10. September 2022, 15:45 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der eine will im Urlaub den ganzen Tag in der Sonne liegen, der andere geht lieber in kühler Luft wandern. Die Wetteraussichten spielen bei der Wahl des Reiseziels eine wichtige Rolle. Doch gibt es auch ein Land, das für alle das richtige Klima zu bieten hat?
Üppige Vegetation und karge Landschaften, unglaublich viel Regen und wüstenähnliche Verhältnisse, frostige und tropische Temperaturen: Manche Länder bieten klimatische Extreme auf vergleichsweise kleiner Fläche. Doch welches ist am vielfältigsten? Jürgen Böhner, Professor für Physische Geographie an der Universität Hamburg, hat eine Antwort, die nur auf den ersten Blick überrascht. Er sagt, bei dem Land mit der größten klimatischen Vielfalt handelt sich um Nepal.
„Es hat diese extremen Höhenunterschiede, die kein anderes Land erreicht, von 8848 Meter auf dem Mount Everest bis unter 200 Meter in der Indus-Ganges-Ebene“, so Böhner.
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Wie zeigt sich die klimatische Vielfalt in Nepal?
Im hohen Himalaya auf mehr als 7000 Metern herrscht Permafrost. Hier überschreiten die Temperaturen selbst im wärmsten Monat des Jahres kaum die Grenze von 0 Grad. Im Tiefland gibt es dagegen zum Teil tropische Verhältnisse. Auch auf kurzen Distanzen zeigen sich im Land extreme Unterschiede, etwa im Kali-Gandaki-Tal, dem am tiefsten eingeschnittenen Tal der Welt. Hier gehe es auf einer Distanz von nur 50 Kilometern von halbwüstenähnlichen zu sehr feuchten Verhältnissen über, sagt Böhner. „Dies ist für mich die spektakulärste Vielfalt, die man sich innerhalb eines Landes vorstellen kann.“
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Weitere Länder mit großer Klima-Vielfalt
Doch auch andere Länder bieten eine große klimatische Vielfalt. Ein Beispiel sei Bolivien. Hier liegen tropische Regenwälder in den Tiefebenen nur wenige hundert Kilometer von den extrem trockenen Hochebenen in den Anden entfernt. Und im Süden Chiles ist es an der Westabdachung der Anden sehr feucht, im Norden fällt in der Atacama-Wüste teilweise jahrzehntelang kein Tropfen Regen.
In Neuseeland fallen an der Westseite der Südalpen mancherorts pro Jahr bis zu 6000 Liter Regen pro Quadratmeter im langjährigen Schnitt – und auf der anderen Seite des Hochgebirges, im Osten, kommen teilweise nur knapp 330 Liter herunter.
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Auch Norwegen kann sehr trocken sein: An der Ostseite des Jotunheimen-Gebirges herrschten bei durchschnittlichen Jahresniederschlägen von zum Teil unter 300 Litern pro Quadratmeter nahezu subsaharische Verhältnisse, sagt Böhner. „Von dem Land kennt man ja eher das Klischee der sehr feuchten Westküste mit seinen Fjorden.“
Die großen Flächenstaaten wie Russland, Kanada und USA haben allein aufgrund ihrer Nord-Süd-Ausdehnung eine große Vielfalt an klimatischen Verhältnissen.
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Wie lässt sich klimatische Vielfalt definieren?
„Erstens drückt es sich durch die Vielfalt von Vegetationszonen aus“, sagt Böhner. Dann kommt es noch darauf an, wie deren Grenzen zustande kommen. Der Experte unterscheidet zwischen hygrischen – das heißt von der Niederschlagsmenge abhängigen Vegetationszonen wie dem Übergang von tropischem Regenwald in Wüstenklimate – und sogenannten Wärmemangelgrenzen, bei denen die Temperaturverhältnisse entscheidend für die Vegetationsdifferenzierung sind. Dies ist zum Beispiel in Hochgebirgen wie den Alpen zu sehen, wo sich die Vegetation von den Tälern bis zu den Bergspitzen stark verändert.
In Deutschland bietet aus Böhners Sicht der Harz auf kleiner Fläche große klimatische Vielfalt. Auf dem Brocken, der mit 1141 Metern Meereshöhe bereits die Waldgrenze erreicht, sei es sehr niederschlagsreich, während weiter im Osten – in den Niederungen der Saale – zum Teil nur so viel Regen im Jahresdurchschnitt fällt wie in der südlichen Sahel-Zone in Afrika. „Man muss also gar nicht so weit reisen, um klimatische Vielfalt zu erleben“, sagt Böhner.