1. März 2022, 7:33 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten
Schampus, Kaviar und jeder Wunsch wird von den Lippen abgelesen – von einem Urlaub in einem der edelsten Fünfsternehotels dieser Welt träumen viele. Doch wie fühlt sich so viel Luxus wirklich an und ist es das Geld wert? Unsere TRAVELBOOK-Autorin hat es im Berliner Hotel Adlon Kempinski getestet.
„Wer zur Hölle braucht so ein großes Bad?“ – das war mein erster Gedanke, als ich unser Zimmer im Hotel Adlon in Berlin erkundete. Gebucht hatten wir einen etwa 40 Quadratmeter großen „Deluxe Room“. Das ist die unterste Zimmerkategorie im Fünf-Sterne-Luxushotel. Mit gerade einmal 435 Euro pro Nacht inklusive Frühstück aber auch ein echtes Schnäppchen. Zum Vergleich: Das teuerste Zimmer in der Berliner Hotellegende, die 1997 am Pariser Platz wieder eröffnet wurde, ist die Royal Suite. Dort kostet eine Übernachtung 18.095 Euro. Man gönnt sich ja sonst nichts. Dafür gibt es aber auch einen Butler und die Minibar inklusive. Unter anderem.
Von solchen Extras können mein Mann und ich nur träumen. Auch wenn wir anlässlich des 25-jährigen Neubestehens des Hotel Adlons – und des 30. Geburtstages meines Mannes – das exklusive „25 Jahre Adlon Jubiläumspackage“ gebucht haben. Einfach mal, um sich was zu gönnen. Denn alltäglich ist das alles für mich nicht. Ich habe noch nie einem Hotel dieser Preisklasse genächtigt. Die im Paket enthaltenen Features lesen sich zumindest sehr nobel oder wie meine Mutter es bezeichnete „feudal“. Enthalten sind:
„Eine Übernachtung im Deluxe Room inklusive Gourmet Frühstück, eine Flasche Jubiläums Champagner der Marke Ruinart sowie frische Erdbeeren, Adlon Schokolade sowie ein Überraschungsgeschenk, ein saisonales Drei-Gänge-Jubiläums-Menü inklusive Robert Weil Jubiläumswein im Restaurant Quarré am Anreisetag, gratis W-Lan und die kostenfreie Nutzung unseres Pool- und Fitnessbereiches.“
Eine Nacht für „nur“ 644,10 Euro
Das ganze Paket gibt es für „nur“ 644,10 Euro. Im Vergleich zu den regulären Preisen ein relativ gutes Angebot. Denn das Adlon Kempinski gehört zu den besten Adressen. Es ist Mitglied des Hotelverbundes „The Leading Hotels of the World“. Meine Erwartungen sind also dementsprechend hoch. Und mal ehrlich: Insgeheim träumt doch jeder von einer sorglosen Nacht im Luxusrausch, oder nicht? Ich sehe zumindest vor meinem inneren Auge schon, wie ich mir als Mitternachtssnack den sündhaft teuren Trüffel-Döner aufs Zimmer bestelle und die Minibar plündere – alles natürlich stilecht im flauschigen Bademantel und Hotel-Puschen.
Der Vorab-Service, ehe ich auch nur einen Fuß ins Hotel gesetzt habe, erfüllt meine hohen Ansprüche. In diversen Mails werden meine persönlichen Präferenzen abgefragt: Möchte ich lieber Rotwein oder Weißwein zum Dinner trinken? Habe ich irgendwelche Allergien? Wie soll mein Bett bezogen werden? Und, und, und. Jeder Wunsch soll mir erfüllt werden. Traumhaft! Eine schöne Illusion, die vorab ein wohliges Gefühl erzeugt und tatsächlichem Groll im Hotel vielleicht vorbeugen soll.
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Bei der Ankunft fühle ich mich wie die Königin der Welt
Beim Check-in sind alle furchtbar unaufdringlich, nett und zuvorkommend. Sogar unseren ollen Rucksack würde man uns hoch in die fünfte Etage tragen, wenn wir das den wollen würden. Unser Zimmer ist sehr klassisch eingerichtet: dunkles Holz, helle Polster und Vorhänge, dunkler Granit im Badezimmer. Man will im Hause Adlon die Tradition und den Geist des ältesten Luxushotels Europas weiter aufrechterhalten. Damals, als das Adlon im Jahr 1907 in der Berliner Dorotheenstadt eröffnete, war es das erste Hotel, das in jedem Zimmer fließend heißes Wasser hatte. Es gilt also, einen Ruf zu verteidigen.
An sich eine schöne Idee. Die Zimmer, Flure und die Lobby sind mit viel Liebe zum Detail ausgestattet. Technisch könnte der sich ansonsten im tadellosen Zustand befindliche Neunzigerjahre Luxuscharme ein Update vertragen. Aber wieso sollte ich mich eigentlich beschweren wollen? Als wir unsere Zimmertür öffnen, erlebe ich meinen ersten Arbeiterkindkulturschock: Mein Zimmer hat eine eigene Klingel! Dazu muss man sagen: Ich habe in meiner Kindheit und Jugend Urlaub allerhöchstens in Drei- Sterne-Hotels der Kategorie Durchschnitt, meistens aber in Ferienwohnungen, verbracht. Ich habe eine Klingel am Hotelzimmer noch nie erlebt. Und auch keinen mit Parkett ausgelegten Flur. Meine erste eigene Wohnung in Berlin war so groß wie dieses Hotelzimmer. Und die Monatsmiete lag etwa in der gleichen Kategorie wie hier der Preis pro Nacht.
Zwischen Champagner und Whirlpool
Der Champagner wartet stilecht im Kühler und ich verfalle der charmanten Vorstellung, den ganzen Nachmittag hier nur zu liegen und mit meinem Mann ein Glas nach dem anderen zu schlürfen – weil, und das ist das Totschlagargument an diesem Tag: Wann macht man so was schon? Das könnte natürlich eine wunderbare Ausrede für alles sein, um einen ganzen Tag nur im Hotelzimmer mit eigener Kapselkaffeemaschine zu verbringen. Aber ich fahre ja nicht 20 Minuten mit der S-Bahn und bezahle mehrere Hundert Euro, um mir nicht das ganze Hotel anzuschauen.
Also schlüpfen wir erst mal in unsere Bademäntel und ich erlebe meinen zweiten Kulturschock: Es gibt einen extra Lift für den Pool- und Spa-Bereich. Hier fühle ich mich in all meinen Erwartungen, die ich an ein Luxushotel wie das Adlon habe, bestätigt. Wir bekommen eine eigene Liege zugewiesen, es gibt Tee, Wasser und Snacks gratis, sogar Klatschzeitschriften für den perfekten Nachmittag am Pool liegen bereit. Wenn jetzt nicht eine Gruppe Französinnen den Whirlpool für eine halbe Ewigkeit blockieren würde, wäre ich im siebten Himmel. Aber auch das ist das Adlon: Niemand meckert hier und niemand wird doof angemacht.
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Handgeschriebene Karten und ein eigener Kellner beim Dinner
Nach unserem Powernap am Poolbereich – und natürlich ein paar gezogenen Bahnen – fühlen wir uns bereit für unser Drei-Gänge-Menü. Auch hier zeigt das Hotelpersonal, was es kann. Neben einem Tisch mit Blick aufs Brandenburger Tor bei Nacht bekommen wir einen eigenen Kellner für den Abend. Der unterhält sich nicht nur nett mit uns, sondern führt kompetent durch das Menü. Er fragt sogar noch mal extra nach, ob es irgendwelche Sonderwünsche oder nicht registrierte Unverträglichkeiten gibt. Ich denke: „Hey, cool, die wollen definitiv nicht, dass ich an einer Erdnusssoße sterbe!“ Ein handgeschriebener Gruß auf einer Ansichtskarte, die das historische Adlon zeigt, heißt uns willkommen. Diese Karten begegnen uns während unseres Aufenthaltes öfters. Die Botschaft ist eindeutig: „Danke, dass Sie Gast sind, wir schreiben sogar eine Karte für Sie!“
Das Essen im Restaurant Quarré ist ein Traum: Als Vorspeise gibt es Brandenburger Burrata, als Hauptgang butterweiche Short-Ribs vom Rind und als Dessert Blueberry Cheesecake. Weil der Abend noch jung ist, geht es danach für zwei Cocktails an die Lobby Bar. Hier lässt der Service allerdings etwas zu wünschen übrig, was vielleicht an den unzähligen Gästen, die nur für einen Drink abends ins Adlon kommen, liegen könnte. Bis wir unsere Cocktails bestellen können, dauert es sehr lange. Solange, dass wir keine zweite Runde bestellen wollen.
Skandal: Der 26-Euro-Döner ist aus!
Richtig, aufs Kingsizebett fläzen und Netflix gucken. Natürlich plündern wir auch die Minibar (deren Preise übrigens nirgendwo ausgezeichnet sind) und rufen irgendwann den Zimmerservice an. Denn eines steht ja noch auf meiner Liste: den legendären – weil mit 26 Euro lachhaft teuren – Adlon-Döner mit Trüffeln bestellen. Und wenn ich gleich dabei bin, auch Chilli-Cheese-Fries. Aber dann der Schock: Ab 22 Uhr gibt es nur noch Snacks von der Nachtkarte. Und was kommt da beim Adlon aus der Küche? Tomatensuppe, Kartoffelsuppe mit Bockwurst, Käse-Schinken-Sandwich mit Chips oder Tomaten-Mozzarella-Sandwich mit Chips. Enttäuschend.
Da wir vier Cocktails, eine Flasche Wein und Champagner zu zweit intus haben, haben wir dennoch leider das unheimliche Bedürfnis, die Kartoffelsuppe und das Käse-Schinken-Sandwich zu bestellen. Das kommt nach einer halben Stunde – ja, ich finde auch, dass das ganz schön lange dauert – an. Aber: Endlich wurde unsere Zimmerklingel benutzt! Aufregend! Das Essen enttäuscht bedauerlicherweise nicht nur auf der Karte, sondern auch in der Realität. So kommen etwa die Chips hundertprozentig aus der Tüte. Nicht mehr hungrig, aber etwas enttäuscht, legen wir uns schlafen. Kurz überlege ich, wie und ob ich dieses Boxspringbett mit nach Hause nehmen kann, ehe ich ins Land der Träume verschwinde.
Zum ersten Mal im Luxushotel: Der nächste Morgen ist für mich ein erneuter Schock
Am nächsten Tag, dem Geburtstag meines Mannes, bekommen wir beim Frühstück Premiumplätze, die wir als normale Gäste niemals zugewiesen bekommen hätten: In einem separaten Speisesaal der Bel Etage, wie der Frühstücksbereich des Adlon heißt, direkt am Fenster, mit Blick aufs Brandenburger Tor. Habe ich jemals so exquisit gefrühstückt? Nein. Nie im Leben.
Als Sahnehäubchen obendrauf gibt es (wieder) Champagner, Eggs Benedict, frisch gepressten O-Saft und alles, was ich will. Natürlich auch Kaviar, weil wo wären wir sonst? Natürlich gibt es auch einen Schoko-Geburtstagskuchen mit Goldstaub für das Geburtstagskind. Dementsprechend lange frühstücken wir, ganze zwei Stunden. Eigentlich will ich auch gar nicht gehen. Aber irgendwann endet jeder Traum. Für kurze Zeit hatte ich sogar vergessen, wie sauer ich über den Nachtservice war. Nun ja, es geht zum Auschecken – und es folgt die bittere Abrechnung.
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Woher wissen die das mit der Minibar?!
Denn die Preise für Extras sind gesalzen. Eine Flasche Wasser im Restaurant kostet um die sieben Euro, Gummibärchen aus der Minibar sechs Euro, eine Flasche Berliner Kindl ebenfalls. Insgesamt haben wir rund 155 Euro für alles, was nicht in dem Paket drin war, obendrauf gezahlt: eine Flasche Wasser, zwei Aperitifs, zwei Cocktails in der Lobby-Bar, ein Wein, zwei Bier, Gummibärchen aus der Minibar und unser Mitternachtssnack. Was ein großes Rätsel bleibt: Woher wissen die, was ich aus der Minibar genommen habe?
Natürlich weiß ich, dass es Minibars mit Sensoren gibt, die, wenn man das gewünschte Objekt nicht schnell genug zurücklegt, automatisch abgerechnet werden. Aber: Wir haben mehrere Minuten im Bett überlegt, ob wir lieber Schokolade oder Gummibärchen haben wollen. Mit den jeweiligen Snacks vor uns! Eine Sensor-Minibar hätte auch die Schokolade, die wir nicht gegessen haben, abgerechnet. Mysteriös.
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Ich war also zum ersten Mal im Luxushotel – und was soll ich sagen?
Mein erster Aufenthalt in einem Luxushotel war der Wahnsinn. Im Positiven wie Negativen. Denn einerseits fühlt sich jeder als Gast im Adlon unheimlich gut aufgehoben. Ich hatte wirklich fast immer das Gefühl, dass mir jeder Wunsch erfüllt werden würde, wenn ich nur direkt darum bitte. Das eigene Ego fühlt sich durch eine Nacht beziehungsweise einen Tag in diesem illustren Kreis derjenigen, die sich so etwas leisten können, einfach geschmeichelt. Besonders das Frühstück hat es mir angetan. Werde ich jemals wieder mit diesem Blick auf das Brandenburger Tor und diesem Service inklusive Champagner- und Kaviar-Flatrate den Tag beginnen?
Wohl eher nicht. Denn die andere Seite des Wahnsinns ist die, dass man einfach unfassbar viel Geld für dieses wahnsinnige Gefühl des Luxus ausgeben muss. Wer im Adlon nächtigt, bekommt ohne Frage viel und nur das Beste. Und natürlich bin ich kein Staatsoberhaupt oder die Queen von England (die hat im Adlon übrigens auch schon genächtigt – natürlich in der Royal Suite, Sie erinnern sich, das teuerste Zimmer im gesamten Hotel). Aber wenn ich als Normalsterbliche so viel Geld für ein Zimmer ausgebe, wünsche ich mir, um Mitternacht den Zimmerservice anzurufen und nicht nur eine Kartoffelsuppe mit Bockwurst zu bekommen. Ich will Luxus-Döner und meine Chilli-Cheese-Fries! Und um ehrlich zu sein: Ich wollte mich einmal in meinem Leben wie „Kevin allein in New York“ fühlen, mit einem nur für mich gekochten Gericht. Schuld ist also allein Hollywood, das mein Bild von Luxushotels und was man dort eben so macht, ziemlich versaut hat. Denn am Ende sind die meisten Gäste im Adlon gar nicht so schickimicki gewesen, wie man es vielleicht erwartet. Das Adlon ist auch nur ein Hotel. Ein sehr gutes, wohlgemerkt. Einen zweiten Aufenthalt brauche ich aber in nächster Zeit dennoch nicht.
Übrigens, wer es wissen möchte: Hinter der Adlon-Schokolade verbarg sich ein Brandenburger-Tor in Schoko-Form, das „Überraschungsgeschenk“ war ein Schlüsselanhänger aus blauen, geflochtenen Lederriemen. Das ist alles, was mir von dieser Nacht geblieben ist. Und nein, ich habe den Bademantel nicht mitgehen lassen!