20. September 2022, 10:54 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Lange bestellten erstaunlich viele Menschen im Flugzeug Tomatensaft. Die Gründe dafür, und warum die Nachfrage zumindest bei einigen Airlines zurückgegangen ist – alles dazu lesen Sie bei TRAVELBOOK.
Übersicht
Tomatensaft schmeckt im Flugzeug anders
In der Luft kommen die Aromen verschiedener Speisen und Getränke anders daher. Das belegen unter anderem die Ergebnisse einer Untersuchung im Fachblatt „Journal of Experimental Psychology“. Darin heißt es, dass unter anderem die lauten Geräusche im Flugzeug den Sinneseindruck von Pikantem verstärken, während Süßes weniger intensiv wahrgenommen wird. Dies gilt als eine Erklärung dafür, dass die Bord-Menüs einigen Fluggästen nicht munden.
Manches jedoch soll in der Luft besser schmecken. Und dazu zählen, wie Forscher am Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) festgestellt haben, auch Tomaten. Der veränderte Luftdruck und die niedrigere Luftfeuchtigkeit auf 10.000 Metern Höhe beeinflussen demnach die Geschmacksnerven dahingehend, dass etwa „Tomatenessenzen zu einem harmonischen Geschmackserlebnis beitragen können“.
Hierzu sei gesagt: Nichts ist so subjektiv wie der Geschmack. Selbst wenn also die Kabinenatmosphäre das Aroma von Tomatensaft verändert beziehungsweise verstärkt, heißt das nicht, dass es automatisch bei allen Fluggästen gut ankommt. Ernährungswissenschaftler und Buchautor Uwe Knop vermutet daher gegenüber TRAVELBOOK in vielen Fällen psychologische Beweggründe: einen Nachahmereffekt. „Nach dem Motto, was der hat, will ich auch.“
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Tomatensaft gegen Thrombose
Daneben gibt es auch einige Fluggäste, die aus gesundheitlichen Gründen auf Tomatensaft im Flugzeug schwören. Das Gemüse enthält verschiedene bioaktive Substanzen (zum Beispiel Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe), von denen einige vor Krankheiten schützen sollen. Drei bis vier Tomaten am Tag, so heißt es, können einer Thrombose vorbeugen. Und weil ausgerechnet Flugreisen häufig mit einer Thrombosegefahr assoziiert werden – aufgrund der verminderten Blutzirkulation durch das lange Sitzen –, erscheint vielen Menschen die Bestellung eines Tomatensafts als vernünftig.
Aus diesem vermeintlichen Grund sollte man jedoch keinen Tomatensaft bestellen, mahnt Knop. Denn die angeblichen gesundheitlichen Wirkungen von Tomatensaft seien „frei erfunden“, es existierten dafür keinerlei wissenschaftliche Beweise.
Besser: Zitronensaft
Wer aufgrund von Vorerkrankungen gefährdet ist, eine Thrombose zu entwickeln, der sollte zur Prävention Kompressionsstrümpfe tragen. Darüber hinaus kann die Person einen Tomatensaft bestellen – vor allem natürlich dann, wenn sie den Geschmack mag.
Geht es jedoch um die Wirkung auf den Blutfluss, sollen Fluggäste mit Zitronensaft besser beraten sein. Das wollen chinesische Forscher herausgefunden haben. Demnach kann eine Zitronensaft-Wasser-Mischung (zu jeweils 50 Prozent) den Blutstrom durch die Beinvenen um rund 19 Prozent steigern. Über die Studie hat unter anderem die „Deutsche Apothekenzeitung“ berichtet.
Fluggäste erhoffen sich Sättigung durch Tomatensaft
Es gibt noch eine weitere Theorie dafür, warum viele Menschen im Flugzeug gern Tomatensaft trinken. So versprechen sie sich von der dickflüssigen „Suppe“ ein Sättigungsgefühl, das mit beispielsweise einem Glas Wasser geringer ausfallen dürfte. Zudem enthalten Tomaten das Spurenelement Chrom, das den Insulinspiegel günstig beeinflusst.
Aber macht das wirklich satt? Wäre im Sinne einer schlanken Linie genial, denn à 100 Milliliter liefert Tomatensaft nur rund 17 Kalorien. Laut Ernährungswissenschaftler Knop ist das aber leider ein Märchen. Er versichert: „Vor allem in den winzigen Mengen, die man im Flugzeug trinkt, stellt sich sicherlich keine Sättigung ein.“
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Tomatensaftnachfrage ist stark zurückgegangen
Wer aktuell viel fliegt, etwa mit einer bekannten großen deutschen Airline, der dürfte nur noch selten Sitznachbarn am Tomatensaft nippen sehen. Dabei wäre das vor wenigen Jahren noch locker jeder vierte Fluggast in der Economy Class gewesen, erinnert sich im Gespräch mit TRAVELBOOK Michelle P.* Seit Anfang 2021 gibt es das beliebte Getränk bei ihrem Arbeitgeber nur noch gegen Bezahlung. Und das wollen sich die wenigsten deutschen Passagiere „leisten“, so die Insiderin.
*Name von der Redaktion geändert, die Flugbegleiterin möchte anonym bleiben.