9. Mai 2016, 10:20 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Nie war es für Laien leichter, einen guten Film zu drehen. Schließlich hat heute jeder Smartphone-Besitzer die Kamera immer dabei. Und für Qualität, Effekte und Schnitt sorgen die verschiedensten Apps. TRAVELBOOK zeigt, was Sie für einen guten Urlaubsfilm brauchen – und worauf Sie beim Dreh achten sollten.
Man kann aus seinem Urlaub Tausende von Fotos mitbringen, diese mühsam in digitalen Alben sortieren, vielleicht sogar als Fotobuch ausdrucken – um am Ende von Verwandtschaft und Freunden doch nur müde durchgeklickt oder -geblättert zu werden. Oder aber man dreht einen kurzen Film, der so lustig, spannend oder originell ist, dass er nicht nur das eigene Umfeld begeistert, sondern vielleicht sogar im Netz für Aufmerksamkeit sorgt.
Schön und gut, denken Sie. Nur: Sie haben keine Ahnung, wie man einen Film dreht, und am Rechner sind Sie auch nicht gerade so wahnsinnig fit? Kein Problem. Sie brauchen nur ein Handy, ein paar Apps und ein bisschen Einarbeitungszeit, den Rest erledigt die Technik. Schöner Nebeneffekt: Spaß macht das Ganze auch noch! Also legen wir los:
1. Die Grundausstattung
Eigentlich brauchen Sie nur ein Smartphone und eine lange Schnur. Wozu die Schnur? Sie kann verhindern, dass die Aufnahmen verwackelt werden – und passt, im Gegensatz zum Stativ, in jede Hosentasche. Und so geht’s: Einfach die Schnur an dem einen Ende um das Handy knoten und am anderen Ende den Fuß daraufstellen. Nun beim Filmen einfach das Handy leicht nach oben drücken, durch den so entstehenden Zug wird die Kamera stabilisiert. Für Aufnahmen im Sitzen eignet sich auch ein kleines Säckchen, gefüllt mit Reis oder Bohnen, auf das man das Handy auf dem Tisch, ähnlich einem Sitzsack, in Position bringen kann.
2. Die gehobene Ausstattung
Natürlich macht ein Stativ vieles einfacher, vor allem bei Zeitrafferaufnahmen oder Veranstaltungen. Allerdings ist solch ein Zubehör auf Reisen ein zusätzliches Gepäckstück. Ein externes Mikrofon ist hingegen weniger raumgreifend und durchaus zu empfehlen. Das in einem Handy verbaute Mikrofon ist nämlich sehr klein und auf die Aufzeichnung von Sprache optimiert. Zudem führt so manche Berührung des Gehäuses oder das Bewegen der Hand mit dem Handy zu unangenehmen Störgeräuschen.
3. Die Basic-Apps
Natürlich brauchen Sie eine Kamera auf Ihrem Smartphone, aber die entsprechende App ist in der Regel schon auf dem Gerät. Wer ein paar Möglichkeiten mehr wünscht, als sie die Standard-Kamera bietet, sollte sich die App Videon herunterladen. Denn diese bietet vor allem in der Nachbearbeitung diverse Möglichkeiten – von Filter bis Effekten (zur Video-Einführung auf Englisch). Bei den Einstellungen dann einfach Auflösung 1280 x 720 und Bildrate 20:30 wählen – und loslegen. Wer seine Filme nicht am heimischen Rechner, sondern gleich im Urlaub schneiden und fertigstellen möchte, braucht eine entsprechende App auf dem Handy, etwa iMovie.
4. Das Licht
Nicht umsonst ist Beleuchter beim Film ein Lehrberuf. Denn so einfach ist es nicht, das richtige Licht für eine Einstellung zu finden, beziehungsweise herzustellen. Aber es gibt ein paar Grundregeln, die auch der Laie einfach befolgen kann. So ist Gegenlicht stets zu meiden, aber auch die pralle Sonne ist nicht ideal, sorgt sie doch für harte Schatten. Wer seine Kamera schwenkt, vor allem in Räumen, sollte das Licht manuell einstellen und fixieren, damit sich die Beleuchtung nicht während des Drehs ständig verändert und mal hell, dann wieder dunkel wird (über den Menüpunkt AE).
Wer Personen filmt, sollte das sogenannte Rembrandt-Licht anstreben, also die Person so ins Licht rücken, wie es der berühmte Maler tat: Nur eine Seite des Kopfes ist ausgeleuchtet, während die andere fast völlig im Schatten verschwindet – bis auf die kleine Fläche unter dem Auge. Diese Methode wird in der Porträtfotografie angewendet, schmeichelt aber natürlich auch Personen, die gefilmt werden.
5. Wohin mit den Akteuren?
Ins Licht natürlich. Aber nicht unbedingt in die pralle Sonne, dann lieber in den Schatten. Wichtig ist, dass das Gesicht gut ausgeleuchtet ist und harmonisch wirkt.
Damit der Gefilmte weder wie ein Zwerg noch ein Riese wirkt: in Augenhöhe filmen. Eltern kleiner Kinder machen das eigentlich automatisch. Allen anderen sei dies hiermit ans Herz gelegt.
6. Wenig wackeln
Das ist leicht gesagt. Stative und die oben erwähnte Technik mit der Schnur um den Schuh können helfen, stoßen aber auch an ihre Grenzen. Die Schnurtechnik zum Beispiel funktioniert nur, wenn mehr oder weniger in die gleiche Richtung gefilmt wird. Für spontane Situationen sind beide nichts. Es lohnt immer, sich selbst zu stabilisieren, also etwa irgendwo anlehnen. Und wem immer zu spät einfällt, dass er ja gar nicht hochkant filmen sollte, sondern besser quer, dem hilft die App Horizon, denn die filmt grundsätzlich nur im Querformat, egal wie Sie Ihr Handy halten – und hat zudem auch immer den Horizont im Blick.
7. Liebling, wer hat die Landschaft geschrumpft?
Sie fahren durch Landschaften, die so aufgeräumt und pittoresk daherkommen, dass Sie unweigerlich eine idealisierte Spielzeuglandschaft wie bei Modelleisenbahnen denken müssen? Nur: Ob sich dem Betrachter Ihres Films dieser Eindruck ebenfalls aufdrängt? Gehen Sie auf Nummer sicher und helfen Sie nach. Mit der Tiltshift-App schrumpft jede Berglandschaft auf Modellbahnniveau, jede Skyline auf Lego-Format. Einfach mit der herkömmlichen Kamera einen Film machen und dann in der App das zentrale Detail oder den Bildausschnitt bestimmen, die Geschwindigkeit erhöhen und: staunen wie Kinder.
Wenn man sich mit Tiltshift dem Karneval von Rio nähert, sieht das übrigens so aus:
8. Setzen Sie Farbakzente
Die gelben Taxen aus New York, die roten Telefonzellen in London oder einfach nur das unfassbare Pink des Cocktails an der Strandbar – mit der App Video Splash lassen Sie alles in Schwarzweiß tauchen, was nicht den Ton angibt, und das ist hier nur jene einzige Farbe, für die Sie sich vorher entscheiden. Was dabei herauskommt, wirkt so surreal wie konsequent. Und sieht zum Beispiel so aus:
9. Lassen Sie Dinos und Pinguine auftreten
So ein Urlaub an einsamen Stränden ist ja ganz romantisch, aber die Aufnahmen von menschenleeren und karg bewachsenen Dünen dürften daheim wohl kaum jemanden vom Hocker reißen. Es sei denn, Sie spielen ein bisschen Spielberg und lassen animierte Dinos über den Strand laufen – oder Pinguine unter Sonnenschirmen tanzen. Auch ein Riesenelefant könnte plötzlich des Weges kommen. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Dank der App Efexio.
Einfach den Filmausschnitt einladen und Monster oder Männchen so platzieren, dass es authentisch aussieht. So kann man neben der Größe etwa den Schatten, den das Wesen wirft, genau den Lichtverhältnissen anpassen. Tipp: Wer vorher weiß, welches animierte Wesen in seinem Film mitspielen soll, kann die Szenen natürlich entsprechend stellen und dramatisch gestalten. Monsterjagden, Alien-Begegnungen, Geister-Erscheinungen – all dies ist möglich. Oder Sie peppen einfach den Badesee im Umland mit ein paar Palmen auf, die sich sacht im Wind wiegen. Diese gibt es übrigens, im Gegensatz zu den meisten anderen Figuren, derzeit kostenfrei.
10. Erwecken Sie reglose Gegenstände zum Leben
Werten Sie Ihr Urlaubsvideo mit einer kleinen Trickfilmsequenz auf – und hauchen Sie reglosen Objekten Leben ein. Die Methode heißt Stop-Motion und ist ziemlich alt: Schon Ende des 19. Jahrhunderts war sie bekannt, um 1910 entstanden die ersten Trickfilme – und noch heute basieren die meisten animierten Filme auf dem Prinzip. Und das ist simpel: Es werden einfach diverse Bilder von einem Gegenstand, den man in der Zwischenzeit verändert oder verrückt, geschossen und am Ende zu einem Film aneinandergereiht. Wenn man das mit Lebensmitteln macht, sieht es etwa so aus:
Und so geht’s: Die entsprechende App, etwa StopMotion Café, anschalten und das Handy mit Stativ oder einem anderem Hilfsmittel positionieren. Die App wird jetzt in einem bestimmten Abstand Fotos machen, in der Zwischenzeit kann man die Gegenstände verrücken – etwa Salz- und Pfefferstreuer. Am Ende ergeben alle Fotos zusammengeschnitten eine kleine Animation und im Idealfall eine Geschichte, etwa die, wie sich Salz und Pfeffer plötzlich hoffnungslos ineinander verlieben? Diese Methode eignet sich übrigens auch fabelhaft, um lästige Wartezeiten auf Reisen zu überbrücken.
Ein umfangreiches Tutorial zur Stop-Motion-Methode hat der Medientechnik-Student Alexander Altendorfer auf seiner Internetseite zusammengestellt.
11. Werden Sie nostalgisch!
Sie trauern den Zeiten von Camcorder und 8-Millimeter nach? Dann machen Sie aus Ihrem Handy-Film doch ein Nostalgie-Produkt. Mit diversen Apps – etwa Videocam Illusion oder 8mm Vintage Camera – können Sie bereits während der Aufnahme Filter und Effekte auf die Bilder legen und haben so im Handumdrehen einen Film, der wie ein 8-Millimeter-Streifen aus den 70ern aussieht. Oder älter.
12. Und: Schnitt!
Zugegeben, ein bisschen einarbeiten muss man sich schon. Aber wenn man prinzipiell verstanden hat, wie die App für den Filmschnitt funktioniert, ist es wirklich kinderleicht, die Szenen zu einem spannenden Clip zusammenzufügen, mit Musik zu unterlegen, Titel und Übergänge einzufügen und den fertigen Film zu exportieren. Und das schöne: Man kann wirklich alles schon auf dem Handy machen und muss nicht warten, bis man wieder am heimischen Rechner sitzt. Tipp: Am besten gleich Rückflug oder -fahrt nutzen. Eine Video-Einführung (auf Englisch) in iMovie finden Sie hier.
13. Ein Intro basteln
Kein großer Film ohne professionelles Intro. Hier hilft die App Intro Designer, einen zum Thema passenden Vorspann zu kreieren, und zwar ohne großen Aufwand. Zur Auswahl stehen 21 Vorlagen – Templates – in verschiedenen Kategorien, die man mit wenigen Klicks personalisieren kann. Einfach Namen und Filmtitel eingeben und exportieren. Für Urlaubsfilme vor allem die Kategorien Travel, Nature, Simple und Cinematic durchsuchen.
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14. Den passenden Soundtrack finden
Die richtige Musik macht einen Film erst rund. Doch diese ist oft schwer zu finden. Natürlich kann man sich ganz einfach aus seiner eigenen Mediathek bedienen und beispielsweise seinen Lieblingssong aus den Charts als Soundtrack für seinen Urlaubsfilm wählen. Das Problem dabei: Wer den Film dann nicht nur selbst anschauen möchte, sondern auch in sozialen Netzwerken teilen will, kann Probleme bekommen.
Denn bei lizenzpflichtiger Musik ist das Video schneller wieder von der Plattform gelöscht, als es sich hochgeladen hat. Die beste und preisgünstigste Lösung: einfach selbst Musik machen. Wer Gitarre oder Klavier spielen kann, ist natürlich klar im Vorteil. Oder man kauft sich Gema-freie Musik bei privaten Anbietern, etwa Soundtaxi oder klangarchiv.net.