15. September 2023, 10:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Dass sich auf verschiedenen Oberflächen im Hotelzimmer – ja, auch nach der Reinigung durch das Putz-Team – noch Keime befinden können, ist bekannt. Es läge also nahe, ihre typischen Tummelplätze (z. B. die Türklinke, Fernbedienung, das Zahnputzglas) zu desinfizieren. Aber bedeutet das Vorkommen von Krankheitserregern im Hotelzimmer automatisch, dass man krank wird? TRAVELBOOK hat einen Arzt gefragt.
Wer ein Hotelzimmer bezieht, darf gemeinhin davon ausgehen, dass es sauber ist – oder jedenfalls so aussieht. Von Nachlässigkeit kann hier weniger die Rede sein als von extremem Zeitdruck, TRAVELBOOK geht hierauf noch etwas genauer ein. Fakt ist jedenfalls, dass sich auch nach dem Einsatz der Reinigungskräfte noch Keime an verschiedenen Stellen im Hotelzimmer befinden können. Wäre Desinfizieren also sinnvoll – oder möglicherweise gar übertrieben?
Übersicht
Saubere Hotelzimmer – oft mehr Schein als Sein
In einem früheren Beitrag berichtete TRAVELBOOK bereits darüber, dass Reinigungskräfte pro Hotelzimmer nur rund 20 bis 30 Minuten haben. In dieser kurzen Zeit müssen sie sichtbare Verunreinigungen beseitigen und die Betten machen, den Fußboden saugen und Möbel abstauben, die Mini-Bars auffüllen und nicht zuletzt das Badezimmer reinigen. Für Gründlichkeit fehlt da die Zeit. Wenn es hart auf hart kommt, schafft es das Personal nicht einmal, zwischen Fußbodenwischen, Toilettenreinigung und Zahnputzbecher säubern den Lappen zu wechseln. Dies hatte eine Insiderin TRAVELBOOK bestätigt. In ihrem Job werde man gebrieft, dass das Zimmer vor allem „sauber aussehen“ muss. Krankheitserreger sind aber nun mal unsichtbar.
Entsprechend zeigen auch immer wieder Untersuchungen, dass Hotelgäste mit einem gewissen Keimvorkommen rechnen müssen. Unsere Kolleginnen von FITBOOK sind genauer darauf eingegangen, welche Stellen im Hotelzimmer besonders kritisch zu bewerten sind. In dem Beitrag beziehen sie sich auf die Einschätzung einer Dozentin für klinische Mikrobiologie an der University of Leicester, konkret auf deren Gastbeitrag im Wissenschaftsmagazin „The Conversation“. Darin warnt die Expertin insbesondere vor der Fernbedienung im Hotelzimmer, dem Telefon, Wasserkocher und Nachtisch. Denn dabei handele es sich um Oberflächen, die frühere Hotelgäste mit potenziell kontaminierten Fingern berührt haben könnten – und zuvor unter Umständen Fahrstuhlknöpfe und Türklinken in öffentlichen Bereichen, auf denen Mikroorganismen förmlich in Schichten übereinander liegen.
Heißt das automatisch, dass man sich ansteckt?
Verstanden: Im Hotelzimmer lauern potenzielle Krankheitserreger. Doch verreisen wollen wir natürlich trotzdem, und tatsächlich hört man es doch eher selten, dass sich jemand über eine Fernbedienung im Hotelzimmer angesteckt hat. Desinfizieren also, ja oder nein? TRAVELBOOK hat einen Experten gefragt.
Keimherde im Hotelzimmer desinfizieren? Das sagt ein Arzt
Dr. med. Michael Feld ist Allgemeinmediziner – und bleibt beim Thema Keime im Hotelzimmer tendenziell unaufgeregt. Die Frage, ob man gewisse Oberflächen beim Einchecken desinfizieren sollte, würde er nicht direkt mit ja beantworten. Denn Hygienewahn helfe niemandem. „Man weiß schließlich auch, dass in überhygienischen Familien Kinder vermehrt mit Allergien zu tun haben und empfänglicher für verschiedene Krankheiten sind“, erklärt der Arzt. „Umgekehrt trainiert ein gewisser Kontakt zu externen Keimen das Immunsystem.“
So weit, so gut. Aber gehen wir nun davon aus, dass sich im Hotelzimmer auf Fernbedienung und Co. mit hoher Wahrscheinlichkeit Krankheitserreger befinden. Tut uns das nichts? „Das hängt von mehreren Faktoren ab“, mahnt Dr. Feld. Einerseits müsste auf der Oberfläche eine gewisse Keimlast vorhanden sein, um eine Infektion auszulösen. Es müsste also etwa jemand direkt darauf geniest haben. Und zum anderen hänge es auch von der eigenen Konstitution ab. Jemand, der ausgeruht ist und grundsätzlich gesund, habe durch den Kontakt mit „kleinen Spuren“ von Erregern nichts zu befürchten.
Es hängt auch von der Art des Erregers ab
Dr. Feld räumt jedoch ein, dass es auch Ausnahmen gibt. Er erinnert an den Ausbruch der Corona-Pandemie, als die Hygienemaßnahmen überall hochgeschraubt wurden. Zuletzt hänge es davon ab, um welche Art von Erreger es sich handelt. Bei hoch pathogenen Mikroorganismen wie z. B. Cholera-Keimen sei eine Ansteckung über Oberflächen sehr wahrscheinlich.
Kritische Erreger befinden sich laut Dr. Feld vor allem im Bereich von Toiletten, und das längst nicht nur in Hotelzimmern. Hat jemand mit z. B. einem Magen-Darm-Infekt sein Geschäft verrichtet, verbreitet er – sollte er sich nicht sofort gründlich die Hände gewaschen haben – seine Erreger von der Türklinke über alle weiteren Oberflächen, die er anfasst. Hierzu zählen z. B. bestimmte Stämme von Escherichia-coli-Bakterien. Auch hoch infektiöse Noroviren etwa, die besonders lang und hartnäckig auf Oberflächen verbleiben könne, finden sich vermehrt im Bereich von Waschräumen.
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Fazit
Zusammenfassend ist Dr. Felds Antwort auf die Frage, ob man sein Hotelzimmer möglichst großflächig desinfizieren soll, wohl am ehesten „jein“. Er streitet nicht ab, dass man sich unter Umständen mit Erregern infizieren könnte. Es könne entsprechend sinnvoll sein, gewisse Oberflächen und Griffe zu reinigen. Dennoch: Er selbst habe noch nie darüber nachgedacht, etwa die Fernbedienung zu desinfizieren.
Fernab von z. B. Pandemie-Zeiten rät der Allgemeinmediziner zu einem entspannten Umgang mit „gewöhnlichen Keimen“. Einzig im Badezimmer sei der Experte etwas vorsichtig, und den Zahnputzbecher rühre auch er nicht an.