12. November 2024, 17:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Im Schweizer Kanton Graubünden liegt, nahe der Grenze zu Italien, eines der außergewöhnlichsten Hotels auf dem europäischen Kontinent. Denn die Alp Grüm, so der Name des kleinen Gasthauses, fungiert gleichzeitig auch als Bahnhof auf der Strecke des legendären Bernina Express, der zwischen Chur und Tirano verkehrt. Wer hier übernachten möchte, muss eben den Zug nehmen. Oder gut zu Fuß sein.
Nahe der Gemeinde Poschiavo im schweizerischen Kanton Graubünden existiert seit mehr als 100 Jahren ein ziemlich ungewöhnliches Hotel. Ein kleines Gebäude, sensationell gelegen auf 2091 Metern Höhe, mit Blick auf die umliegenden Berge und das Poschiavo-Tal. Im Schatten des Piz Bernina, dem mit 4048 Metern höchsten Gipfel der östlichen Alpen, träumt die sogenannte Alp Grüm vor sich hin. Keine Straße führt hierher, zu erreichen ist sie nur zu Fuß über eine mehrstündige Wanderung. Oder mit dem legendären Zug Bernina-Express, der zwischen Chur in der Schweiz und dem italienischen Tirano verkehrt. Denn die Alp Grüm ist nicht nur ein Gasthaus, sondern gleichzeitig auch ein Bahnhof.
Der britischen BBC zufolge beginnt die Geschichte des Hotel-Bahnhofs im Jahr 1906. Damals stellt die Bernina-Bahngesellschaft einen ambitionierten Plan vor. Man möchte die höchstgelegene strombetriebene Zugstrecke durch die Alpen bauen, und die vorher nur schwer zugängliche Region somit für den Tourismus erschließen. Die einzigen Verbindungen bis dato zwischen der Schweiz und dem bei der Alp Grüm nahen Italien sind entweder der beschwerliche Weg zu Fuß oder auf Pferderücken. Beide bergen besonders im Winter erhebliche Risiken durch Lawinen-Abgänge und den hier mitunter heftigen Schneefall.
Abgeschnitten von der Außenwelt
Im Juli 1910 kann die visionäre Bahnstrecke dann tatsächlich eröffnen, und auch die Alp Grüm beginnt damit ihr Dasein. Nicht allerdings als aus Stein gebauter Hotel-Bahnhof, der es heute ist, sondern als simple, hölzerne Wartungsstation. Der Zugführer konnte den spektakulär gelegenen Halt nutzen, um sein Fahrzeug zu überprüfen. Im selben Jahr erwarb die Bahngesellschaft einen Schneepflug, und so konnte der heute als Bernina-Express bekannte Zug nun rund um das Jahr verkehren. 1943 nahm die Gesellschaft Rhätische Bahn ihn in ihr Netz auf.
Das Besondere an der heutigen Alp Grüm: Zwischen 20 Uhr abends und 8 Uhr morgens ist man hier vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Denn in dieser Zeit fahren auf der Strecke keine Züge. Dann kehrt in dem Gasthaus mit nur zehn Zimmern eine Ruhe ein, die man wohl nur noch selten findet. Alle Räume haben ein eigenes Bad und direkten Blick auf den Palü-Gletscher. Wer möchte, kann auf einem Stopp hier im hauseigenen Restaurant aber auch einfach nur etwas essen und die Aussicht genießen. Der Bernina-Express macht genau deswegen auf der Strecke hier regelmäßig einen längeren Halt, damit Gäste fotografieren können.
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„Nur Natur und Stille“
Hotelmanager Primo Semadeni hat die Alp Grüm seit 18 Jahren gepachtet, sagt über sein Haus der BBC: „Glücklicherweise gibt es hier keine Straßen. Nur Natur, Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge und Stille.“ So ein Haus zu leiten, sei aber eine logistische Herausforderung. Denn alles, was hier angeboten wird, muss mit dem Zug angeliefert werden. „Wenn ich vergesse, Brot zu bestellen, haben wir einfach keines. Es ist eine Herausforderung, aber auch unser Segen.“
Wer selbst einmal auf der Alp Grüm übernachten möchte, kann über die offizielle Hotelwebseite eine Buchungsanfrage stellen. Ein Einzelzimmer kostet aktuell 90 CHF die Nacht, das sind umgerechnet gut 96 Euro. Das Doppelzimmer schlägt mit 160 CHF pro Übernachtung zu Buche (gut 170 Euro), das Dreibettzimmer ist für 200 CHF zu haben (ca. 213 Euro).
„Die Alp Grüm ist wirklich ein wunderschöner Halt auf der Strecke zwischen Chur und Tirano. Der Ausblick auf die Berge und in das Poschiavo-Tal und die frische Luft auf über 2000 Metern Höhe sind mir besonders in Erinnerung geblieben. Dass der Bahnhof gleichzeitig auch ein Hotel ist, habe ich aber erst später herausgefunden.“