorgenommen werden muss“, teilte eine Sprecherin mit. Man sei nur in der Lage, Geld an Kunden weiter zu überweisen, das vorher von der Fluggesellschaft eingegangen sei. Sollte die Rückerstattung länger dauern, läge die Schuld somit bei den Fluggesellschaften. „Trotz der enormen Bemühungen von Opodo/eDreams, Verbraucher:innen so schnell wie möglich ihr Geld zurückzuerstatten, halten Fluggesellschaften weiterhin Rückzahlungen ein“, heißt es weiter.
Das ist tatsächlich korrekt, wie Reiserechtsexpertin Claudia Brosche von Flightright TRAVELBOOK bestätigt: „Letztlich ist Opodo nur ein Vermittler von Flügen. Der Vertrag zur Beförderung kommt letzten Endes mit der Fluggesellschaft zustande. Daher ist es auch die Fluggesellschaft, die die Entschädigung beziehungsweise die Ticketrückerstattung zu leisten hat.“ Das heißt: Kunden, die über Opodo buchen und über das Portal auf eine Erstattung hoffen, sind tatsächlich auf den guten Willen des Unternehmens, bei den Fluggesellschaften immer wieder nachzuhaken, angewiesen.
Von Opodo heißt es weiter, „die Teams im gesamten Unternehmen arbeiten fortlaufend intensiv daran, die Situation so weit wie möglich zu mildern.“ Doch kommt dieser Einsatz auch bei den Kunden an?
Opodos Kundenservice? Eine Liga für sich
Scheinbar nicht. Denn vielfach wird neben den fehlenden Erstattungen der Kundenservice von Opodo als eine besonders negative Erfahrung hervorgehoben. Wo eigentlich Hilfe geboten werden sollte, geben die Kunden an, weiter verunsichert zu werden – wenn sie den Kundenservice überhaupt erreichen. So wird berichtet, man habe „stundenlang in der Telefon-Warteschleife gehangen“ oder Hotline-Nummern seien abgeschaltet worden. Der von Opodo empfohlene Chat-Assistent auf der Webseite erweist sich oft als wenig hilfreich, wie auch ein Test der TRAVELBOOK-Redaktion zu verschiedenen Fällen bestätigt.
Auch Josephine Frindte von der Verbraucherzentrale Berlin kennt das Problem, dass Opodo nicht erreichbar ist. „Meist geht es darum, dass ein über Opodo gebuchter Flug annulliert oder verschoben wurde, der Kunde oder die Kundin sich bezüglich der Rückerstattung der Flugkosten versucht, an Opodo zu wenden und dies meist daran scheitert, dass Opodo weder telefonisch noch per E-Mail zu erreichen ist“, sagt Frindte.
Schaffen es die Kunden, mit einem Mitarbeiter von Opodo zu sprechen, berichten viele über Verständigungsprobleme. „Leider hat man bei Opodo häufig einen Ansprechpartner am Telefon, der sehr schlecht Deutsch spricht oder versteht“, berichtet etwa Michaela R.. Auch Franziska R. sagt: „Leider sitzen Mitarbeiter an der Hotline, die weder der englischen noch deutschen Sprache mächtig sind. Die Mitarbeiter verstehen nur vereinzelte Worte und antworten immer, dass sich jemand melden und der Fall überprüft werde. Dies geschieht allerdings nicht.“
In mindestens einem Fall, der TRAVELBOOK vorliegt, gab es auch eine eindeutige Falschinformation. Hier sprach der Mitarbeiter davon, die Entschädigung würde bei dem vorliegenden Flug nicht ausgezahlt werden – obwohl besagter Flug von der Airline annulliert wurde und somit nach EU-Recht eindeutig erstattungsfähig ist.
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Reaktion von Opodo zum Kundenservice
TRAVELBOOK hat Opodo mit den Vorwürfen konfrontiert. Dort heißt es als Antwort: „In einigen Fällen kann es vorkommen, dass Fehler gemacht werden, was menschlich ist. Wir leiten diese Vorfälle sofort an unsere Teams für Qualitätssicherung und Schulung im Kundendienst weiter, um zu verhindern, dass sich eine ähnliche Situation in Zukunft wiederholt.“ Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kundendienstes würden zudem an einer mindestens 112-stündigen Einführungsschulung teilnehmen, die „durch wöchentliche Schulungen, tägliche Berichte und Überprüfungen unserer Prozesse“ ergänzt werde.
Hinsichtlich der Wartezeiten heißt es von Opodo, man habe in den letzten Monaten die Kundendienstkapazitäten um 200 zusätzliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufgestockt und die „Wartezeiten für Anrufe aufgrund der erhöhten Kapazität auf durchschnittlich 80 Sekunden verkürzt“. Diese 80 Sekunden decken sich allerdings weder mit der Recherche der Redaktion noch mit den zugespielten Berichten.
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Nach Presseanfrage wurden die ausstehenden Fälle gelöst
Interessant ist, dass fast alle Fälle, mit denen TRAVELBOOK Opodo konfrontierte, kurz darauf doch noch gelöst wurden. Selbst Kunden, die seit Jahren vertröstet worden waren, erhielten nun das ihnen zustehende Geld zurück. Man habe die entsprechenden Airlines abermals kontaktiert, Fälle neu analysiert und teils aus Kulanz eigentlich anfallende Gebühren erstattet, hieß es vonseiten Opodos.
Die nun gelösten Fälle, die mehrheitlich seit Jahren die Kunden beschäftigen, führten nun vielfach zu großer Freude. Dennoch wurde mehrfach der Redaktion gegenüber die Vermutung geäußert, die Fälle seien nur wegen des erhöhten Drucks gelöst worden. „Ohne diese Aufmerksamkeit hätten wir, da bin ich mir sicher, nichts mehr von dem Betrag gesehen“, sagt etwa Franziska R.. Und Sabine L. fasst ihren Frust nach der Erfahrung mit Opodo zusammen: „Es ist traurig, dass man als ‚Normalbürger‘ eineinhalb Jahre hingehalten wird. Das beweist mir für die Zukunft, dass ich nie wieder bei Opodo buche.“
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Was können Kunden, die schlechte Erfahrungen mit Opodo gemacht haben, tun?
Doch was, wenn man bereits gebucht hat? Was können Kunden tun, um doch noch eine Entschädigung zu erhalten? „Es ist kein Einzelfall, wenn Kunden auf ihre eigenen Anfragen entweder ablehnende oder sogar gar keine Antwort seitens der Fluggesellschaften erhalten“, weiß Fluggastrechtsexpertin Claudia Brosche von Flightright. Schwierig ist die Rechtsdurchsetzung bei Opodo zudem, weil das Unternehmen seinen Sitz verlagert hat, wie Jospehine Frindte von der Verbraucherzentrale betont: „Da sich das Unternehmen nun auch aus Deutschland zurückgezogen hat, dies also postalisch ausschließlich in Spanien zu erreichen ist, erschwert dies häufig die Rechtsdurchsetzung.“
Was also tun? In jedem Fall benötigen Kunden, insofern sie bereits in Kontakt mit den Airlines oder dem Vermittlungsportal getreten sind, zur Durchsetzung einen starken Partner. Das kann entweder ein Rechtsanwalt sein, die Verbraucherzentrale oder ein Portal wie Airhelp oder Flightright. „Wir setzen uns mit den Fluggesellschaften außergerichtlich bzw. gerichtlich auseinander, um die Forderung des Fluggastes durchzusetzen. Im Erfolgsfall erhält der Kunde seine Entschädigung, abzüglich einer Provision, ohne sich mit der Airline streiten zu müssen. Verlieren wir vor Gericht, trägt der Kunde keinerlei Kosten, denn diese trägt Flightright für den Passagier“, erklärt Brosche. Allerdings verlieren Kunden in diesem Fall eben einen Teil der Erstattungssumme – bei Flightright immerhin 20 Prozent. Auf eine Summe von 1000 Euro hochgerechnet sind das 200 Euro.
Das Fazit lautet demnach: Im Zweifelsfall bei der Airline direkt buchen, dann kann man direkt in die Kommunikation treten, und statt Low-Cost eher auf vertrauenswürdige Fluggesellschaften setzen. Auch wenn auch das – leider – keine Garantie darstellt.