21. September 2022, 11:46 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Vom Lokführer zum Millionär – so in etwa könnte man den Werdegang des deutschen Unternehmers Hendrik Kuhlmann beschreiben. Geschafft hat der 33-Jährige das mit einem Geschäftsmodell namens „Airbnb Arbitrage“, das, wie er sagt, jeder mit nur wenig Eigenkapital selbst realisieren kann. Wie das funktioniert und warum das Modell durchaus umstritten ist: TRAVELBOOK hat mit Kuhlmann gesprochen.
Es war während eines Urlaubs auf Bali im Jahr 2018, als der damals bei der Deutschen Bahn angestellte Hendrik Kuhlmann auf jene Idee kam, die ihn innerhalb weniger Jahre zum Millionär machen sollte. Mit seiner Freundin bewohnte er auf der indonesischen Insel eine Ferienvilla, die er über Airbnb angemietet hatte. „Mit dem Gastgeber, einem Australier, bin ich dann ins Gespräch gekommen“, sagt Kuhlmann im Gespräch mit TRAVELBOOK. „Er hatte dort mehrere Villen, so eine Art Feriendorf für Urlauber. Ich dachte mir dann, dass da bestimmt mehr dahintersteckt, als dass man einfach nur in Unterkünften übernachtet und habe gemerkt, das ist ein Geschäftsmodell.“
Kuhlmann, der mit 18 Jahren bei der Bahn eine Ausbildung zum Lokführer gemacht und sich in dem Unternehmen zum leitenden Angestellten hochgearbeitet hat, beschließt, in Deutschland selbst zum Vermieter von Ferienunterkünften zu werden. Und das, ohne selbst eine Immobilie zu besitzen. „Ich habe mich 2019 in der Nähe von München auf die Suche gemacht, und in Augsburg bin ich dann fündig geworden“, sagt der 33-Jährige. Augsburg habe sich angeboten, weil München bei der Kurzzeitvermietung schon reguliert gewesen sei. Denn sein Konzept ist keineswegs in allen Städten Deutschlands möglich.
Verschiedene Bundesländer haben bereits sogenannte Zweckentfremdungsgesetze erlassen, um der Verknappung von Wohnraum entgegenzuwirken. Dadurch kann die Kurzzeitvermietung von Wohnraum z. B. über Airbnb erschwert oder teilweise ganz verboten werden. Solche Regularien gibt es laut dem Portal „Wohnen im Eigentum“ vor allem in Ballungsgebieten wie Berlin, München, Hamburg, Köln und Düsseldorf, zum Teil aber auch in kleineren Städten wie Lüneburg oder Puchheim. Augsburg zählt jedoch weder damals noch heute dazu – und eignet sich somit als Start für Kuhlmanns Immobilien-Projekt.
Aus einer Wohnung werden mehr als 50
Kuhlmanns Startkapital für seine erste Wohnung beträgt 10.000 Euro. Mit Einverständnis des Vermieters richtet Kuhlmann das Apartment in Augsburg zweckmäßig als Ferienwohnung ein und stellt es bei Airbnb ein, später dann auch bei anderen Portalen wie Booking.com. Darüber kann er die Wohnung für ein Vielfaches des eigentlichen Mietpreises an Touristen oder Geschäftsleute vermieten. „Seitdem ist das Ganze tatsächlich nur über Eigenkapital gewachsen, da ist kein Bank-Darlehen mit drin“, sagt Kuhlmann, der inzwischen für sein Business eine eigene Firma mit mehreren Angestellten gegründet hat. Zwar betont er, dass es auf keinen Fall sein Ziel gewesen sei, mit dem Geschäft zu großem Reichtum zu gelangen. Dennoch betreibt er mittlerweile 56 Einheiten in vier Ländern, auch auf Bali vermietet er eine Villa. Und es sollen weitere Immobilien dazukommen.
Fakt ist, das Geschäft lohnt sich. „Im Juli 2022 hatten wir einen Umsatz von 124.270 Euro rein durch die Vermietung von Apartments“, sagt Kuhlmann. Dabei achtet er nach eigenen Angaben darauf, dass alles rechtlich Hand und Fuß hat und er alle Vorgaben und Regularien der Städte berücksichtigt. „Wenn es Regularien gibt, dann gibt es damit sehr klare Spielregeln. Und das ist mir lieber, denn an diese Regeln kann ich mich halten und innerhalb dieser Regeln arbeiten“, so Kuhlmann.
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Kritik an „Airbnb Arbitrage“
Allerdings wird auch in Städten wie Augsburg oder Lippstadt – allein dort vermietet Kuhlmann heute in der Innenstadt sieben Ferienapartments – normaler Wohnraum zunehmend knapp. Deshalb stehen Geschäftsmodelle wie das von Kuhlmann durchaus in der Kritik. „Aus unserer Sicht dürfen dort, wo bezahlbarer Wohnraum Mangelware ist, nicht noch weitere Wohnungen durch solche Modelle wie ‘Airbnb Arbitrage‘ dem Angebot entzogen werden“, sagt André Juffern, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes NRW, auf TRAVELBOOK-Nachfrage.
In Lippstadt etwa spanne sich der Wohnungsmarkt zunehmend an und es gebe auch bereits politische Initiativen im Stadtrat, eine Zweckentfremdungssatzung einzuführen. „Sollte dies in Zukunft eintreten, wäre nach der derzeitigen Rechtslage eine Kurzzeitvermietung nur 3 Monate/Jahr je Wohnung zulässig. Diese Frist soll nach Ankündigung im Koalitionsvertrag der neuen NRW-Regierung auf 8 Wochen reduziert werden, was wir begrüßen.“
Allerdings muss Hendrik Kuhlmann eine etwaige Zweckentfremdungssatzung nicht fürchten. Denn inzwischen mietet er nur noch Gewerbeimmobilien an, etwa leer stehende Büroflächen. So auch in Lippstadt. Für diese beantragt er dann eine Nutzungsänderung, sodass sie zu gewerblichen Beherbergungsbetrieben werden. Auch fast alle der von ihm vermieteten ehemals regulären Wohnungen sind inzwischen gewerblich.
Auf diese Weise sei man immer auf der sicheren Seite, so Kuhlmann. Kritisch sieht er dieses Vorgehen nicht, im Gegenteil: „Wir nutzen dafür größtenteils leere Büroflächen, und davon gibt es vor allem seit der Corona-Pandemie jede Menge. Man kann dadurch mehr Gäste in die Innenstädte ziehen, die gehen essen, die konsumieren, und beleben letztlich die Städte wieder.“
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Was sagt Airbnb zu „Airbnb Arbitrage“?
Tatsächlich ist das Geschäftsmodell des „Airbnb Arbitrage“ nicht neu, und inzwischen gibt es weltweit große Unternehmen, die sogar mit Risikokapital arbeiten, um möglichst viele Immobilien anbieten zu können. Genau davon distanziert sich Airbnb, obwohl das Unternehmen trotz zahlreicher anderer Vermittlungsplattformen als Namensgeber für die umstrittene Praxis herhalten muss. „Gastgeber:innen auf Airbnb stellen eine eigene Kategorie von Unterkunftsanbietern dar, die sich grundlegend von Immobilienspekulanten und Hotels unterscheidet“, sagt eine Airbnb-Sprecherin auf Nachfrage von TRAVELBOOK. Eine große Umfrage habe gezeigt, dass 90 Prozent der Gastgeber in Deutschland Eigentümer der Unterkunft sind, die sie auf Airbnb anbieten. „Die große Mehrheit der EU-Gastgeber:innen auf Airbnb vermietet nur eine Unterkunft, um ihr Einkommen zu erhöhen“, so die Sprecherin. Allerdings: Von den etwa 1,34 Millionen Airbnb-Hosts vermieten immerhin 340.000 mehrere Unterkünfte.
Darunter ist auch die Firma von Hendrik Kuhlmann. Sie agiert also in einem absolut legalen Rahmen und hält sich an alle Vorschriften und Regularien. Ein leicht bitterer Beigeschmack bleibt bei dem Geschäftsmodell angesichts einer zunehmenden Verknappung von Wohnraum in vielen Städten dennoch.