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TRAVELBOOK hat das Propeller Island City Lodge getestet

Eine Nacht im verrücktesten Hotel Deutschlands

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Nicola Otto

30. Dezember 2015, 17:04 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Die Propeller Island City Lodge im Herzen der deutschen Hauptstadt ist mehr Kunstobjekt als Hotel. Hier kann man die Nacht in einer Gruft, Gummizelle oder im Speicher verbringen. TRAVELBOOK-Autorin Nicola Otto hat das audio-visuelle Projekt des Künstlers Lars Stroschen besucht und berichtet von ihrem Aufenthalt in einem der skurrilsten Hotels der Welt.

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Ich bin auf dem Weg zum Berliner Kurfürstendamm. Mich interessieren hier allerdings weder die Gedächtniskirche noch die zahlreichen Geschäfte – jedenfalls nicht vorrangig. Ich habe eine Nacht in der Propeller Island City Lodge gebucht. Und spätestens seit meiner Reservierung weiß ich: Mich erwartet alles andere als ein Nullachtfünfzehn-Hotel.

Auf der Internetseite des Hotels wird man gebeten, sich zunächst ein Zimmer auszusuchen, bevor man eine Reservierung macht. Ich gucke mir also alle Räume an, kann mich aber nur schwer entscheiden. Denn ein Zimmer ist skurriler als das andere. Das ungewöhnlichste von allen ist wohl die Gruft – aber in einem Sarg werde ich noch lang genug liegen, denke ich mir, und entscheide mich schließlich für Zimmer 23 mit dem Namen „Upside Down“. 115 Euro kostet die Nacht – und ich bin sehr gespannt, was ich dafür bekomme.

Kunst im Großstadtdschungel

Von außen wirkt das Hotel, das in einem Berliner Altbau untergebracht ist, noch recht unscheinbar. Drinnen werde ich von der Geschäftsführerin Valentina Gennadis herzlich empfangen, die sich mit mir in den Gemeinschafts- und Frühstücksraum setzt. Ich befinde mich jetzt im wahrsten Sinne des Wortes im Großstadtdschungel. Der Raum ist mit Impressionen aus dem Regenwald dekoriert und aus den Lautsprechern kommen mir interessante Töne entgegen, die man sonst nur im Dschungel hört – so stelle ich mir das jedenfalls vor.

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Der Frühstücksraum im Dschungel-Look: Hier gibt es morgens zur Stärkung Müsli, Kaffee und Tee. Foto: © Lars Stroschen

Valentina Gennadis erzählt mir in dieser angenehmen Atmosphäre, dass der Künstler unter dem Pseudonym „Propeller Island“ – mit bürgerlichem Namen Lars Stroschen – bereits in den 1990er-Jahren eine kleine Pension mit 4,5 Zimmern hier im Haus eröffnete. 4,5, da das „Zwergenzimmer“ dazu zählte. Es war so klein, dass man es nur in Kombination mit einem der anderen Zimmer buchen konnte. Einmal mehr wird mir bestätigt, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Hotel handeln kann.

Bauämter streiten um Außentermine

Mit der Vermietung wollte der Musiker und Fotograf sich damals ursprünglich sein Tonstudioprojekt finanzieren. Er richtete jeden Raum in einem anderen künstlerischen Thema ein. Aufgrund vieler Anfragen und der Tatsache, dass eine Pension im gleichen Haus geschlossen hatte, beschloss er, seinen kreativen Ideen mehr Raum zu schenken. Er entwarf innerhalb von 5 Jahren die Zimmer, Möbel und Objekte. Alles Unikate, gefertigt aus Handarbeit.

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Der Künstler Lars Stroschen, der unter dem Pseudonym „Propeller Island“ arbeitet. Foto: © Lars Stroschen

Doch nicht alle seine Ideen konnte der Künstler letztendlich verwirklichen: Statik und Sicherheitsmaßnahmen mussten stets vorher geprüft und vom Amt abgenommen werden. Das Berliner Bauamt sei gerne zu Inspektionsterminen gekommen, erzählt Valentina Gennadis. Bauämter in anderen Städten seien sogar auf das Hotel-Kunstwerk aufmerksam geworden – und stritten sich regelrecht um Außentermine.

Im „bewohnbaren Kunstwerk“ findet man seit 2003 auf drei Etagen insgesamt 27 unterschiedliche Zimmer. Nummeriert von 11 bis 45. Warum, ist unklar. Die ursprünglichen 4,5 Zimmern zählen heute zu Stroschens Privatbereich und können als Foto-Location gemietet werden. Nur das „Zwergenzimmer“ gibt es nicht mehr. Die meisten Räume haben ein eigenes Badezimmer, in manchen muss man Gemeinschaftsbäder nutzen.

Das Hotel profitiert nicht nur von den ausgefallenen Ideen, sondern auch von der guten Lage in der City. Nicht mal fünf Gehminuten sind es bis zum Ku’damm, das Messegelände ist ganz in der Nähe. Neben Geschäftsreisenden und Touristen kommen laut Valentina Gennadis aber auch gerne Berliner Stammgäste hierher. Sie alle, ob jung oder alt, schätzen die ausgefallenen Gestaltungsideen des jeweiligen Raums mit interessanten Kombinationen aus Klangskulpturen und Lichtinstallationen.

Das bett an der Decke

Nachdem ich mir ein paar Zimmer anschauen durfte, steigt die Spannung auf meine Unterkunft „Upside Down“. Zu Recht, denn der Name ist Programm: Die Welt steht hier auf dem Kopf. Das gesamte Mobiliar befindet sich an der Decke. Ein Bett samt Bezug, Kommoden, Stühle und ein Tisch.

Kurz vor der Verzweiflung, wo ich denn heute Nacht schlafen soll, fallen mir zwei geöffnete Luken im Boden auf, in denen sich vertiefte Betten befinden. Ich bemerke Löcher im Boden und öffne eine weitere Einlassung: ein Sessel unter dem Fußboden. Ich muss kichern, als ich hineinsteige und den Raum über mir betrachte: Das glaubt mir doch niemand!

Zwei Räume sind hier quasi zu einem verschmolzen: Der bewohnbare Teil befindet sich auf beziehungsweise unter dem Boden. In der Mitte der Wand verändert sich der Raum farblich und geht an der Decke in ein Schachbrettmuster über.

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Die Welt steht auf dem Kopf im Zimmer „Upside Down“. Foto: © Lars Stroschen

Ich brauche einen Moment, bis mir ein technischer Apparat an der Wand auffällt. Das muss die Musikanlage sein und ich bin natürlich auf den eigens für diesen Raum komponierten Sound gespannt. Ich steige aus meinem tiefen Sessel und drücke auf den Knöpfen der handlichen Bedienung herum.

Sogleich kommt eine Abfolge von elektronischen Tönen aus den Boxen in den Ecken des Raumes. Sie erinnern mich an Techno-Sounds, ein hektisches Piepen, elektronische Beats. Erst bin ich verstört. Wenn man mal ehrlich ist, passt das aber zum Zimmer: Es ist total abgefahren.

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Naturgeräusche aus aller Welt

Dann entdecke ich aber einen sehr angenehmen Kanal: Lars Stroschen hat auf seinen Reisen am Mittelmeer oder nach Bali Naturgeräusche aufgenommen, die ich jetzt hier in Berlin hören kann. Die Fenster sind wegen der sommerlichen Hitze geöffnet und das Meeresrauschen muss sich gegen die Lautstärke der Stadt durchsetzen. Erst jetzt bemerke ich, dass die Fenster mit Bildern bedeckt sind: Landschaftsaufnahmen, die ebenfalls auf dem Kopf stehen.

Ich muss daran denken, wie Valentina Gennadis mir vorhin erklärt hat, was das Besondere an diesem Hotel ist: „Weil es eben anders als ein Standardhotel ist“. Ich kann ihr nur zustimmen und lege mich in meine Luke. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen ist die Hoffnung, dass der Tisch über mir morgen früh auch noch dort hängt.

Eine kleine Führung durch das Hotel von der Geschäftsführerin Valentina Gennadis (auf Englisch) gibt es im folgenden Video:

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Das Hotel befindet sich in der Berliner Albrecht-Achilles-Straße 58. Die Zimmer kosten zwischen 79 und 190 Euro (plus 5% Berlin City Tax für Touristen). Ein zusätzlicher Übernachtungsgast kostet 15 Euro extra. Frühstück wird für 7 Euro pro Person angeboten. Bei der Reservierung per Telefon oder Internetformular müssen drei Zimmerwünsche angegeben werden.

Die Rezeption ist von 8 bis 12 Uhr geöffnet: (030) 891 90 16. Mit Voranmeldung werden von Montag bis Donnerstag für 5 Euro pro Person Führungen ab 15 Teilnehmern angeboten.

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