8. August 2018, 15:01 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ende der 1930er-Jahre begannen die Nazis auf der Insel Rügen mit dem Bau eines gigantischen Ferienkomplexes für 20.000 Menschen. Doch die „KdF“-Anlage wurde nie fertig, der „Koloss von Prora“ verfiel teils, wurde umgebaut oder verkauft. Vor einigen Jahren kam dann jedoch die Idee auf, Ferienwohnungen einzubauen. Die Begeisterung war groß, und heute stehen die Arbeiten kurz vor dem Abschluss – doch nun ist einer der Prora-Investoren pleite.
280 Eigentumswohnungen sollten gebaut werden, doch jetzt hat der Inhaber des Block 1 des gigantischen Proraer Gebäudekomplexes Insolvenz angemeldet. Die Geschäftsführerin der Berliner Firma „Wohnen in Prora Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG“, Iris Hegerich, bestätigte das gegenüber der „Ostsee-Zeitung“. Die Firma saniert den 450 Meter langen Gebäudeteil seit 2014. Bitter: Die Arbeiten seien bereits zu 90 Prozent beendet und die meisten Appartements schon verkauft. Wie es nun mit dem Projekt weitergehen soll, ist aktuell noch unklar.
Bis 2022 rechnet die Gemeinde Binz mit der Sanierung aller fünf Prora-Böcke, die später Platz für 2000 Anwohner und 3500 Touristen bieten soll. Block 2 ist bereits fast komplett saniert, hier gibt es schon seit drei Jahren das Hotel Solitaire.
Die Prora-Historie: Hitlers Größenwahn an der Ostsee
1936 begann Hitlers Regierung mit dem Bau einer gigantomanischen Ferienanlage auf der Ostseeinsel Rügen. Es sollte ein bizarres „Kraft durch Freude“-Ferienparadies für 20.000 sogenannte „Arier“ aus dem ganzen Deutschen Reich werden, damit sie sich im Urlaub entspannen, kennenlernen und – „reinrassig“ vermehren.
Für das „KdF“-Seebad Prora nahe dem historischen Ostseebad Binz wurden acht identische Häuserblocks gebaut, die sich auf einer Länge von etwa 4,5 Kilometern entlang der Küste mit traumhaftem Ostseeestrand aneinander reihen. 10.000 kleine Zimmer waren hier eingeplant, nur 2,5 mal 5 Meter groß und mit Lautsprechern versehen. Alle sollten Meerblick haben.
Gemeinschaftliche Liegehallen innerhalb der Bettentrakte, offen und beheizbar, sollten den Urlaub auch bei Wind und Regenwetter attraktiv machen. Geplant waren außerdem ein Kino, zwei Wellenschwimmbäder, etliche Gaststätten und zentrale Kaianlagen für Ausflugsboote. In der Mitte zwischen den Blocks sollte ein großer Aufmarschplatz entstehen.
Das größenwahnsinnige Projekt war ein Hingespinst eines Architekten mit dem passenden Namen Clemens Klotz (1886–1969), der schon vorher Nazi-Propagandagebäude entworfen hatte. Die Baukosten wurden 1938 auf 237,5 Mio. Reichsmark geschätzt (heutiger Gegenwert ca. 1 Mrd. Euro).
Doch dann stürzte Nazi-Deutschland die Welt in den Krieg. Die Bauarbeiten wurden eingestellt. Die acht Ferienzimmer-Blöcke, die im Rohbau bereits fertig waren, blieben unbewohnbar. Ein Teil der späteren Wohnhäuser, die auch auf der Anlage standen, war im Krieg Ausbildungsstätte für Luftwaffenhelferinnen und Polizisten. 1943 wurden Teile des südlichen Blocks ausgebaut, um Unterkünfte für ausgebombte Hamburger zu schaffen. Später gab es in Prora ein kleines Lazarett und Notunterkünfte für Flüchtlinge aus den Ostgebieten.
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NVA-Kasernen und Ferienheim
Als ab Mai 1945 die Sowjetunion Rügen kontrollierte, wurde Prora weiterhin zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt, außerdem zur Internierung von enteigneten Grundbesitzern aus Thüringen und als Unterkunft für sowjetische Soldaten. Teile wurden als Kriegsreparationen demontiert, von einheimischen Privatleuten für eigene Bauvorhaben abtransportiert oder bei Sprengübungen der Roten Armee schwer beschädigt.
In der DDR-Zeit wurde Prora zum Sperrgebiet erklärt und in Teilen als Kaserne ausgebaut, vor allem für die NVA (Nationale Volksarmee). Auf diese Weise beherbergte die Anlage erstmals in ihrer Geschichte 10.000 Menschen. Der südlichste Teil (heute Block I) wurde als „Walter-Ulbricht-Heim“ seiner ursprünglichen Bestimmung als Feriendomizil zugeführt: Hier urlaubten Angehörige von NVA und Grenztruppen.
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Verfall und Streit
Nach der Wende 1989 war Prora für zwei Jahre weiterhin Kaserne, diesmal für die Bundeswehr, und wurde dann 1993 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit 1994 steht „Der Koloss von Prora“ als eine der größten Hinterlassenschaften des NS-Regimes unter Denkmalschutz.