10. Dezember 2014, 12:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Etwas langsam, aber unschlagbar billig: Mit dem Fernbus reisen immer mehr Deutsche. Doch günstige Preise gebe es nur zu Lasten der Fahrer – und damit der Sicherheit, meinen Kritiker. Die Branche widerspricht. Wie sicher sind Fernbusse wirklich?
Warnblinker leuchten, Reifen qualmen, mit einem Ruck geht der Bus in die Knie, nur der Gurt hält den Fahrer noch im Sitz – eine Vollbremsung kurz vor einer Absperrung. Doch Thomas Schichler ist nicht zufrieden. „Das geht noch härter“, ruft der Trainer dem Busfahrer zu. „Du musst voll auf der Bremse bleiben, bis zum Stillstand.“
Eine richtige Vollbremsung, das müssen auch altgediente Fahrer oft noch lernen. „Die scheuen das wie der Teufel das Weihwasser“, sagt Schichler, zu groß die Angst, Fahrgäste zu verletzen. Erst beim Sicherheitstraining in Groß Dölln lernt mancher Fahrer, richtig in die Eisen zu steigen.
Auf den früheren Militärflughafen in Brandenburg hat an diesem trüben Dezembertag der Fernbus-Betreiber Berlin Linien Bus geladen, weil die Unternehmensspitze gemerkt hat, dass es für den Fernbus in der Öffentlichkeit gerade nicht gut läuft. Geschäftsführer Jörg Schaube sagt es so: „Wir erleben seit einiger Zeit, dass die Berichterstattung zunehmend kritischer wird.“
Fernsehbilder von übermüdeten Busfahrern, Chaos an Busbahnhöfen und Berichte über Lohndumping machen der Branche zu schaffen. Nach zwei Jahren anhaltenden Booms droht der Glanz des Fernbusses Schrammen zu bekommen.
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„Zu viele schwarze Schafe“
Das sieht auch Helmut Diener so. „Der Fernbus ist eigentlich eine gute Alternative“, meint der Geschäftsführer des gewerkschaftsnahen Vereins Mobifair. Aber es gebe zu viele schwarze Schafe. Bei ihnen müssten Fahrer zu lange am Steuer sitzen, Ruhezeiten gingen für das Saubermachen oder Snackverkauf drauf. Unbezahlte Überstunden häuften sich, kritisiert Diener. „Die werden ausgebeutet.“
In dem Markt mit Hunderten Subunternehmern sei das aber oft schwer nachzuweisen. Besser werde es nur mit schärferen Kontrollen und höheren Fahrpreisen. Die Gewerkschaft Verdi fordert überdies Qualitätssiegel.
Die Kritiker sehen die Ursachen im Preiskampf unter den Busanbietern, die Reisende etwa für acht Euro von Berlin nach Hamburg bringen oder für sieben Euro von Stuttgart nach München. „Acht Cent, zehn Cent pro Kilometer, das ist ein Preis, den man eigentlich nehmen müsste, um fair zu produzieren“, rechnete Christian Janisch, der Gründer von DeinBus.de im ZDF vor. „Im Moment sind wir bei drei bis vier Cent.“ Seit einem Monat ist der Pionier DeinBus.de zahlungsunfähig.
Verbesserungsbedarf sieht auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland, der Fernbussen sonst viel Gutes abgewinnt. „Wir erwarten, dass sämtliche Sozial- und Sicherheitsstandards eingehalten werden“, sagt der Vorsitzende Michael Ziesak. Fahrpläne seien oft so eng, dass sie jeder Stau aus den Fugen werfe – was Fahrer stresse. Auch viele Haltestellen seien mangelhaft.
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Mehr Kontrollen müssen her
In Berlin, einem der wichtigsten Haltepunkte, berichtet die Polizei von Verstößen gegen Lenk- und Ruhezeiten. Noch aber ist das Bild bundesweit lückenhaft, das zeigen etwa Kontrollen auf Busbahnhöfen in Niedersachsen in diesem Herbst. Hannover: 19 Fernbusse, 45 Verstöße. Braunschweig: 11 Busse, 21 Verstöße. Oldenburg: kaum Beanstandungen. Fazit der Beamten: mehr Kontrollen.
„Die Branche muss mit solchen Anschuldigungen leben“, lässt der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer die Kritik abperlen. Es gebe keine belastbare Untersuchung, die ein strukturelles Problem bestätige, sagt Sprecher Matthias Schröter. „Im Gegenteil: Die Busunternehmen überzeugen durch ihre tägliche harte Arbeit, wie sicher, sauber und komfortabel das Verkehrsmittel ist.“ Der Verband verweist auf die Unfallstatistik, nach der der Bus das sicherste Fortbewegungsmittel sei.
Im Bus in Groß Dölln hält sich Berlin-Linien-Bus-Chef Schaube am Vordersitz fest. Am Steuer demonstriert der Trainer gerade seine Lieblingsübung: Vollbremsung und Ausweichen auf glatter Straße bei Tempo 100. Alle Fahrer des Anbieters müssen das Training machen – zusätzlich zu den Pflichtfortbildungen, wie Schaube betont, als die Tortur überstanden ist. „Damit unsere Fahrgäste immer sicher unterwegs sind.“