10. Januar 2019, 11:43 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Immer mehr Privatpersonen und Gastfamilien bieten auf Online-Plattformen eines ihrer Zimmer für Reisende an. Doch neben Airbnb und Couchsurfing werden nun auch sogenannte „Homestays“ immer beliebter. Was sich dahinter verbirgt…
Was für Tausende von Austauschschülern und -studenten schon seit Jahrzehnten Normalität ist, wird nun auch für Urlauber zunehmend interessant. „Homestays“ ermöglichen es Reisenden, bei einer Gastfamilie zu wohnen statt in einem Hotel oder einer Ferienwohnung. Vorteil: Urlauber lernen so das, nun ja, „echte“ Leben vor Ort kennen.
Das liegt wie so oft am Internet. Mittlerweile gibt es einige Online-Plattformen, die sich die Vermittlung von Gastfamilien an Reisende auf die Fahnen geschrieben haben. Homestay.com ist derzeit die bekannteste unter ihnen, aber auch kleinere, regionale Anbieter verfolgen das Geschäftsmodell: Reisende wohnen eine Zeit lang bei einem Gastgeber, von einer Nacht bis hin zu mehreren Monaten ist alles möglich. Je nach Arrangement isst man zusammen, macht Ausflüge oder hilft im Haushalt mit. Für die Unterkunft zahlt der Gast einen Übernachtungspreis, teilweise kosten die Mahlzeiten extra.
Wie Couchsurfen, nur eben persönlicher
Das Konzept ähnelt dem Couchsurfing. Auch hier besteht die Idee darin, mehr von Land und Leuten zu erfahren, als das in Hotels normalerweise möglich ist. Das Couchsurfen ist kostenlos, beim Homestay jedoch wird die Möglichkeit zum Eintauchen in den fremden Alltag gegen Geld verkauft. Auch bei Airbnb vermieten Privatleute ein Zimmer oder Bett gegen Geld, doch oft ist das Verhältnis komplett unpersönlich und man bekommt den Gastgeber kaum zu Gesicht. Anders beim Homestay.
Oke Hollesen wusste nicht einmal von dem Konzept, als er vor einigen Jahren durch Vietnam reiste. „Ich war in Sa Pa nahe der chinesischen Grenze unterwegs, als mich eine Frau ansprach, ob ich mit zu ihrer Familie in ein Dorf in den umliegenden Bergen kommen und dort übernachten will“, erzählt der Leipziger. Mit zwei Freunden verbrachte er seinen ersten Homestay im vietnamesischen Dschungel. „Wir haben viel gesehen: das Dorf mit dem kleinen Laden, den die Familie betreibt und der eine Art Dorftreffpunkt ist, die Schule der Kinder und den umliegenden Dschungel. Dort sind wir auf einer zweistündigen Wanderung einmal ums Dorf gelaufen.“
So lernt man nicht nur Land, sondern auch Leute kennen
Der direkte Kontakt mit den Leuten sei genau das Richtige. „Das hat auch was mit Bewusstsein zu tun“, erklärt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV). Manche Reisende durchquerten Länder, ohne einmal mit dem Leben der Menschen dort in Berührung zu kommen. Allerdings müsse man sich im Klaren sein, dass bei Angeboten von Privatleuten andere Konditionen gelten als in Hotels. „Wenn man mit der Unterkunft nicht zufrieden ist oder der Flug ausfällt und man nicht rechtzeitig da ist, muss man die Kosten selbst tragen.“
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Seine Ursprünge hat der Homestay in Austauschprogrammen von Schulen und Unis. Carola Deutsch kümmert sich als Homestay-Betreuerin an der Freien Universität Berlin seit rund 20 Jahren um Studenten, die in die Hauptstadt kommen. Mitbringen müssten die Gäste neben Offenheit für die andere Lebensweise eine gewisse Anpassungsfähigkeit: „Das ist nicht für jeden was.“ Deswegen sei es wichtig, dass schon vor dem Aufenthalt gewisse Dinge geklärt werden. Wie ist das Zimmer, welche Mahlzeiten gibt es, wo ist Mithilfe erwünscht? Je besser sich Gast und Gastgeber schon vor dem Aufenthalt kennenlernen und absprechen, desto eher wird dieser für beide Parteien angenehm.
Bei Oke Hollesens Gastfamilie in Vietnam wurde das Platzproblem pragmatisch gelöst. „Die zwei Kinder haben sich zu den Eltern ins Bett gelegt, damit wir alle Platz hatten“, erzählt er.