29. August 2014, 12:29 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Schlafen wie einst Erich Honecker auf Reisen: Ein Salonwagen aus dem früheren DDR-Regierungszug steht jetzt frisch renoviert als Herberge in Gadebusch. Das Hotel auf Schienen ist schon gut ausgebucht.
Walter Ulbricht reiste im DDR-Regierungszug, ebenso Willi Stoph. Erich Honecker fuhr mit ihm 1975 zur KSZE-Konferenz nach Helsinki, meist aber kutschierten Diplomaten damit zur Hasenjagd. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der DDR hat ein Salon-Schlafwagen der rollenden „Honi-Herberge“ in Gadebusch in Mecklenburg-Vorpommern seine Endstation erreicht. Unternehmer Holger Hempel renovierte den historischen Waggon und rüstete ihn in den letzten zehn Wochen zum besonderen Hotel um.
Jüngst übernachteten die ersten Gäste ganz „staatsmännisch“ in Klappbetten über den Gleisen. Bis in den Oktober hinein gebe es schon Vorbuchungen, meint Hempel. Freaks, Eisenbahnfans, aber auch Wanderer und Radfahrer aus der Region, aus anderen Bundesländern, Holland, Italien und Spanien hätten sich angemeldet.
Kein geschichtsverfälschender Komfort
„Dabei müssen sie auf eine ganze Menge Luxus verzichten“, weiß Hempel. Denn den alten Schlafwagen habe er originalgetreu saniert und auf jedweden geschichtsverfälschenden Komfort verzichtet. „Sonst geht der ganze Flair ja verloren, der Wagen wäre nicht mehr authentisch“, sagt er. Es gebe natürlich keine Flachbildschirme fürs Fernsehen und kein Internet. „Das ist dann mal so wie früher“, erklärt der Hotelier.
Der 1969 für die Regierungs-Sonderzüge der DDR in Görlitz gebaute Wagen mit der Nummer 6150-7080-106-8 hat nicht nur unzählige Kilometer in den Rädern, sondern auch eine bewegte Historie. Nach 1990 zusammen mit der DDR und „Deutscher Reichsbahn“ ausrangiert, kam er zunächst unter die Fittiche der damaligen Bundesbahn. Deren Reiseveranstalter Bahntours schickte einige der geschichtsträchtigen Salon-Wagen quer durch Osteuropa, doch die Nostalgietouren „Reisen wie die Roten Preußen“ lohnten sich nicht.
Die Bahn AG trennte sich 1997 vom rollenden DDR-Regierungserbe. Die früheren Sonderzüge der DDR-Spitze landeten in Museen, etwa in Leipzig oder Nürnberg. Einige Waggons übernahm der Lokschuppen-Verein Pasewalk, wie Vorsitzender Hans-Jörg Görl erklärt. Wegen Geldmangels verkaufte der Verein einen der Salon-Wagen nach Gadebusch. Umgesetzt wurde der 25 Meter lange und 58 Tonnen schwere „Honi-Schlafwagen“ per Schwerlasttransport über die Ostseeautobahn A20.
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„Es geht nicht um verherrlichende Ostalgie“
Den ausgedienten Bahnhof der westmecklenburgischen Kleinstadt hatte Holger Hempel 2012 gekauft und zum Restaurant mit Eisenbahn-Museum umgebaut. Fachberater ist der 79-jährige Schweriner Rentner Peter Falow. Der frühere Lokführer sammelt Bahnzubehör, stattete Gadebusch mit aus und besorgte eine Kopie des DDR-Emblems mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz für den restaurierten „Honi“-Waggon. „Es geht nicht um verherrlichende Ostalgie, nur um den Erhalt von Geschichte“, sagt er.
Außen wieder im tarnfarbenen Tannengrün gestrichen, gibt es in dem einst „staatstragenden“ Schlafwagen sechs Doppelkabinen mit Waschbecken, dazu für alle zwei Toiletten und eine Dusche. Kein Schnickschnack in den Abteilen, nur ganz sparsam Tisch, Schrank und Kleiderhaken im Stile der Siebziger.
Die Technik allerdings, die sei wirklich was Besonderes, meint Hempel. Die funktionstüchtige Heizung und Schaltzentrale samt Gegensprechanlage im Dienstabteil, vieles davon Westimport, könnten jederzeit besichtigt werden.